120 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht
- Kein menschliches Schicksal lässt sich auf eine Zahl reduzieren.
- Der Weltflüchtlingstag erinnert uns daran, dass hinter den steigenden Zahlen individuelle Geschichten von Mut und Stärke stehen.
Seit dem 20. Juni 2001 werden die aktuellen Zahlen des UNHCR zu Geflüchteten veröffentlicht. An diesem Tag erinnert IRC daran, warum es wichtig ist, sich für die Rechte von Schutzsuchenden einzusetzen, und feiert die unzähligen gesellschaftlichen Beiträge von Schutzsuchenden in ihren Aufnahmegemeinschaften.
Rund um den Weltflüchtlingstag 2024 haben wir Menschen eingeladen, ihre Geschichten zu erzählen. Sie alle haben eines gemeinsam: Durch Fußball fanden sie ein neues Stück Heimat.
Die meisten Medien konzentrieren ihre Berichterstattungen viel zu oft auf die Gesamtzahl an geflüchteten Menschen weltweit. Natürlich ist es wichtig, aufzuzeigen, wie viele Menschen gezwungen sind, ihre Heimat aufgrund von Kriegen, Konflikten, Naturkatastrophen und anderen Gründen zu verlassen. Aber der Fokus sollte nicht allein auf der Anzahl der Geflüchteten liegen.
Wichtiger sind die Umstände, vor denen sie fliehen und die Art und Weise, wie die Menschen aufgenommen werden. Denn obwohl Migration und Flucht schon immer zur menschlichen Geschichte gehören, mangelt es am politischen Willen der internationalen Gemeinschaft, Fluchtursachen nachhaltig anzugehen und Schutzsuchenden langfristige Perspektiven zu eröffnen.
Die meisten Vertriebenen verlassen ihre Heimat nicht aus einem einzigen Grund. Es ist oft eine Kombination von Faktoren wie Kriege und Konflikte, politischer Verfolgung, wirtschaftlicher Not und Naturkatastrophen.
Erreichen Schutzsuchende eine Grenze, wendet die derzeitige Politik zur Aufnahme oft entmenschlichende Methoden wie Haft, Gewalt und Übergriffe durch Grenzbeamte oder Abschiebung an.
Tragödien wie Bootsunglücke im Mittelmeer werfen ernsthafte Fragen zur Effektivität und Humanität solcher abschreckender Maßnahmen auf. Schutzsuchende haben das Recht einen Asylantrag zu stellen – gemäß des humanitären Völkerrechts und unabhängig davon, wie sie an die Grenze gelangt sind.
Dies ist keine „Krise der Zahlen“, sondern eine Krise des politischen Willens. Es fehlt der politische Wille, die Lösungen umzusetzen, die es Geflüchteten ermöglichen, Schutz zu finden und ihr Leben in Würde wieder aufzubauen – sei es in ihrer Heimat oder in einem Aufnahmeland.
Geflüchtete bereichern die kulturelle Vielfalt ihres neuen Lebensumfeldes. Sie fördern den interkulturellen Dialog sowie das gegenseitige Verständnis durch den Austausch ihrer Traditionen, Sprachen und kreativen Fähigkeiten. Ihr Beitrag zu Kultur und Gesellschaft ist bemerkenswert. Unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem neuen Wohnort prägen Menschen mit Fluchtgeschichte Politik, Kunst, Traditionen, Essen, Träume und Zukunft auf besondere Weise.
Künstler*innen mit Fluchthintergrund nutzen ihre Kreativität, um Brücken zu bauen und uns alle zusammenzubringen. Durch Malerei, Tanz und ihren Gesang öffnen sie Türen zu ihrer Welt und zeigen uns, wer sie jenseits des Labels „Geflüchtete“ sind. Sie inspirieren uns und bereichern die Gemeinschaft.
Geflüchtete tragen auf vielfältige Weise zur Gesellschaft in ihren Aufnahmeländern bei. Ihre Erfahrungen und Fähigkeiten bereichern die Gemeinden und fördern den sozialen Zusammenhalt. Durch ihre Teilnahme an verschiedenen Programmen und Projekten tragen sie zur wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung ihrer neuen Heimat bei.
