Fehlinformationen über Flucht und Migration verbreiten sich schnell. Viele Schlagzeilen stellen Geflüchtete und Migrant*innen in einem falschen Licht dar. Wir räumen mit den häufigsten Mythen auf, liefern klare Fakten und zeigen, wie die deutsche Migrationspolitik verbessert werden kann.

Mythos 1: „Europa nimmt zu viele Geflüchtete auf.”

Geflüchtete fliehen vor Verfolgung und lebensgefährlichen Situationen, um Sicherheit und Schutz zu finden – sie entscheiden sich nicht leichtfertig, ihre Heimat zu verlassen. Ende Juni 2024 meldet UNHCR weltweit 43,7 Millionen Geflüchtete und insgesamt 72,1 Millionen Binnenvertriebene. Die meisten Menschen – 69 Prozent – fliehen in Nachbarländer. 71 Prozent suchen Schutz in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Türkei, Pakistan und Uganda nehmen in absoluten Zahlen die meisten Geflüchteten weltweit auf. 

Deutschland hat von 2015 bis 2024 etwa zwei Millionen Geflüchtete aufgenommen. Bei einer Bevölkerungszahl von rund 83,6 Millionen Menschen im Jahr 2024 entspricht das ungefähr 2,4 Prozent der Bevölkerung.  

Zur selben Zeit fanden in der Türkei vier Millionen Geflüchtete Zuflucht. Mit einer Bevölkerungszahl von rund 87,5 Millionen Menschen im Jahr 2024 ergibt das etwa 4,6 Prozent der Bevölkerung.  

In Libanon leben rund eine Million Menschen mit Fluchthintergrund – das macht rund 14 Prozent der libanesischen Bevölkerungaus. 

Erfahre mehr zu den aktuellen Zahlen. 

Mythos 2: „Geflüchtete leben auf Kosten des Staates und wollen nicht arbeiten.”

Die Annahme, dass Geflüchtete dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen sind, ist falsch. Während ihr Asylantrag geprüft wird, erhalten sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Diese Leistungen liegen deutlich unter dem Bürgergeld und decken nur Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Ernährung und medizinische Grundversorgung. Dies reicht nicht aus, um in Würde über längere Zeit zu leben, sondern decken nur den Grundbedarf während des Asylverfahrens. 

Viele Geflüchtete möchten schnell anfangen zu arbeiten und finanziell unabhängig werden. Allerdings erschweren rechtliche Bestimmungen und bürokratische Hürden den Zugang zum Arbeitsmarkt. In den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts dürfen Geflüchtete in der Regel nicht arbeiten. Doch nach acht Jahren Aufenthalt erreichen geflüchtete Männer eine Erwerbstätigenquote von 86 Prozent, die über den Durchschnitt von 81 Prozent bei der männlichen Bevölkerung in Deutschland liegt. Bei geflüchteten Frauen liegt die Erwerbstätigenquote bei 33 Prozent. Viele Frauen können keine Arbeit aufnehmen, weil es an Betreuungsmöglichkeiten für Kinder fehlt. Zudem finden sie oft keine passenden Teilzeitstellen, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zusätzlich erschwert. 

Branchen mit Fachkräftemangel wie Pflege, Gastronomie und Bauwirtschaft profitieren bereits von der Arbeitskraft und dem Engagement Geflüchteter. Der Fachkräftemangel in Deutschland könnte weiter entschärft werden, wenn Geflüchtete schneller Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten würden. 

Erfahre mehr darüber, wie die Arbeitsmarktintegration in Deutschland funktioniert. 

Mythos 3: „Asylsuchende sind illegale Migrant*innen.”

Kein Mensch ist illegal. Der Begriff „illegal“ ist irreführend und entmenschlichend. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gibt Schutzsuchenden das Recht, auch ohne gültige Papiere in ein Land einzureisen, um Asyl zu beantragen. Das Recht auf Asyl ist in internationalen Konventionen, die Deutschland unterschrieben hat, sowie in deutschen Gesetzen verankert – Grundgesetz, EU-Recht, Völkerrecht. Auch Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, reisen oft ohne gültige Dokumente ein, da sie diese erst im Rahmen des Asylverfahrens hier erhalten. 

