Hunger bedroht das Leben von mehr als 14 Millionen Menschen in Somalia, Äthiopien und Kenia – die Hälfte von ihnen Kinder.

Jetzt gerade verhungern Menschen in Somalia. Ohne Hilfe werden bald noch viel mehr Menschen sterben. Hundertausende sind auf der Suche nach Nahrungsmitteln und Wasser, viele überleben dies nicht.

Allein in Somalia haben seit Jahresanfang bereits eine halbe Million Menschen ihre Häuser und Dörfer verlassen müssen, um anderswo Hilfe zu finden. In Ostafrika breitet sich akut Hunger aus. Die Region ist das fünfte Jahr infolge von einer schweren Dürre geplagt. Die anhaltende Trockenzeit übersteigt sogar das Ausmaß der Dürre, die 2011 eine Hungersnot verursachte. Damals starben 250.000 Menschen – darunter 125 000 Kinder. Die Situation hat sich in den letzten zwei Jahren stark verschlechtert, trotz wiederkehrender Warnungen. Das Leben von Millionen Menschen ist gefährdet, wenn nicht schnell Hilfe eintrifft.

Hungersnöte sind nicht alltäglich. Aber was bedeuten sie und was können wir dagegen tun? Erfahre hier mehr:  

Was ist eine Hungersnot?

Eine Hungersnot wird ausgerufen, wenn bestimmte Kriterien zutreffen. Beispielsweise, wenn mindestens 30 % aller Kinder im Land akut unterernährt sind. Das bedeutet auch, dass Kinder bereits sterben, wenn eine Hungersnot ausgerufen wird. Ihre Eltern haben schlichtweg nicht genug Nahrung, um sie zu versorgen.  

Deshalb muss jetzt schnell gehandelt werden, damit nicht noch mehr Menschen dem Hunger zum Opfer fallen. 

Was sind die Gründe für eine Hungersnot?

Eine Hungersnot kann durch verschiedene Faktoren entstehen, wie beispielsweise Kriege, Konflikte aber auch durch den Klimawandel. Eine Hungersnot ist keine Naturkatastrophe, sondern vielmehr das Ergebnis menschlichen Handelns – oder auch der unterlassenen Hilfe. Sie ereignen sich auch nicht einfach so über Nacht, sondern entwickeln sich schleichend über einen längeren Zeitraum, bis sie schließlich massives Leid verursachen. 

Die Katastrophe, die sich gerade in Ostafrika abspielt, hat jedoch mehrere Gründe. La-Niña, ein globales Wetterphänomen, verursachte in vier aufeinanderfolgenden Jahren eine schwere Dürre, die die Ernährungssicherheit von Millionen von Menschen in Äthiopien, Somalia und Kenia gefährdet.  In Ostafrika treten Dürren alle paar Jahre auf. Aufgrund des Klimawandels werden sie jedoch immer zahlreicher. Die jetzige Dürre ist fast doppelt so lang und intensiv wie die, die 2011 eine Hungersnot verursachte, bei der eine Viertel Million Menschen ums Leben kamen.

Female farmer with livestock
"Dürren sind mir nicht unbekannt, aber so schlimm wie dieses Mal war es noch nie." Für die 80-jährige Hawo stellt die Dürre in Somalia eine große Gefahr dar. Ihre Tiere sind ihre einzige Einkommensquelle.
Foto: Horn Connect/IRC

Die Trockenheit, gepaart mit den höchsten Temperaturen in der Region seit über 40 Jahren, den Folgen der COVID-19 Pandemie und des Krieges in der Ukraine haben katastrophale Auswirkungen in Ostafrika. Letzterer hat eine bereits ernste Situation noch verschärft, denn Somalia hat vor Kriegsbeginn 90% seiner Getreideimporte aus Russland und der Ukraine bezogen 

Wann wird eine Hungersnot ausgerufen?

Der globale Standard zur Messung der Ernährungsunsicherheit, sozusagen die "Richterskala" des Hungers, ist die Integrierte Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphasen (IPC). Die 5-stufige Skala fungiert als Warnsystem für Regierungen und humanitäre Organisationen, um rechtzeitig reagieren zu können.

Die IPC misst die Ernährungslage in 5 Stufen, mit der Hungersnot an letzter Stelle: 

Drei Bedingungen müssen erfüllt sein, bevor die fünfte Stufe, die Hungersnot, ausgerufen wird:

  1. Einer von fünf Haushalten in einer bestimmten Region hat kaum Zugang zu Nahrung
  2. Mehr als 30% der Bevölkerung sind akut unterernährt
  3. Jeden Tag sterben mindestens zwei von 10.000 Menschen an Hunger 

Was passiert während einer Hungersnot?

