In Syrien aufgewachsen, schaute Rehab als Kind mit Bewunderung zu, wie ihre Mutter und ihre älteren Schwestern Stoffe zu wunderschönen Kreationen verarbeiteten. Dann war sie an der Reihe, das Nähen zu lernen.

„Ich war neun Jahre alt, als meine Mutter mir Schals und Leggings zum Nähen gab - Dinge, die einfach herzustellen waren, weil sie nicht wollte, dass ich den Stoff ruinierte. Mit der Zeit wurde ich immer besser. Heute ist allen Nachbarn bekannt, dass ich eine sehr gute Schneiderin bin.“

Der Krieg in Syrien hat Rehabs Geschwister in die ganze Welt vertrieben - Rehab lebt mit einer ihrer Schwestern in Amman, Jordanien, eine andere hat es bis nach Deutschland geschafft und die übrigen leben in der Türkei.

Rehab spielt mit ihrem Sohn in Amman
Rehab spielt mit ihrem dreijährigen Sohn Mohammad in Amman, wo sie ihr Leben nach der Flucht aus Syrien wieder aufbaut.
Foto: EHeatherwick/IRC

Rehab stammt aus Aleppo, eine Stadt, die reich an Kultur und Geschichte war, bis sie vom Krieg zerstört wurde. Tausende Menschen sind gestorben und Millionen verloren ihr Zuhause. Rehab hat in diesem Krieg eines ihrer Kinder verloren.

2013 floh sie mit ihren beiden Töchtern Amani und Shaima, ihrem Sohn Hekmat und ihrem Ehemann Ali in einem Bus aus Aleppo. Sie war hochschwanger.

Rehab´s Tochter in ihrem neuen Zuhause in Jordanien
Shaima ist vor fünf Jahren aus Aleppo geflohen. Im Bus auf der Flucht aus Aleppo brachte ihre Mutter ihre jüngere Schwester Sham zur Welt.
Foto: EHeatherwick/IRC

„Es gab einen Luftangriff. Der Bus hielt an. Ich hatte Angst. Gott sei Dank war eine Krankenschwester an Bord. Ich erinnere mich an Stimmen, die sagten: 'Da ist eine Frau, die kurz vor der Geburt steht!' Ich sagte ihnen, dass ich von niemanden berührt werden wollte. Ich habe meine Tochter alleine entbunden, aber war in einem kritischen Zustand. Der Busfahrer machte sich Sorgen um mich und fragte, wie er helfen könne. Ich wurde bewusstlos. Als ich aufwachte, befand ich mich in einem Behandlungszimmer in Zaatari.“

Zaatari ist ein Flüchtlingslager in Jordanien, in dem fast 80.000 Menschen leben. Die meisten kommen aus Syrien. 

Rehabs Baby Sham überlebte. Doch der Aufenthalt in Zaatari bekam ihr und den Geschwistern nicht gut – das im Krieg erlebte Trauma, berichtet Rehab, verschlimmerte sich. „Die Verhältnisse in Zaatari sind sehr schlecht. Es ist kalt und die Menschen leben in Zelten. Man muss Schlange stehen, um auf die Toilette zu gehen. Ich musste Sham stillen. Wir brauchten sauberes Wasser. Ich dachte an nichts anderes als daran, wie ich Amman erreichen konnte, damit meine Kinder in Sicherheit sind.“

Rehab mit ihrer Tochter in Jordanien
Sham ist inzwischen fünf Jahre alt. Sie wurde in einem Bus geboren, der während eines Luftangriffs aus Aleppo herausfuhr.
Foto: EHeatherwick/IRC

