In zahlreichen Branchen in Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung bringen die Kompetenzen und den Willen mit, in diese Branchen einzusteigen. Und doch stellt erfolgreiche Arbeitsmarktintegration eine große Herausforderung in Deutschland dar: von Arbeitserlaubnis über Qualifikationsanerkennung bis hin zu Weiterbildung. Lies weiter und erfahre, wie Arbeitsmarktintegration erfolgreich gelingen kann.
Über 64 Prozent der seit 2015 angekommenen Geflüchteten sind heute berufstätig. Männer mit Fluchterfahrung erreichen eine Erwerbstätigenquote von 75 Prozent, während sie bei Frauen bei 31 Prozent liegt. Geflüchtete Frauen stehen dabei vor besonderen Herausforderungen wie familiären Verpflichtungen, eingeschränktem Zugang zu Bildungs- und Arbeitsangeboten sowie kulturellen Barrieren, die ihre Arbeitsmarktintegration erschweren.
Trotz dieser Hindernisse tragen Menschen mit Fluchtgeschichte zum Erfolg verschiedener Branchen bei. Besonders in Logistik, Gastronomie, Pflege und Handwerk übernehmen sie wichtige Aufgaben. Gleichzeitig verhindern lange Arbeitsgenehmigungsverfahren und die fehlende Anerkennung von Abschlüssen, dass sie ihre Stärken eigenständig verwirklichen können. Der Fachkräftemangel zeigt, welches Potential darin liegen kann, diese Barrieren abzubauen und nachhaltige Perspektiven für Geflüchtete und Unternehmen zu schaffen.
Rechtliche Rahmenbedingungen: Dürfen Geflüchtete in Deutschland arbeiten?
Langwierige Verfahren für Arbeitserlaubnisse und Unsicherheiten über den Aufenthaltsstatus verhindern zukunftsgerichtetes Planen für potentielle Arbeitnehmende mit Fluchterfahrung und Arbeitgebende. Im Durchschnitt warten Geflüchtete 15 Monate, bis sie Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Meist hängt dies vom Aufenthaltsstatus ab:
- Anerkannte Geflüchtete und Asylberechtigte können uneingeschränkt arbeiten. Fast jede*r sechste der insgesamt 1,7 Millionen Pflegekräfte in Deutschland ist außerhalb des Landes geboren. Zwischen Januar und November 2023 nahmen rund 1.500 Geflüchtete an beruflichen Weiterbildungen im Pflegebereich teil.
- Asylsuchende beantragen nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland eine Arbeitserlaubnis, sofern sie nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Der Wohnraummangel verhindert, dass viele eine eigene Wohnung finden oder sich leisten können. Ohne festen Wohnsitz bleibt ihnen die Arbeitserlaubnis oft verwehrt, wodurch sich ihr Einstieg in den Arbeitsmarkt verzögert.
- Personen aus sicheren Herkunftsländern wie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, der Republik Moldau, Senegal und Serbien dürfen jedoch nicht arbeiten. Dafür nutzen sie häufig die Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten oder nehmen an Sprachkursen teil, um ihre beruflichen Chancen zu verbessern.
- Personen mit einer Duldung dürfen mit Zustimmung der Ausländerbehörde arbeiten. Dieser Status setzt die Abschiebung vorübergehend aus und erlaubt es ihnen, unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland zu bleiben und zu arbeiten. Ende 2022 lebten rund 248.000 Geduldete in Deutschland, davon waren etwa knapp die Hälfte seit mindestens fünf bis sieben Jahren im Land.
- Das Chancen-Aufenthaltsrechtermöglicht Langzeitgeduldeten nach fünf Jahren eine befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für 18 Monate. Es erleichtert zwar den Zugang zum Arbeitsmarkt, gilt jedoch nur für eine begrenzte Zeit.
Herausforderungen für Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt
Geflüchtete wollen arbeiten und ihre Qualifikationen nutzen, doch strukturelle Barrieren erschweren den Einstieg in den beruflichen Einstieg. Diese reichen von sprachlichen Hürden bis hin zu bürokratischen Problemen bei der Anerkennung von Abschlüssen.
