Jedes Kind in Deutschland hat ab dem ersten Geburtstag das Recht auf einen Kitaplatz. Diese frühe Bildung stärkt ihre Teilhabe und Selbsbestimmtheit, indem sie sprachliche, emotionale und soziale Fähigkeiten fördert – eine entscheidende Grundlage für ihre Zukunft. Trotzdem fehlen seit Jahren Kitaplätze und Erzieher*innen: 2023 waren fast 400.000 Plätze und 100.000 Fachkräfte zu wenig. Besonders Kinder mit Migrationsgeschichte sind davon betroffen, da sie oft in Kitas unterrepräsentiert sind.
Erfahre, warum Familien mit Fluchthintergrund benachteiligt werden und was nötig ist, um das zu ändern.
Warum ist der Zugang zu Kindertagesstätten so wichtig?
Frühkindliche Bildung sowie der Zugang zu einer Kita stärken die sozialen Fähigkeiten aller Kinder und fördern eine altersgerechte Enwticklung. Für geflüchtete Familien ist dieses Umfeld aufgrund ihrer strukturellen Benachteiligung und Mehrfachbelastung besonders wichtig. Traumatische Erlebnisse auf der Flucht und unsichere Situationen im Aufnahmeland können für Eltern und Kinder stark belastend sein und zu psychischen Beschwerden führen. Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung in einer Kita schafft ein sicheres, sozial-emotional stärkendes Lernumfeld, stärkt die Sprachentwicklung der Kinder und ihrer Familien. Dadurch wird ihre gesellschaftliche Teilhabe erleichtert und soziale Isolation sowie Bildungsungerechtigkeit verringert.
Welche Hürden gibt es für Familien mit Fluchtgeschichte auf der Suche nach einem Kitaplatz?
Verschiedene rechtliche, bürokratische Hürden erschweren die Suche nach einem Kitaplatz für geflüchtete Familien. Neuzugewanderte müssen oft bis zu sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben. Manche Bundesländer argumentieren, dass Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen keinen Anspruch auf einen Kita-Platz haben – obwohl der Rechtsanspruch eigentlich bundesweit gilt. Zusätzlich zu rechtlichen Hürden ist es für geflüchtete Familien oft schwierig, durch das komplexe und unübersichtliche Betreuungs- und Bildungssystem in Deutschland zu navigieren und den Vergabeprozess von Kitaplätzen zu verstehen. Sprachliche Hürden erschweren diesen Prozess weiter.
Welche Barrieren gibt es bei der Vergabe von Kitaplätzen?
Auch bei der Vergabe von Kita-Plätzen können gerade neuzugewanderte Familien aufgrund direkter oder indirekter Faktoren benachteiligt werden. In den Vergabereglungen der Bundesländer werden berufstätige Eltern bevorzugt. Allerdings können gerade geflüchtete Eltern häufig aufgrund fehlender Arbeitserlaubnis oder fehlender Sprachkenntnisse nicht arbeiten und erfüllen daher dieses Kriterium nicht. Vielen ist zudem nicht bewusst, dass die Teilnahme an einem Deutschkurs als Beschäftigung zählt. Zusätzlich können rassistische Einstellungen die Vergabe eines Kitaplatzes beeinflussen: Eine Studie aus 2023 zeigt, dass Anfragen von Personen mit einem vermeintlich migrantischen Namen seltener, kürzer oder weniger ermutigend beantwortet wurden.
Welche Benachteiligung erleben Kinder mit Migrationsgeschichte?
Kinder mit Fluchtgeschichte erfahren auch in Kitas oft Benachteiligungen. Eltern berichten, dass die Kommunikation mit den Fachkräften häufig auf das Nötigste beschränkt bleibt, wenn das Personal nicht mehrsprachig ist oder keine Sprachmittlung nutzt. Diese verkürzte Kommunikation erschwert es, individulle Förderungsbedarfe oder -möglichkeiten für die Kinder zu besprechen. Studien zeigen außerdem, dass Familien in Kitas Rassismus erleben – sei es durch Bildungsmaterialien, die rassistische Stereotype reproduzieren oder durch diskriminierende Annahmen von Erzieher*innen.
Was fordert IRC?
Die identifizierten Barrieren machen deutlich, dass politische Veränderungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene notwendig sind. Mit den folgenden Maßnahmen kann Deutschland das Ziel einer gleichberechtigten Kitaversorgung für alle Kinder erreichen:
- Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sollten attraktiver und partizipativ gestaltet werden z. B. durch höhere Vergütung und längere und unbefristete Verträge
- Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sollten im Ausland erworbene Abschlüsse schneller anerkannt werden
- Unabhängig vom rechtlichen Status und Bleibeperspektive soll der Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ab der Ankunft in Deutschlandumgesetzt werden
- Mehrsprachiges Informationsmaterial und einfach zugängliche Beratungsangebote für die Suche nach einem Kitaplatz sollten flächendeckend etabliert werden
- Kitaplätze sollten gleichberechtigt vergeben werden. Rassistische Tendenzen bei der Kitaplatzvergabe sollten umfassend untersucht werden
- Inklusive, diversitätssensible und anti-rassistische Bildungspolitik sollte umfassend von Bund und Ländern gefördert werden
- Von der Ausbildung an sollten Fachkräfte geschult werden, Diversität in Kitas sensibel zu begegnen, eigene Rassismen zu reflektieren und anti-rassistisch zu handeln
- Anti-Rassismus sollte ganzheitlich in Kitas verankert werden – von antirassistischen Bildungsmaterialien, die diverse Lebensrealitäten abbildet, bis hin zu Beschwerdeverfahren, die Familien bei der Erfahrung von Rassismus zur Verfügung stehen
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Lies jetzt das neue Handlungspapier von IRC mit Empfehlungen zur frühkindlichen Bildung für Kinder mit Fluchthintergrund.