Fünf Fußballstars mit Fluchterfahrung
Von Alphonso Davies über Mahmoud Dahoud bis Zećira Mušović: Erfahre vor der Fußball-Europameisterschaft 2024 mehr über geflüchtete Fußballer*innen.
Von Alphonso Davies über Mahmoud Dahoud bis Zećira Mušović: Erfahre vor der Fußball-Europameisterschaft 2024 mehr über geflüchtete Fußballer*innen.
Fußball überwindet kulturelle und sprachliche Barrieren und dient oft als erste Anlaufstelle für Geflüchtete, die ihr Leben an einem neuen Ort wieder aufbauen müssen.
Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2024 feiern wir (ehemalige) Fußballer*innen mit Fluchterfahrung, die den Sport geprägt haben. Ihre inspirierenden Geschichten zeigen, wie positiv sich dieser Mannschaftssport auf Menschen auswirkt.
Alphonso Davies, der Linksverteidiger vom FC Bayern München, ist für beeindruckende Schnelligkeit und robuste Verteidigung bekannt. Seine Geschichte beginnt weit entfernt von den großen Fußballstadien Europas. Davies’ Eltern flohen vor dem Bürgerkrieg in Liberia, bei dem zwischen 1986 und 2003 über 250.000 Menschen starben, und fanden in Ghana Schutz. Hier kam Alphonso in einer Notunterkunft für Geflüchtete zur Welt, in der er seine ersten Lebensjahre verbrachte.
Als er fünf Jahre alt war, zog seine Familie weiter nach Kanada. Dort entdeckte Davies seine Leidenschaft für den Fußball und trat „Free Footie” bei. Das außerschulische Programm wurde speziell für sozial benachteiligte Kinder entwickelt. Es ermöglicht allen, die sich sonst keine Anmeldegebühren und Sportausrüstung leisten könnten oder denen die nötigen Transportmittel fehlen, Fußball zu spielen.
Im Juni 2017 erhielt er die kanadische Staatsbürgerschaft und war mit 16 Jahren der jüngste Spieler, der jemals für die Nationalmannschaft auflief. Seit 2019 ist er beim FC Bayern München unter Vertrag und hat sich auch außerhalb des Spielfelds einen Namen gemacht. Davies ist der erste kanadische Fußballer, der zum Botschafter für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ernannt wurde. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar kündigte er an, alle seine Einnahmen aus dem Turnier für wohltätige Zwecke zu spenden.
Es war kein leichtes Leben damals, aber meine Eltern haben unsere Familie in ein sicheres Land gebracht. Hätten sie nicht den Mut gehabt, ihre Heimat zu verlassen, wäre ich nie im Leben Profifußballer geworden.
Ode Fulutudilu wurde 1990 in der Demokratischen Republik Kongo geboren. Im Alter von drei Jahren floh sie mit ihrer Familie vor den Unruhen in ihrer Heimat. Zunächst suchten sie Zuflucht ins benachbarte Angola. Doch auch in Angola wurde es durch den Bürgerkrieg zunehmend unsicher. 1994 ließen sie sich schließlich in Kapstadt, Südafrika nieder.
Das Leben als Geflüchtete in Kapstadt war kurz nach dem Ende der Apartheid besonders herausfordernd. Sie mussten sich an eine neue Kultur und Sprache anpassen und die sozialen und wirtschaftlichen Hürden überwinden. Fulutudilus Vater fand in Südafrika keine Arbeit und kehrte nach Angola zurück. Er ließ sie jedoch zurück, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für seine Tochter.
Daraufhin lebte sie in einem Kinderheim, wo sie ihre ersten Fußballschuhe bekam und regelmäßig trainierte. Dort trat sie einer Mädchenmannschaft bei und lernte eine britische Missionarin kennen, die später ihre Pflegemutter wurde.
Sie erkannte Odes Potenzial im Fußball und half ihr ein vierjähriges Vollstipendium für ein Soziologiestudium in den Vereinigten Staaten zu bekommen. Vor Antritt des Studiums musste sie jedoch die südafrikanische Staatsbürgerschaft beantragen, da sie bis dahin staatenlos war. Mit viel Mühe und Unterstützung gelang es ihr, die notwendigen Papiere zu erhalten.