Während die Familie im Lager lebte, erkrankte Rehabs älteste Tochter Amani. „Ihr Körper wurde ganz blau - wir dachten, es läge an der Kälte. Dann brach sie zusammen. Sie konnte nicht mehr gehen. Wir brachten sie zum Arzt. Er diagnostizierte 'Blut-Rheuma'. Das beeinträchtigte ihre Beine. Ich habe sie zwei Jahre lang getragen. Bis zu ihrer Pubertät muss sie täglich Medikamente einnehmen. Sie ist bis heute noch nicht vollkommen genesen und hat Schwierigkeiten beim Gehen.“

Nachdem sie in Amman eine sichere Unterkunft gefunden hatten, mussten Rehab und ihre Familie Wege finden, sich selbst zu versorgen. „Als ich in Syrien wohnte, hatte ich ein eigenes Haus und Auto - hier muss ich Miete, Transport, Strom und Wasser bezahlen. Dazu kommen noch die Behandlungskosten für meine Tochter.“

Rehab´s Tochter Amani öffnet die Vorhänge in Amman
Amani öffnet von Rehab geschneiderte Vorhänge, um auf die Straßen Ammans in Jordanien zu schauen. Sie bevorzugt es, auf Fotos nicht erkannt zu werden.
Foto: EHeatherwick/IRC

Rehab begann, die Nachbarschaft über ihre Nähkünste zu informieren. Immer mehr Anfragen kamen herein. Sie entwarf Kleidung, nähte Bettwäsche, kreierte Vorhänge. Was auch immer die Kunden wünschten, Rehab machte es. Aber die Mietkosten für die  Nähmaschine ließen nicht viel Gewinn für sie übrig.

Als sie von dem Programm „Rescuing Futures“ des International Rescue Committee hörte, das von der Initiative „Pathways to Progress“ der Citi Foundation unterstützt wird, meldete sie sich sofort an. Das Programm hilft jungen Unternehmer*innen, die zur Flucht gezwungen waren, durch Ausbildung und Mentoring bei der Erstellung robuster Businesspläne und stellt Zuschüsse für den Geschäftsstart bereit.

Durch „Rescuing Futures“ lernte Rehab, wie man ein Unternehmen führt, Kredite klug auswählt und einen guten Businessplan aufstellt. Auf Basis ihrer Überlegungen bekam sie einen kleinen Zuschuss, mit dem sie sich eine eigene Nähmaschine, eine Schere, einen Tisch und weiteres Material kaufen konnte. „Anstatt jemanden für die Miete einer Nähmaschine zu bezahlen, kann ich das Geld sparen. Das Programm hat mir geholfen, mein Unternehmen weiterzuentwickeln. In finanzieller Hinsicht brachte es mir einen großen Vorteil.“

Bandrollen auf dem Markt in Amman
Bandrollen auf dem Al-Wehdat Markt. Rehab ist sich sicher: Ihr Unternehmen hat Erfolg, weil es in Amman ist.
Foto: EHeatherwick/IRC

Ihr Unternehmen gibt Rehab ein Gefühl von Stolz und Frieden. Ihre Tochter Sham ist inzwischen fünf Jahre alt. Rehab hat danach einen weiteren Sohn bekommen. Mohammad ist nun drei.

„Ich kann nun friedlich schlafen, weil es uns finanziell immer besser geht und ich die Behandlung meiner ältesten Tochter bezahlen kann. Ich habe mir einen guten Ruf in der Nachbarschaft erworben. Meine Kunden helfen mir dabei, mich gut zu fühlen und die Vergangenheit ein wenig zu vergessen.“

Auch die Kinder sind für Rehab eine Stütze. Wenn die Tochter fragt, warum sie arbeiten müsse, dann erklärt Rehab: “Das tue ich für euch. Für eure Zukunft.“

 

Weitere Informationen

Unser „Resilient Futures“ Programm bietet jungen Geflüchteten und anderen Schutzbedürftigen in Griechenland, Nigeria, Jordanien, Kamerun, Libanon und Deutschland die Möglichkeit, in Partnerschaft mit Citi und der Citi Foundation ein eigenes Unternehmen zu gründen und damit wirtschaftlich selbstständig zu werden.