Der in Palästina geborene kanadische Rapper, Songwriter und Plattenproduzent Belly hat an zahllosen Hits mitgewirkt. Darunter auch das Stück „Earned It“, das er gemeinsam mit seinem kanadischen Kollegen The Weeknd geschrieben hat, und das 2016 für einen Academy Award, einen Grammy und einen iHeartRadio Music Award nominiert wurde. Im selben Jahr wurde Belly von der „Society of Composers, Authors and Music Publishers of Canada“als Songwriter des Jahres ausgezeichnet.
Belly zog im Rahmen eines Resettlement-Programms als Kind nach Ottawa. Er begann seine Musikkarriere mit 16 Jahren und erreichte mit 23 Jahren Platz 1 der Video-Charts von MuchMusic. IRC sprach mit ihm über seine Erfahrungen als Einwanderer und wie diese seine Kunst beeinflussen.
Erzählen Sie uns von Ihrem Umzug nach Kanada im Jahr 1991.
Ich war 7 Jahre alt, als wir nach Kanada kamen. Mein Vater war schon seit einem Jahr dort und bereitete alles vor, um den Rest der Familie nachzuholen.
Kanada war eine völlig andere Welt [als das Westjordanland]. Es war das erste Mal, dass ich eine Mikrowelle sah. Ich dachte, es sei eine außerirdische Technologie. Kanada war offen für Immigrant*innen und Geflüchtete. Daher lernte ich viele Kinder in meinem Alter kennen, die aus ähnlichen Situationen in ähnlichen Regionen kamen. Ich glaube, das hat mich irgendwie getröstet und mir gezeigt, wie man Teil von etwas wird, das ich nicht kannte.
Können Sie uns erzählen, wie Ihre Geschichte Ihre Musik beeinflusst hat?
Meine Vergangenheit steckt in meiner Musik. Meine frühesten Erinnerungen an Musik sind aus Jordanien. Ich war wahrscheinlich 3 oder 4 Jahre alt. Meine Onkel und Tanten, einfach alle, gingen auf‘s Dach. Mein Onkel fing an zu trommeln, ein anderer zu singen, und alle haben gefreestylt. Mich faszinierte, wie schnell sie improvisieren? Wie kommen sie so schnell auf dieses Zeug? Das Erste, was ich in Sachen Rap gemacht habe, war also Freestylen. Ich wollte das machen, was meine Onkel gemacht haben. Daraus entwickelte sich eine Liebe für Worte und Poesie. Ich erinnere mich noch genau an diese Nächte. Dieses Dach war die einzige Welt, die für uns in dem Moment existierte.
Als ich nach Kanada kam, war die englische Sprache wie ein Gefäß. Etwas das ich benutzen konnte, um bestimmte Dinge zu beschreiben, die sich in meiner Muttersprache nicht richtig angefühlt hätten. Die englische Sprache ermöglichte es mir, andere Türen zu öffnen, zuerst als Dichter. Meine Liebe zum Rap kam erst danach. Es ist wirklich eine Liebe für alles, was mit Musik zu tun hat – von den Worten bis zu den Melodien und zu meinen Erinnerungen.
Wenn Sie an den drei- oder vierjährigen Belly und seine Familie auf dem Dach denken, welche Worte kommen Ihnen in den Sinn?
Glück, echte Liebe. Eine Menge Mut kommt meiner Meinung nach daher, dass sich viele von uns in Einheiten bewegen. Wir sind in erster Linie eine Familie. Wir agieren als Einheit und tun alles, was nötig ist, damit unsere Familienmitglieder es vor uns schaffen. Und das ist für mich echte Liebe. Das ist für mich die echteste Liebe, die ich in meinem Leben je erlebt habe.
Wie sieht der Prozess des Songschreibens bei Ihnen aus?
Manchmal kommt die Melodie zuerst, sie inspiriert dann den Text, oder umgekehrt. Manchmal spielen ein oder zwei meiner Produzenten etwas, das eine ganze Nacht des Schreibens inspiriert. Ich versuche, meinen Ansatz jedes Mal zu ändern.