Wie Geflüchtete den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft stärken
Geflüchtete können durch gezielte Unterstützung erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wichtige Maßnahmen sind Sprachkurse, berufliche Weiterbildung und die Anerkennung ausländischer Qualifikationen. Sprachkurse erleichtern die Kommunikation im Beruf, während Weiterbildungen die Fähigkeiten der Geflüchteten verbessern und an den deutschen Arbeitsmarkt anpassen. Anerkannte Qualifikationen ermöglichen es ihnen, ihre beruflichen Fähigkeiten voll zu nutzen.
Viele Geflüchtete gründen Unternehmen und schaffen dadurch neue Arbeitsplätze. Sie tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei und unterstützen das Wachstum lokaler Märkte durch ihre unternehmerischen Tätigkeiten. Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland sind oft unternehmerischer als Personen ohne Einwanderungsgeschichte. Laut Zahlen von 2022 liegt ihre Gründungsquote etwa 14 Prozent höher. Unternehmen, die Geflüchtete einstellen, profitieren von innovativen und erfolgreichen Teams durch unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen.
IRC unterstützt geflüchtete Erwachsene beim Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt durch Weiterbildung und Vermittlung. Unternehmen werden ebenfalls unterstützt, um ihre Vielfalt zu fördern und Diskriminierung entgegenzuwirken. Projekte wie Resilient Futures bieten Teilnehmenden verschiedene Hilfsprogramme für ihre Selbstständigkeit in Deutschland an. Es berücksichtigt ihre individuellen Kompetenzen, Interessen und Potenziale. Das Projekt beinhaltet individuelle Beratung und ein modular aufgebautes Training, bei dem sich die Teilnehmenden mit anderen Gründungsinteressierten austauschen können.
Erfahre mehr über den IRC-Programmbereich „Beruf und Orientierung“.
Wie Geflüchtete den sozialen Zusammenhalt stärken
Geflüchtete tragen zum sozialen Zusammenhalt bei, indem sie ihre vielfältigen Erfahrungen und Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen. Durch IRC-Programme wie „FairWurzelt“ oder „Anknüpfen“ erhalten sie Unterstützung und finden Anschluss in der Gemeinschaft. Sie beteiligen sich an gemeinnützigen Projekten und Organisationen, unterstützen Bedürftige und tragen zum Aufbau starker, unterstützender Gemeinschaften bei.
Die meisten Geflüchteten suchen in ihren direkten Nachbarländern Zuflucht. Dies kann geografische, kulturelle, sprachliche sowie wirtschaftliche Gründe haben. Die Flucht in ein nahegelegenes Land ist oft die schnellste Option. Nachbarländer teilen ähnliche kulturelle, sprachliche und historische Hintergründe, was die Integration und das tägliche Leben für Schutzsuchende erleichtert.
In vielen Fällen haben Geflüchtete bereits familiäre oder soziale Verbindungen in den Nachbarländern, die Unterstützung und Ressourcen bieten können. Besonders für Familien mit begrenzten finanziellen Mitteln ist die Flucht in ein Nachbarland oft kostengünstiger und logistisch leichter. Für viele Geflüchtete besteht auch die Hoffnung, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können, was aus einem Nachbarland einfacher ist.
Nachbarländer, in denen die meisten Geflüchteten leben:
- 3,3 Millionen syrische Geflüchtete nimmt die Türkei auf.
- Knapp 2,5 Millionen venezolanische Geflüchtete leben in Kolumbien.
- 2,1 Millionen afghanische Geflüchtete finden Zuflucht in Pakistan.
- 1,5 Millionen venezolanische Geflüchtete finden in Peru Zuflucht.
- 987.200 Rohingya-Geflüchtete aus Myanmar leben in Bangladesch.
- 840.000 südsudanesische Schutzsuchende in Uganda.
- 795.300 syrische Geflüchtete leben in Libanon.
- 659.500 syrische Geflüchtete leben in Jordanien.
Deutschland ist nach Iran und Türkei das drittgrößte Aufnahmeland für Geflüchtete weltweit, mit insgesamt 2,6 Millionen aufgenommenen Personen. Rund 1,1 Millionen dieser Schutzsuchenden stammt aus der Ukraine, 705.800 aus Syrien, 255.100 aus Afghanistan und 146.500 aus dem Irak.
Bis Ende April 2024 stellten etwa 27.500 Syrer*innen einen Asylantrag in Deutschland, womit Syrien das häufigste Herkunftsland der Asylbewerber*innen ist. Auf dem zweiten Platz folgen Afghan*innen mit rund 13.600 Anträgen, gefolgt von türkischen Staatsangehörigen mit etwa 12.400 Anträgen.