Menschen, die vor Krieg, Gewalt oder Verfolgung fliehen, verstoßen nicht gegen geltendes Recht, solange sie Asyl beantragen. Pauschale Aussagen wie „Migrant*innen sind illegal“ ignorieren diesen wichtigen Unterschied und fördern Vorurteile. 

Ohne sichere Fluchtwege bleibt oft nur der gefährliche Weg über irreguläre Routen, wie zum Beispiel die Überquerung des Mittelmeers oder die riskante Reise über den Balkan. Viele Geflüchtete haben keine legale Möglichkeit, in Sicherheit zu kommen, weshalb sie auf solche gefährlichen Routen angewiesen sind. Schleuser*innen und Menschenhändler*innen profitieren von dieser Situation, indem sie die Notlage der Geflüchteten ausnutzen. Der Ausbau sicherer und legaler Einreisemöglichkeiten, wie etwa humanitäre Visa, Aufnahmeprogramme und Resettlement-Programme, würde eine menschenwürdige Flucht ermöglichen und die Risiken verringern. 

Erfahre hier mehr über die Einreisemöglichkeiten für Schutzsuchende.

Mythos 4: „Deutschland wird von Asylbewerber*innen überrannt.”

Die Wahl der Sprache ist entscheidend. Begriffe wie „Überflutung“, „Zustrom” oder „Invasion“ sind dehumanisierend und ignorieren, dass Schutzsuchende vor Verfolgung, Krieg oder Gewalt fliehen. Geflüchtete sind mehr als nur Zahlen – sie sind Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Ambitionen, die nach Sicherheit suchen. 

Die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland fällt im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gering aus. 2024 stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) insgesamt 229.751 Menschen Erstanträge und 21.194 Folgeanträge auf Asyl. Zum Vergleich: Asylbewerber*innen machen nur einen kleinen Bruchteil der rund 83 Millionen Menschen in Deutschland aus. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Erstanträge um 30,2 Prozent, und die Folgeanträge gingen um 7,0 Prozent zurück. 

Es gibt keinen Grund, die Situation als Bedrohung darzustellen. Vielmehr ist es wichtig, den Menschen mit Respekt und Unterstützung entgegenzukommen, und die Politikansätze umzusetzen, die eine bessere Handhabbarkeit der Aufnahme von Schutzsuchenden ermöglichen würden.  

Dazu gehört, dass die Bundesregierung den Zugang zu fairen Asylverfahren gewährleistet, Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen aufklärt bzw. Verhindert sowie ein funktionierendes Aufnahmesystem. 

Erfahre hier, wie Integrationsprojekte in Sachsen-Anhalt zur Stärkung der Gesellschaft beitragen. 

Mythos 5: „Menschen mit Fluchterfahrung bringen mehr Kriminalität nach Deutschland.”

Geflüchtete* erhöhen die Kriminalitätsrate in Deutschland nicht. Berichte des Bundeskriminalamts (BKA) zeigen, dass geflüchtete Menschen nicht krimineller sind als die Gesamtbevölkerung. Straftaten, die im Zusammenhang mit Migration stehen, entstehen oft durch soziale Unsicherheit, schlechte Unterbringungsbedingungen oder fehlenden Zugang zu Arbeit, Gesundheitsversorgung und Bildung. Diese Faktoren hängen mit den Lebensumständen zusammen, nicht mit der Herkunft der Menschen. 

Medienberichte über einzelne Vorfälle, in die Geflüchtete involviert waren, erhalten unverhältnismäßig mehr Aufmerksamkeit als bei Verbrechen vonMenschen ohne Flucht- oder Migrationshintergrund. Dadurch entsteht eine verzerrte Wahrnehmung der Realität, die die öffentliche Meinung beeinflusst und zu Vorurteilen führt. 