Meine erste Liebe ist das Schreiben. Ich bin ein Dichter ... zumindest betrachte ich mich als einen. Meine zweite Liebe ist natürlich die Musik–vor allem Rap-Musik, aber auch R&B und andere Musikrichtungen, die mich inspirierten als ich jung war. Ich wollte alles nachahmen, was ich hörte und sah, ob es nun Kurt Cobain war oder Biggie oder Snoop Dogg. Ich wollte Songs machen, die die Leute genauso berühren, wie diese Typen mich berührt haben. Ich habe so viel Snoop und Big gehört, dass es so war, als wären sie meine Englischlehrer.
Den Mut zu finden, ich selbst zu sein, kam durch die Musik und das Schreiben. Das hat mir geholfen, Mauern einzureißen, wie‚ okay, vielleicht habe ich doch etwas zu sagen‘. Davor dachte ich, es gäbe nur meine eigenen Probleme. Ich habe nicht wirklich verstanden, dass es eine universelle Sache ist, dass Menschen die gleichen Dinge durchmachen.
Sie haben gerade den Mut erwähnt. Das ist so zentral für die Erfahrung der Geflüchteten und Immigrant*innen.
Für viele von uns ist es schwer, sich in einen Raum zu setzen und den Leuten ihre Probleme zu erzählen, ihre Fragen zu stellen, Dinge, die sie betreffen und belasten. Man muss schon sehr mutig sein, um sagen zu können: „Hey, seht mal, das ist es, was mich belastet. “Ich habe diese Stimme anfangs nicht gefunden. Ich musste förmlich auf den Seitensitzen und Dinge herausschreiben, die aus mir heraus mussten. Ich musste diese Dinge loswerden, aber ich wusste nicht wie.
Das war meine Art, diese Dinge herauszulassen und mir selbst eine gewisse Art von Therapie zu verpassen, was ich zu dem Zeitpunkt aber nicht verstanden habe. Es spielte keine Rolle, ob ich etwas schrieb, das jemand las, denn es half mir weiterzumachen.
Arbeiten Sie deshalb mit IRC zusammen, um Ihre Erfahrungen mit anderen wie Ihnen zu teilen, damit sie merken, dass sie nicht allein sind?
Geflüchtete und Immigrant*innen machen eine Menge durch, nur um es irgendwohin zu schaffen, wo sie sich sicher und geborgen fühlen können. Für mich ist es am schönsten, den Menschen helfen zu können, einfach involviert zu sein. Eine Organisation, die das im Sinn hat, das ist für mich dope.
Ich beobachte, wie echte Veränderung in Echtzeit passiert. Ich will Teil dieser Veränderung sein. Ich möchte IRC unterstützen und etwas zurückgeben. Wie ich schon sagte, viele von uns waren in verrückten Situationen. Und manchmal ist alles, was es braucht, ein bisschen Hilfe.
Was ist Ihr Rat an junge Immigrant*innen oder Geflüchtete, die in einem neuen Land neu anfangen?
Der heutige Belly würde dem7-jährigen Belly sagen: „Es wird alles gut werden. Alles wird gut. “Das würde ich ihnen buchstäblich raten. Als Kind an einem neuen Ort hast du viele Ängste und Sorgen, du hast deine Freunde nicht mehr um dich. Ich würde sagen: „Das wird schon wieder, Kumpel. “Ich würde ihnen nicht die Schlüssel geben oder ihnen die Codes verraten. Ich würde sie alles so durchmachen lassen wie ich es auch tat. Aber ich würde ihnen sagen: „Alles wird gut.
Lassen Sie sich inspirieren
Es erfordert großen Mut, neu anzufangen–in der Ungewissheit, was die Zukunft bringen wird. An diesem Weltflüchtlingstag feiern wir den Mut von Künstler*innen, die in einer neuen Heimat neu anfangen mussten und nun ihre Kreativität nutzen, um zu verbinden, zu heilen und uns zusammenzubringen.