„Ich schüttele mich locker, wie ein Baum“, erklärt die 8-jährige Reem*, während sie die Bewegung eines im Wind wehenden Astes nachahmt. „Dann atme ich ein, so.“ 

Reem schließt ihre Augen, während sie zur Ruhe kommt. Diese einfache Technik hat sie von IRC-Beraterin Fadia gelernt und hilft ihr, die Erlebnisse aus dem Krieg in Syrien zu verarbeiten. „Ich bin so glücklich, wenn Fadia kommt. Sie bringt mir bei, stärker zu sein und sagt mir: ‚Reem, sei nicht ängstlich, damit die Furcht in deinem Herzen nicht größer wird. Wenn du Angst hast, sag es deinen Eltern. Dann schrumpft die Angst und verschwindet.‘“ 

Reems Kindheit ist voller Entbehrungen, wie die vieler junger Syrer*innen. Ihre Familie musste unter schwerem Bombardement aus ihrer Heimat fliehen. „Wir nahmen nur unsere Kleider und unsere Kinder mit. Niemand wusste, was wir tun oder wohin wir gehen sollten“, erklärt Um Reem, Reems Mutter. 
Sie, ihr Mann und ihre drei Kinder schafften es bis zu einer verlassenen Schule, in der Hunderte von Vertriebenen Schutz suchten. Hier begann Um Reem, Anzeichen von psychischem Stress bei Reem zu bemerken.

„Einmal ging ich ins Bad und sah einen Geist direkt vor mir“, erzählt Reem. „Ich rannte weg. Als ich zurückkam, stellte ich mir vor, dass er direkt vor mir war. Ich ging nicht mehr auf Toilette, weil ich Angst bekam.“

Reem hörte auf zu essen und zog sich in der Nähe anderer Kinder immer mehr zurück. Bei einer IRC-Aufklärungsveranstaltung erfuhr ihre Mutter von der Beratung, bei der wir Menschen über psychische Probleme und unsere Angebote informieren. Um Reem meldete ihre Tochter für Sitzungen mit Fadia an.
Jetzt besucht Fadia Reem regelmäßig zu Hause. Sie hält Abstand und trägt Schutzausrüstung als Vorsichtsmaßnahme gegen COVID-19. 

„Ich bringe ihr Techniken bei, mit denen sie sich ihren Eltern gegenüber ausdrücken kann, damit ihre Angst weniger wird“, sagt Fadia. „Wir machen auch Entspannungs- und Atemübungen, um Reem zu helfen, mit Anspannung und Angst umzugehen.“

Eine achtjähriges und ein vierjähriges Mädchen toben zusammen
Reem kümmert sich gerne um ihre 4-jährige Schwester Layla*. „Sie tanzt ständig im Haus herum. Ich küsse sie immer, gebe ihr Essen und bringe sie ins Bett.“
Foto: Nada Bader/IRC

Die Achtjährige brauchte ein Ventil, um ihre Gefühle auszudrücken. „Ich sehe, wie Reems Gesicht aufleuchtet, wenn Fadia kommt und ihr erzählt, was sie bedrückt“, sagt Um Reem. Mit jeder Sitzung gewinnt ihre Tochter an Selbstvertrauen. „Wenn ich die Atemübung mache, fühle ich mich weniger ängstlich und erleichtert“, sagt Reem. „Ich stelle mir vor, dass ich in einem Garten bin und mit meinen Freund*innen spiele und dass ich sehr glücklich bin.“ Reems Fortschritte sind inspirierend. „Ich fühle mich jetzt wie eine Heldin“, sagt sie und strahlt Selbstvertrauen aus. 

IRCs mobile Gesundheitsteams in Syrien leisten lebensrettende psychologische Unterstützung für Kinder. Sie werden mit Unterstützung der Europäischen Union finanziert.


*Namen und Orte wurden zum Schutz geändert.