Deutschland nimmt damit etwa zwei Prozent der weltweiten Geflüchteten auf. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Deutschlands von etwa 84,7 Millionen Menschen macht dies ungefähr drei Prozent aus. Länder wie Türkei und Iran (jeweils 89 Millionen Einwohner*innen) nehmen jeweils 3,4 Millionen Geflüchtete auf. In Libanon ist etwa jede*r sechsteEinwohner*in ein*e Geflüchtete*r und in Jordanien ist es fast jede*r sechzehnte. Dies zeigt, dass Deutschlands Aufnahmebereitschaft zwar bedeutend ist, jedoch im globalen Kontext nicht der größte.
Da mehr Menschen in Europa Schutz suchen, haben die EU-Staats- und Regierungschefs verschiedene Regelungen im Bereich Asyl und Migration eingeführt. Dazu gehören die Dublin-III-Verordnungen von 2020, das EU-Türkei-Abkommen aus dem Jahr 2016 sowie die GEAS-Reform von 2024.
Ziel dieser Regelungen ist es u.a. dass alle EU-Mitgliedstaaten sich an der Aufnahme von Geflüchteten beteiligen. Doch statt mehr Solidarität zu fördern, droht der aktuelle europäische Ansatz bestehende Rechte auszuhöhlen. IRC appelliert, die Grundrechte und den Zugang zu Asylverfahren zu gewährleisten.
- Informiere dich in der IRC Emergency Watchlist, welche Länder am stärksten von einer humanitären Krise betroffen sind.
- Unterstütze unsere Forderungen an Deutschland sowie an die EU, um die internationale Schutzverantwortung zu erfüllen.
- Folge uns auf Instagram und LinkedIn, um mehr über humanitäre Krisen weltweit und die Lage an Europas Grenzen zu erfahren.
- Unterstütze uns durch eine Spende, um lebensrettende Hilfe für Menschen zu leisten, die gezwungen sind, ihre Heimat aufgrund von Konflikten, Kriegen und Naturkatastrophen zu verlassen.
Laut UNHCR sind derzeit über 120 Millionen Menschen auf der Flucht. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Zu den Geflüchteten zählen auch Menschen, die das eigene Land nicht verlassen können.
Die meisten Binnenvertriebenen leben in Syrien und Kolumbien, die jeweils 6,9 Millionen Menschen verzeichnen. In der Demokratischen Republik Kongo sind sechs Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben, während 5,1 Millionen Ukrainer*innen in ihrer Heimat Schutz suchen. Dazu kommen Menschen, die über Grenzen hinweg in Nachbarstaaten fliehen oder in weiter entfernten Ländern Schutz suchen.
Mehr als 120 Millionen
Menschen sind auf der Flucht.
40 Prozent der vertriebenen Menschen sind Kinder.
75 Prozent der Geflüchteten werden in einkommensschwachen Ländern aufgenommen.
69 Prozent der Geflüchteten werden in Nachbarländern aufgenommen.
Jährlich werden etwa 385.000 Kinder in Notunterkünften geboren.
73 Prozent
aller Geflüchteten kommen aus fünf Ländern: Afghanistan, Syrien, Venezuela, Ukraine und Sudan.
Afghanistan: 10,9 Millionen Menschen sind vertrieben.
Syrien: 6,4 Millionen Menschen suchten Schutz vor dem seit 2011 andauernden Konflikt und den Folgen des verheerenden Erdbeben im Februar 2023.
Venezuela: 6,1 Millionen Menschen flohen vor politischen und wirtschaftlichen Krisen.
Ukraine: 6 Millionen Menschen flohen vor dem seit 2022 anhaltenden Konflikt.
Sudan: 1,5 Millionen Menschen flohen vor dem Konflikt im Jahr 2023.
75 Prozent
der Geflüchteten werden insgesamt von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen.
Länder wie Tschad, Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Sudan und Uganda erwirtschaften 0,5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und bieten 17 Prozent der Geflüchteten Schutz.
Länder mit mittlerem Einkommen wie Bangladesh, Pakistan, Kolumbien, Jordanien, Libanon und Türkei nehmen 28 Prozent aller Geflüchteten auf.