Mit Beginn des neuen Schuljahrs besuchen auch 150.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Deutschland die Schule. Oft ist das für sie mit großen Herausforderungen verbunden. Hier setzt die Sommerakademie „Huckepack" von IRC an. 

Angefangen von der fremden Sprache bis hin zur Frage, wie sie in der neuen Klasse Freund*innen und damit sozialen Anschluss finden, benötigen insbesondere geflüchtete Kinder Unterstützung, um in der Schule ein sicheres Umfeld zu schaffen. Hinzu kommen die Herausforderungen der Corona-Pandemie, aber auch belastende Erinnerungen an die Flucht können Kindern das Ankommen in Deutschland erschweren.

Damit der Start in den neuen Schulalltag erfolgreich gelingen kann, unterstützt IRC insbesondere geflüchtete Kinder aus der Ukraine, Syrien sowie anderen Ländern, sich während der Sommerferien auf die neue Schule vorzubereiten. Beim IRC-Programm „Huckepack“ konnten sich 108 geflüchtete Kinder, die mit ihren Familien in Essen und Cottbus leben, spielerisch und kreativ ausprobieren, mit erfahrenen Pädagog*innen Fähigkeiten stärken und dabei auch neue Freundschaften knüpfen.  

Wir haben mit sechs ukrainischen Mädchen gesprochen, die am zweiwöchigen Programm von IRC in Essen dabei waren. Sie haben uns erzählt, was ihnen hier am meisten Spaß macht, wen sie aus der Heimat vermissen und was sie sich für die Zukunft wünschen. 

Evelina, 10 Jahre

Evelina aus der Ukraine beim Sommerferienprogramm von IRC
Die zehnjährige Evelina lebte mit ihrer Familie in Rubizhne, im Osten der Ukraine. Sie mussten nach Deutschland fliehen als die Gewalt eskalierte.
Foto: Maik Reichert/IRC


„Ich habe hier schon viele neue Freundinnen gefunden, aber ich vermisse meine alten Freunde von zuhause. Ich rufe sie oft an. Ich lerne auch Deutsch am Handy, aber die Sprache hört sich noch sehr fremd für mich an“, sagt die zehnjährige Evelina.
„Bisher war ich mit meiner Familie nur in Essen. Aber ich möchte gerne mal nach München, auf Bildern gefällt mir die Stadt sehr gut. Später will ich Ärztin werden. Meine Mama ist Ärztin. Es ist schön in Deutschland zu sein und alle sind sehr freundlich hier. Ich hoffe aber, dass meine Eltern nicht vorhaben, hier zu bleiben. Ich möchte gerne zurück in die Ukraine und ich wünsche mir, dass es meinen Verwandten und Freunden gut geht und ich endlich meine Katze wiedersehen kann. Sie heißt Lolita und wohnt bei meiner Oma in Luhansk.“ 

Kinder stärken ihre Resilienz beim Sommerferienprogramm von IRC Deutschland
Die eigens konzipierten Workshops von IRC Deutschland gehen dabei auf die Bedürfnisse, Wünsche und Sorgen der Kinder ein. Zugleich formuliert das Projekt pädagogische Standards für die Integration geflüchteter Kinder im Schulsystem.
Foto: Maik Reichert/IRC

Wie entsteht eine Zeitung? Worauf muss ich bei einer Gruppen-Choreografie achten? Und wie baue ich eigentlich ein Hochbeet? Bei verschiedenen Projektgruppen konnten die Mädchen Stärken entdecken und ihre sozial-emotionalen Kompetenzen schärfen – Fähigkeiten, die besonders wichtig sind, damit sie sich in einer fremden und ungewohnten Schulumgebung wohlfühlen, Kraft tanken und aufblühen können.

Seit über 30 Jahren arbeitet das International Rescue Committee mit Kindern, Jugendlichen und pädagogischen Fachkräften auf der ganzen Welt zusammen, um sichere (Lern-)orte für alle zu schaffen. Zusammen mit unterschiedlichsten Partnern aus der Bildungslandschaft erarbeitet IRC hierzu Ansätze, Materialien und Fortbildungsangebote. Mit dem Projekt "Huckepack" setzt IRC professionelle Standards und Impulse für die Bildungsförderung geflüchteter Kinder in Deutschland. In diesem Sommer haben neben Kindern aus Syrien und Afghanistan auch geflüchtete Kinder aus der Ukraine an der Sommerakademie teilgenommen. Sie sprachen dabei auch über ihre Sorgen, die ihnen der Schulbesuch in Deutschland bereitet. 

Kira, 10 Jahre

Kira beim Sommerferienprogramm von IRC Deutschland
Kira floh mit ihrer Mutter und der jüngeren Schwester aus Odessa zunächst nach Moldau, wo sie drei Monate blieben. Jetzt leben alle drei in Essen. Seit Ende August besucht Kira dort die Sekundarschule.
Foto: Maik Reichert/IRC

„Ich gehe hier bald in die Schule, aber ich habe wirklich Angst, dass die Kinder in meiner Klasse nur Deutsch sprechen. Wie soll ich sie verstehen? Ich spreche gut Englisch. Was ist, wenn die anderen kein Englisch sprechen? Ich lese auch sehr gerne und kann mir schnell Reime merken", erzählt die elfjährige Kira.   

„Meine Mutter ist mein Vorbild, sie ist sehr gut in Mathe, ich weniger. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich den Krieg beenden und zuhause eine Schule bauen, die ein Schwimmbad hat. Ich liebe Schwimmbäder und ich habe mich richtig gefreut, als ich gehört habe, dass meine neue Schule in Deutschland eins hat.“ 

Sofia-Anna, Sofia, Veronika und Maria 

Sofia-Anna, 10 Jahre und Sofia, 9 Jahre, sind beide aus Kiew. Die 10-jährige Veronika und Maria, 11 Jahre alt, kommen aus Odessa und Saporischschja. Die vier Mädchen haben sich im IRC-Ferienprogramm kennengelernt und sind gleich Freundinnen geworden.
Foto: Maik Reichert/IRC

„Wir genießen die Zeit hier und spielen gerne zusammen. Wir haben sogar einen geheimen Ort entdeckt, wo wir uns vor den anderen verstecken können. Wir besuchen schon die Schule, aber manchmal fühlt es sich an, als wären wir auf einem anderen Planeten, weil wir nichts verstehen. Der größte Unterschied zur Schule in der Ukraine sind die Lehrkräfte hier, sie sind nicht ganz so streng wie in der Ukraine.“ 
Wenn die vier für einen Tag Präsidentinnen der Ukraine wären, hätte sie alle den gleichen Wunsch: „Wir würden den Krieg beenden und nach Hause zurückkehren, in ein Land in Frieden, wo wir unsere Verwandten wiedersehen können.“  

Das IRC-Projekt „Huckepack" ist Teil von AUF!leben – Zukunft ist jetzt, ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und zugehörig zum Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona" der Bundesregierung.