Familien nach zwei Jahren Krieg – ein Jahrzehnt Konflikt und Vertreibung
Erfahre, was du über die letzten zwei Jahre Krieg und die vergangenen zehn Jahre des Konflikts in der Ukraine wissen musst.
Erfahre, was du über die letzten zwei Jahre Krieg und die vergangenen zehn Jahre des Konflikts in der Ukraine wissen musst.
Zwei Jahre nach der russischen Invasion tobt der Krieg in der Ukraine weiter. Doch das Jahr 2024 markiert nicht nur den zweiten Jahrestag des Krieges, sondern steht auch für zehn Jahre Konflikt und Unruhen im Land.
Die humanitären Bedarfe sind nach wie vor immens: Die ukrainische Zivilbevölkerung ist durch den Krieg von Vertreibung betroffen. Die Menschen haben Schwierigkeiten, Zugang zu Bildung, wirtschaftlichen Möglichkeiten und Gesundheitsversorgung zu erhalten. Während viele von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, werden Frauen zunehmend diskriminiert.
Seit dem 24. Februar 2022 wurden über 10.000 Zivilist*innen getötet.
Die Finanzierung der humanitären Hilfspläne für die Ukraine nimmt jedoch ab. Strenge Zugangsbeschränkungen behindern Hilfsorganisationen dabei, lebenswichtige Hilfe für Menschen außerhalb der von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete zu leisten.
Erfahre mehr über die Auswirkungen des Konflikts auf das Leben der ukrainischen Zivilbevölkerung.
Der Konflikt nahm 2014 seinen Anfang, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim illegal annektierte und begann, pro-russische Separatist*innen in der Ostukraine zu unterstützen. Zu diesem Vorgehen gehörte auch Russlands Anerkennung der Separatistengebiete Luhansk und Donezk. Bei den Kampfhandlungen in den folgenden acht Jahren starben über 3.000 Menschen und mehr als 850.000 wurden vertrieben. Infolgedessen waren fast 3 Millionen Ukrainer*innen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Eine IRC-Klientin erklärt:
„Viele Menschen können seit zehn Jahren nicht mehr nach Hause zurückkehren, so auch ich und mein Kind. Die letzten zehn Jahre haben wir an fremden Orten verbracht, wir haben die Schule gewechselt, mussten umziehen.“
Durch die russischen Angriffe haben immer noch Millionen Menschen oft für lange Zeit keinen Zugang zu Heizung, Strom, Wasser oder Sanitäranlagen. IRC ist in den am stärksten betroffenen Regionen der Ukraine tätig und hilft den Menschen vor Ort.
Die ukrainische Zivilbevölkerung ist stark von den Folgen des Krieges betroffen. In den vergangenen zwei Jahren wurden fast 10 Millionen Ukrainer*innen vertrieben — viele Familien mehrfach. Etwa ein Drittel der Bevölkerung im Land benötigt humanitäre Hilfe.
Für die meisten Ukrainer*innen bleibt die Rückkehr zu einem normalen Leben unvorstellbar. Raketenangriffe haben Schulen, Krankenhäuser und Wohnhäuser zerstört. Der Zugang zu lebenswichtiger Versorgung ist eingeschränkt, und viele müssen die kalten Wintermonate mit begrenzten Ressourcen überleben.
Rund 14,6 Millionen Menschen in der Ukraine werden im Jahr 2024 voraussichtlich humanitäre Hilfe benötigen, darunter 3,7 Millionen Binnenvertriebene.
Etwa ein Drittel der Bevölkerung, darunter 1,5 Millionen Kinder, erleben psychische Auswirkungen der Krise, wie Depressionen, Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Der Krieg hat soziale Netzwerke zerschlagen und somit verheerende Folgen für die Menschen vor Ort.
Laut einer IRC-Umfrage berichteten 74 Prozent unserer Klient*innen, dass sie aufgrund des Konflikts gewaltsam von ihren Angehörigen getrennt wurden. 82 Prozent gaben an, in den letzten Monaten Gefühle wie Angst, Stress oder Traurigkeit erlebt zu haben. Diese Zahlen verdeutlichen, welche emotionalen Auswirkungen der Krieg auf die Menschen hat. Sie zeigen, wie dringend die Betroffenen unterstützt werden müssen.
Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges treiben die Bedarfe in die Höhe. Es fehlt den Menschen an finanziellen Mitteln, um Brennholz, feste Brennstoffe und warme Kleidung zu kaufen. Für viele wird es immer schwieriger, ihre Familien zu ernähren: Jeder fünfte ukrainische Haushalt war im Jahr 2023 von Ernährungsunsicherheit betroffen.
Mit jedem weiteren Jahr des Konflikts verschlimmert sich die Lage der Bevölkerung. Viele Ukrainer*innen sind erschöpft und leben mit dem Gefühl, dass ein Ende der Krise nicht in Sicht ist.
Mindestens 6.000 ukrainische Kinder wurden von Russland in sogenannten „Umerziehungs- und Adoptionseinrichtungen“ auf der Halbinsel Krim und dem russischen Festland untergebracht. In einem Bericht aus 2023 wurden mindestens 43 Einrichtungen identifiziert, die mit der „politischen Umerziehung“ ukrainischer Kinder beauftragt waren.
Im März 2023 erließ der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die russische Beauftragte für Kinderrechte Maria Lvova-Belova. Sie wurden verantwortlich gemacht für das Kriegsverbrechen der „Deportation von zahlreichen Kindern".
6 Millionen ukrainische Geflüchtete fanden in europäischen Staaten Sicherheit. Dort gestalten sich der Zugang zu wichtigen Dienstleistungen und die Unterstützung ihrer Familien oftmals schwierig. Nur 40-60 Prozent der ukrainischen Geflüchteten haben Arbeit gefunden. Sie sind oft in gering qualifizierten Positionen angestellt, die nicht ihren tatsächlichen Qualifikationen entsprechen. Immer mehr befinden sich in einer prekären Lage und haben nicht ausreichend Mittel, um sich selbst zu versorgen
Auch der Zugang zu Bildung ist für Geflüchtete aus der Ukraine mit erheblichen Hindernissen verbunden. Im Schuljahr 2022-2023 ging fast die Hälfte der ukrainischen Kinder im schulpflichtigen Alter in ihren Aufnahmeländern nicht zur Schule. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Menschen erleben unter anderem administrative, sprachliche und rechtliche Hürden. Hinzu kommt, dass Eltern nur wenig über die vorhandenen Möglichkeiten wissen. Manche wollen ihre Kinder nicht den Schulen des Aufnahmelandes anmelden, weil sie vorhaben, bald in die Ukraine zurückzukehren.
Bildung ist ein Grundrecht, das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist.
Während des zehn Jahre anhaltenden Konflikts in der Ukraine gerieten Schulen unter Beschuss und wurden teilweise als Militärlager besetzt. Seit Februar 2022 wurden über 4000 Angriffe auf Bildungseinrichtungen und über 1300 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen registriert. Das Humanitäre Völkerrecht verbietet Angriffe auf die Zivilbevölkerung oder zivile Infrastrukturen wie Krankenhäuser.
Über 1,5 Millionen Häuser wurden zerstört und mehr als 27.000 Zivilist*innen verletzt. Mehr als 10.000 wurden getötet. Diese Zahlen sind wahrscheinlich noch höher als angegeben, da die Gebiete, die aufgrund der anhaltenden Kampfhandlungen nicht zugänglich sind, nicht erfasst werden konnten.
Trotz wiederholter Aufrufe der internationalen Gemeinschaft, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und die Zivilbevölkerung sowie zivile Infrastruktur zu schützen, spüren die Menschen in der Ukraine weiterhin die Folgen dieses Kriegs.
Der Krieg hat die Wohnungs-, Verkehrs-, Energie-, Handels- und Industriesektoren der Ukraine stark geschädigt.
Nach Angaben der Weltbank verzeichnete die Ukraine im Jahr 2014, zu Beginn des Konflikts, einen Rückgang des BIP um 10 Prozent. Mit der Invasion Russlands im Jahr 2022 sank das BIP der Ukraine dann um fast ein Drittel.