Sprachbarrieren und fehlende Anerkennung von Qualifikationen
Das Lernen der deutschen Sprache ist für Menschen, die neu in Deutschland ankommen, ein wichtiger Schlüssel zur Teilhabe. Laut einer BAMF-Studie ausdem Jahr 2023 sprechen 55 Prozent der Geflüchteten Deutsch auf gutem oder sehr gutem Niveau. Dennoch reichen diese Sprachkenntnisse in vielen Branchen nicht aus, um die Einstellungskriterien zu erfüllen.
Auch die Anerkennung ausländischer Qualifikationen ist schwierig. Zwischen 2012 und 2023 bearbeiteten Behörden 327.921 Anträge auf Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Mehrjährige bürokratische Verfahren verzögern die Integration, besonders in stark reglementierten Bereichen wie Medizin, Ingenieurwesen, Architektur, Lehramt und sozialen Berufen.
Diskriminierung und Vorurteile
Ungleichbehandlung hindert Menschen daran, eine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Arbeitgeber nennen Sprachbarrieren, komplexe Verfahren und den hohen Betreuungsaufwand als Herausforderungen bei der Einstellung von Menschen mit Fluchterfahrung.
Gleichzeitig sehen 62 Prozent der Unternehmen in der Integration eine Möglichkeit, Vielfalt zu fördern und den Arbeitsmarkt zu stärken. Anti-Bias-Trainings reduzieren Vorurteile und schaffen ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld.
Erfahre, was du tun kannst, wenn du Rassismus oder Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebst oder beobachtest.
Warum ist Arbeitsmarktintegration wichtig?
Die Integration von Geflüchteten stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie eröffnet neue Perspektiven, fördert ein selbstbestimmtes Leben und bietet wirtschaftliche Unabhängigkeit. Zudem verhindert sie soziale Isolation und schafft eine Verbindung zur Aufnahmegesellschaft.
Eine erleichterte Arbeitsmarktintegration füllt offene Stellen, sichert Fachkräfte und bringt wirtschaftliche Impulse. Qualifizierte Arbeitskräfte bereichern Kitas, Schulen und viele weitere Bereiche mit dringend benötigten Kompetenzen.
Migration hält die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland stabil. Laut einer Studie steigert eine verstärkte Zuwanderung das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft. Deutschland braucht langfristig ausländische Fachkräfte, um den demografischen Wandel auszugleichen, Innovationen voranzutreiben und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Was fordert IRC?
Damit Geflüchtete ihr Potenzial entfalten und aktiv am Arbeitsmarkt teilhaben können, müssen strukturelle Barrieren fallen. Dafür setzt sich IRC mit folgenden Forderungen ein:
- Bürokratie abbauen: formale Hürden für die Arbeitserlaubnis und bei der Anerkennung von Kompetenzen reduzieren, etwa durch schnellere Verfahren und mehr Kapazitäten in den Anerkennungsstellen.
- Spracherwerbsprogrammeausbauen: Geflüchtete brauchen unabhängig vom Aufenthaltsstatus Zugang zu hochwertigen und flexiblen Sprachkursen.
- Aus- und Weiterbildungsformate fördern: Arbeitgebende benötigen gezielte Unterstützung, um Personen mit Fluchterfahrung auszubilden und langfristig einzustellen.
Erfahre mehr in unserem Forderungspapier für die neue Bundesregierung.
Unterstützung für Geflüchtete und Unternehmen durch IRC
IRC begleitet Erwachsene beim Eintritt in den Arbeitsmarkt durch Weiterbildung und Vermittlung. Unternehmen profitieren ebenfalls von der Beratung, um Diversität zu fördern und Diskriminierung entgegenzuwirken.
Projekte wie „Resilient Futures“ stärken die berufliche und unternehmerische Selbstständigkeit und begleiten Teilnehmende dabei, ihre Kompetenzen und Interessen für die deutsche Wirtschaft einzusetzen. Das Programm bietet individuelle Beratung, Training und Raum für den Austausch mit anderen Gründungsinteressierten.
Erfahre mehr über den IRC-Programmbereich „Beruf und Orientierung“.
Wir alle können dazu beitragen, neu angekommene Menschen in unserer Arbeitswelt willkommen zu heißen. Mehr Diversität und neue Perspektiven bereichern nicht nur den Arbeitsalltag, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes.
Spende noch heute und setze damit ein Zeichen für die Stärkung von Menschenrechten und humanitären Werten.