Häusliche Gewalt, die in Deutschland weit verbreitet ist und viele Frauen betrifft, bleibt oft unterrepräsentiert. Alltägliche Gewaltformen wie Körperverletzung, Stalking oder Nötigung machen nur etwa 18 Prozent der Berichterstattung aus, obwohl Partnerschaftsgewalt mit zwei Dritteln die häufigste Gewaltform an Frauen darstellt. Dabei sind die Täter*innen überwiegend deutsche Staatsangehörige. Diese Tatsache wird in den Medien oft weniger betont, während Vergehen von Geflüchteten überproportional hervorgehoben werden. 

*Geflüchtete in diesem Kontext sind Personen, die laut Ausländerzentralregister (AZR): 

  1. ein Asylverfahren in Deutschland durchlaufen, 
  2. einen humanitären Aufenthaltstitel (befristet oder unbefristet) besitzen oder 
  3. nach einem abgelehnten Asylantrag oder dem Verlust ihres humanitären Aufenthaltstitels ausreisepflichtig sind.  

Mythos 6: „Schutzsuchende sind ungebildet, belasten die deutsche Volkswirtschaft und nützen uns nicht.”

Der wirtschaftliche Nutzen eines Menschen macht nicht seinen Wert aus. Viele in Deutschland schutzsuchende Geflüchtete bringen auch wertvolle Qualifikationen und Berufserfahrungen mit, die sie aktiv in den deutschen Arbeitsmarkt einbringen. Etwa 40 % der Menschen mit Fluchterfahrung in Deutschland haben eine höhere Schulbildung oder akademische Abschlüsse. Sie haben bereits in ihren Heimatländern wichtige berufliche Qualifikationen erworben, die sie in Deutschland nutzen können.  

Bei ihrer Ankunft stehen sie jedoch vor Herausforderungen wie Sprachbarrieren und der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Mit der richtigen Unterstützung wie Sprachkursen, Weiterbildungen und beruflichen Integrationsprogrammen können sie ihre Fähigkeiten weiterentwickeln und aktiv zum Wachstum der deutschen Wirtschaft beitragen. Sobald sie eine Arbeitserlaubnis erhalten, übernehmen sie Verantwortung, tragen positiv zur Wirtschaft bei und zahlen Steuern. 

Erfahre wie Fachkräfte aus Afghanistan sich für andere Geflüchtete in Deutschland einsetzen

Mann mit Brille und langen Haaren hält Gläser mit Pilzkulturen in einem Lagerraum.
Ruben stammt aus Mexiko und ist einer der vielen Geflüchteten, die erfolgreich ein Unternehmen in Deutschland gegründet haben. Mit Fungarium nutzt er das Potenzial von Pilzen als kompostierbares Verpackungsmaterial.

IRC bietet Geflüchteten Unterstützung durch Sprachkurse, Arbeitsmarktvorbereitung und kulturelle Orientierung, um ihnen zu helfen, erfolgreich in den deutschen Arbeitsmarkt einzutreten. 

Zwei lächelnde Mitarbeitende in einem Geschäft mit einem Präsentkorb.
Saeda und Saeed stellen handgemachte und zuckerfreie Schokoladenspezialitäten aus Bio-Zutaten her. Gemeinsam haben sie am IRC-Projekt „Resilient Futures“ teilgenommen, um mehr über die Unternehmensgründung in Deutschland zu lernen.

Erfahre mehr zu unserem Programmbereich Beruf & Orientierung.

Was ist International Rescue Committee (IRC)?

International Rescue Committee (IRC) unterstützt Menschen, die von humanitären Krisen betroffen sind, dabei, zu überleben, sich zu erholen und ihr Leben wieder aufzubauen. Wir erzielen nachhaltige Wirkung, indem wir Gesundheitsversorgung bereitstellen, Kindern beim Lernen helfen und Menschen sowie Gemeinschaften stärken, damit sie unabhängig werden. 

Lies hier mehr darüber, wie IRC Geflüchtete in Deutschland hilft und du unterstützen kannst.

Die kommenden vier Jahre bieten die Gelegenheit, Menschenrechte und humanitäre Werte zu fördern und langfristige Veränderungen zu bewirken. Erfahre im Forderungspapier an die Bundesregierung, welche politischen Maßnahmen notwendig sind, um diese Ziele zu erreichen.