Fußball ermöglichte mir den Zugang zu Bildung.
2014 schloss sie ihr Studium erfolgreich ab und debütierte im Kader für „Banyana Banyana”, der südafrikanischen Nationalmannschaft. Die rechtsfüßige Stürmerin trug zum vierten Platz ihres Teams bei der Fußball-Afrikameisterschaft der Frauen bei. Nach dem Turnier arbeitete sie zunächst als Sozialarbeiterin an einer Schule für benachteiligte Jugendliche. Jedoch ließ sie der Wunsch nach einer Fußballkarriere nicht los.
2019 wurde sie die erste Südafrikanerin, die in Spaniens höchster Liga beim FC Málaga spielte. Weitere Stationen waren Glasgow City in Schottland, wo sie Meistertitel gewann und 2023 kehrte sie nach Spanien zurück, um für Real Betis zu spielen.
Abseits des Spielfelds setzt sich Ode für die Rechte Geflüchtete ein und inspiriert viele mit ihrer Geschichte.
Es macht mich traurig, zu sehen, wie Geflüchtete behandelt werden, besonders Kinder, die keine Wahl haben. Wegen der Entscheidungen ihrer Eltern müssen sie sich den neuen Umständen anpassen. Geflüchtete verlassen ihre Heimat, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Sie fliehen, um ihre eigene Sicherheit und die ihrer Familien zu schützen.
Obwohl es in der südafrikanischen Fußballvereinigung noch keine professionelle Frauenliga gibt, zeigt Ode Fulutudilu weiblichen Fußballerinnen, dass ihre Leidenschaft und harte Arbeit sie in die Top-Ligen der Welt führen können.
Mahmoud Dahoud wurde 1996 in Amuda, Syrien, geboren. Neun Monate später flüchtete seine Familie vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland und ließ sich in der Stadt Düren, nahe Aachen, nieder.
Beim lokalen Verein Fortuna Düren begann er Fußball zu spielen. Sein außergewöhnliches Talent brachte ihn im Alter von 14 Jahren in die Jugendakademie von Borussia Mönchengladbach. Dort machte er mit seinem technischen Können und strategischem Verständnis schnell auf sich aufmerksam und setzte sich als fester Bestandteil des Mittelfelds durch.
Mit 18 Jahren stieg Dahoud in die erste Mannschaft von Borussia Mönchengladbach auf und zeigte beeindruckenden Einsatz, der ihn zu einem wichtigen Spieler im Team machte. Im Jahr 2016 erreichte er einen weiteren Meilenstein seiner Karriere, als er zum ersten Mal für die deutsche U21-Nationalmannschaft spielte.
Nach erfolgreichen Jahren bei Mönchengladbach wechselte Dahoud im Sommer 2017 zum Bundesliga-Konkurrenten Borussia Dortmund. Dort setzte er seine Entwicklung fort und trug mit seiner Spielweise zur Stärke des Mittelfelds bei.
In Deutschland bin ich aufgewachsen, habe mein ganzes Leben hier verbracht und durfte auch voller Stolz in den Jugendnationalmannschaften und der A-Nationalmannschaft spielen. Deutschland ist mein Zuhause.
„Syrien ist das Herkunftsland meiner Familie und schließlich auch mein Geburtsland. Und ich habe schon früh von meiner Familie gelernt, wie privilegiert wir in Deutschland leben dürfen und wie wichtig es gleichzeitig ist, den Menschen in Syrien Freude zu bringen.” Obwohl Mahmoud Dahoud in Deutschland aufgewachsen ist und das Leben in Syrien nie wirklich kennengelernt hat, liegt ihm die Situation in seinem Geburtsland sehr am Herzen. Daher unterstützt er regelmäßig Menschen vor Ort, indem er ihnen Kleidung und Lebensmittel schickt.
In den 1990er-Jahren führte eine Reihe von Kriegen zu dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens. Kurz vorher kam Fatmire „Lira” Alushi 1988 in einem kleinen Dorf im heutigen Kosovo zur Welt. Im Jahr 1993 erlebte das Land erhebliche Spannungen und Instabilität durch den Konflikt. Zu dieser Zeit war Fatmire fünf Jahre alt und ihre Familie entschied sich mit dem Nötigsten im Gepäck, das Land zu verlassen.