Trotz einiger positiver Anzeichen einer wirtschaftlichen Verbesserung, beeinträchtigt der Konflikt wichtige Sektoren wie die Landwirtschaft weiterhin stark. Ein Gebiet, etwa halb so groß wie Deutschland, ist jetzt mit Landminen übersät und die Zerstörung des Kachowka-Staudamms hinterließ 600.000 Hektar Ackerland ohne Möglichkeiten zur Bewässerung.
Die Kosten für den Wiederaufbau werden auf mehr als 410 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Die Arbeitslosenquote in der Ukraine liegt bei 17 Prozent und die Zahl der Menschen, die von Armut betroffen sind, steigt stetig. Immer mehr Menschen haben daher Schwierigkeiten, lebenswichtige Dinge wie Nahrung, Kleidung und Medikamente zu kaufen.
70 Prozent der Befragten einer IRC-Umfrage gaben an, dass sie aufgrund des Konflikts ihren Arbeitsplatz verloren haben oder den Bereich wechseln mussten. 45 Prozent gaben an, dass sie einen anderen Job mit geringerem Gehalt bzw. niedrigerer Qualifikation annehmen mussten.
Russlands Aufkündigung des Schwarzmeer-Getreideabkommens – ein Abkommen, das den anhaltenden Export von ukrainischem Getreide ermöglichte – wirkt sich negativ, sowohl auf den ukrainischen Agrarsektor als auch auf die internationale Ernährungssicherheit aus.
Mehrere Länder im Nahen Osten und in Afrika, die Getreide aus der Ukraine importieren, erleben aufgrund von Konflikten und Klimawandel eine Hungerkrise. Der Krieg in der Ukraine hat diese Hungerkrisen weiter verschärft und gefährdet mehr als 40 Millionen Menschen in Ostafrika.
Im Februar 2022, nach der Invasion Russlands, hat IRC in der Ukraine Nothilfemaßnahmen eingeleitet. IRC arbeitet direkt mit lokalen Partnerorganisationen zusammen, um Gemeinden in den vom Konflikt betroffenen Gebieten im Osten und Südosten der Ukraine zu erreichen.
Bis September 2023 hat IRC mehr als 530.000 Menschen durch umfassende Maßnahmen erreicht. Dazu zählen psychosoziale Unterstützung, Frauenzentren und medizinische Untersuchungen durch mobile Gesundheitsteams.
Über 190.000 Menschen haben Notfall-Sets erhalten, die unter anderem Materialien zur Reparatur von Haushaltsgegenständen sowie Gasöfen und Gasflaschen, warme Kleidung, Decken und Hygieneartikel enthalten. IRC hat außerdem mehr als 130.000 Menschen in der Ukraine mit Bargeldhilfe erreicht.
Nothilfeprogramme von IRC gibt es auch an einigen Orten in Europa und in den USA. Wir reagieren auf die unmittelbaren und langfristigen Bedarfe der Menschen. Unsere Maßnahmen richten sich an Geflüchtete aus der Ukraine in Polen, Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Bulgarien sowie in Deutschland, Italien, Griechenland, Großbritannien und den USA.
Erfahre mehr über die Krisenhilfe von IRC in der Ukraine.
Durch die anfängliche, umfassende Reaktion auf den Krieg in der Ukraine konnten noch schlimmere Auswirkungen verhindert werden. Die Mittel für die humanitäre Hilfe in der Ukraine waren im Jahr 2022 zu 87 Prozent finanziert. Im Jahr 2023 deckten diese jedoch nur noch 61,8 Prozent des tatsächlichen Bedarfs.
Fast zwei Jahre nach der russischen Invasion und zehn Jahre nach Beginn des Konflikts ist es wichtig, die vom Krieg in der Ukraine betroffenen Menschen weiterhin zu unterstützen. Es müssen sowohl die Menschen innerhalb der Ukraine als auch diejenigen Hilfe erhalten, die in die Nachbarstaaten geflohen sind.