Die Reise dauerte eine Woche lang und führte sie durch Mazedonien, Bulgarien und Ungarn, bis sie schließlich in Deutschland Schutz fanden. In Deutschland angekommen, musste sich die junge „Lira” in eine fremde Umgebung einleben.
Am Anfang, als meine Familie aus dem Kosovo nach Deutschland kam, war es wirklich nicht einfach. Ich wusste nicht, worüber die anderen Kinder redeten. Neben der Schule hat mir der Fußball am meisten geholfen.
Fußball half Alushi dabei, nicht nur Stress abzubauen, sondern auch Freundschaften zu schließen und Anerkennung zu gewinnen. Sie konnte ihren Vater überzeugen, dass auch Mädchen Fußball spielen können.
Mit 16 Jahren trat Fatmire in die Bundesliga beim FCR 2001 Duisburg und machte schnell auf sich aufmerksam. Ein Jahr später feierte Alushi ihr Debüt in der deutschen A-Nationalmannschaft und krönte ihre Jugendkarriere mit dem Sieg bei der U19-Europameisterschaft. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2009 in China erlebte sie ihren größten Erfolg. Ihre Vielseitigkeit auf dem Spielfeld – egal ob im linken, rechten oder zentralen Mittelfeld – machte sie zu einer Kernspielerin des deutschen Nationalteams. An der Seiter ihrer Teamkolleginnen verteidigte Alushi erfolgreich den Weltmeistertitel.
2017 beendete Alushi ihre Profikarriere und widmete sich anderen Rollen in der Fußballwelt. Heute arbeitet sie als Integrationsbotschafterin des Deutschen Fußball-Bunds.
Zećira Mušović ist eine schwedische Torhüterin mit bosnischen Wurzeln. Ihre Familie floh 1992 während des Jugoslawienkriegs in das skandinavische Land. Schon in ihrer Kindheit zeigte sie großes Interesse für Fußball. Sie musste sich oft anhören, dass sie sich mit Aktivitäten beschäftigen solle, die „für ein Mädchen angemessen” seien. Doch Mušović ließ sich davon nicht abhalten und verfolgte weiterhin ihre Fußballträume.
Heute trägt sie sowohl beim schwedischen Nationalteam als auch beim FC Chelsea die Nummer 1 auf ihrem Rücken. Ihre Profikarriere begann sie im jungen Alter von 17 Jahren beim FC Rosengård, wo sie schnell zur Stammspielerin aufstieg und mit dem Verein mehrere Meisterschaften und Pokale gewann.
In Schweden fand ihre Familie eine neue Heimat, die sie mit offenen Armen empfangen hat. Diese Gastfreundschaft prägte Mušovićs Entscheidung, für das schwedische statt dem bosnischen Nationalteam zu spielen.
Meine Familie hat alles, was sie aufgebaut hat, zurückgelassen, um sich ein neues Leben in Schweden aufzubauen. Ich hatte das Privileg, mit zwei Kulturen aufzuwachsen. Die schwedische, die für mich das Land der Träume ist, zusammen mit der bosnischen, die ich mit viel harter Arbeit und Leidenschaft verbinde.
Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2023 überzeugte Zećira Mušović im Achtelfinale gegen die USA mit herausragenden Paraden, die ihr die Auszeichnung als Spielerin des Spiels einbrachte. Sie führte das schwedische Team bis ins Halbfinale, wo sie sich Spanien mit 1:2 geschlagen geben mussten. Gegen Australien konnten sie sich schließlich die Bronzemedaille sichern. Mit ihren starken Auftritten während des Turniers verschaffte Mušović sich internationale Anerkennung.
Neben ihrer sportlichen Karriere engagiert sich Mušović auch sozial. Sie gründete das Projekt „Next Generation Dreamers“, um jungen Mädchen dabei zu helfen, ihre Träume zu verwirklichen. Das Projekt schafft ein unterstützendes Umfeld, das alle Mädchen motiviert – unabhängig von ihrer Herkunft – Fußball zu spielen und ihren Leidenschaften nachzugehen.