Eine Hungersnot ist mehr als nur Hunger. Die Folgen können ein Leben lang spürbar sein.

Eine Hungersnot beeinträchtigt künftige Generationen

Seit Anfang des Jahres hat sich die Zahl unterernährter Menschen in Somalia verdoppelt, in Kenia ist sie um 75% gestiegen. Wir wissen, dass Unterernährung tödlich sein kann, vor allem für Babys und Kleinkinder. Diejenigen, die überleben, können langfristige Schäden für ihre Gesundheit und Entwicklung davontragen. Viele schöpfen niemals ihr gesamtes körperliches und kognitives Potenzial aus.  

Diejenigen Kinder, die überleben, werden lebenslange Schäden davontragen. Ihre Körper werden nicht auswachsen und sie sind einem größeren Risiko ausgesetzt, an einer zukünftigen Krankheit zu sterben. Zugleich neigen sie eher zu dauerhaftem Untergewicht und bringen häufiger selbst zu früh geborene Kinder zur Welt, deren Entwicklung infolge der Unterernährung ihrer Eltern wiederum beeinträchtigt ist.

Eine Hungersnot schürt Gewalt und Unsicherheit

Globale Bedrohungen wie Terrorismus haben ihren Nährboden in Armut sowie politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Konflikte entstehen und verschärfen sich dort, wo Hunger herrscht und Ressourcen knapp sind. Menschen müssen ihre Häuser verlassen und verlieren dadurch Einkommensquellen. Terroristische Gruppen haben hier ein leichtes Spiel, Unterstützer*innen zu rekrutieren.  

Eine Hungersnot gefährdet die Gesellschaft

Wir riskieren, dass eine ganze Generation der Hungersnot zum Opfern fällt – Kinder, die für ihre Familien eine friedlichere und sichere Zukunft bedeuten.  

Wie lässt sich eine Hungersnot aufhalten? 

Die Internationale Gemeinschaft konnte dank schnellem und effektiven Eingreifen 2017 eine Hungersnot in Ostafrika verhindern. Dies passiert jetzt nicht. Um die humanitäre Hilfe massiv aufzustocken und die Hungersnot abzuwenden, werden Hilfsgelder in Millionenhöhe benötigt.  

Die dringend benötigte Unterstützung so lange hinauszuzögern, bis eine Hungersnot offiziell ausgerufen wird, ist moralisch falsch und führt nur dazu, dass Hilfsleistungen ineffizient bleiben. Jeder Tag Verzögerung verstärkt menschliches Leid. Hundertausende Menschen haben bereits jetzt so wenig zu essen, dass sie körperliche Schmerzen leiden und ihr gesamtes Hab und Gut verkaufen müssen, um sich Nahrung leisten zu können.  

Die Industrienationen müssen jetzt den Kampf gegen die Hungerkrise in Ostafrika aufnehmen. Hungersnöte sind immer vorhersehbar und somit vermeidbar. Hilfe an richtiger Stelle kann Millionen Menschenleben retten. Gleichzeitig müssen wir die Ursachen für Hunger bekämpfen, allen voran globale Konflikte.  

Man with water pipeline
In Zeiten der schwersten Dürre seit 40 Jahren leistet IRC in Somalia überlebenswichtige Hilfe, wie die Verlegung von Wasserleitungen.
Foto: IRC

Wie hilft IRC? 

In Ostafrika befinden sich einige von IRCs ersten Hilfsprogrammen weltweit. In Somalia ist IRC seit 40 Jahren im Einsatz, in Kenia seit 30 Jahren und in Äthiopien seit 20 Jahren. IRC hat mehr als 2.500 humanitäre Helfer*innen in der Region im Einsatz, die überlebenswichtige Unterstützung aufgrund der Dürre und des sich ausbreitenden Hungers leisten – auch in abgelegenen Gebieten. IRC hat die Nothilfe für lokale Gemeinden enorm aufgestockt und stärkt damit ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Hungerkrise. Zugleich fordert IRC die Internationale Gemeinschaft auf, globale Herausforderungen wie die Ukrainekrise und die COVID-19 Pandemie zu lösen, um die bereits ernste Situation nicht noch zusätzlich zu belasten. Die Weltgemeinschaft muss aus den Fehlern der vergangenen Hungernot 2011 lernen und jetzt die richtigen Schritte einleiten.
    
Somalia: Während der Hungersnot 2011 und der Dürre von 2016/17 leistete IRC Nothilfe und weiß daher um die Bedürfnisse und Risiken lokaler Bevölkerungsgruppen. Jedes Jahr erreicht IRC 280.000 Somalier*innen und unterstützt sie mit Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung und Hilfsprogrammen zum Aufbau neuer Existenzen. Infolge der aktuellen Dürre und Überschwemmungen im Land, konzentriert IRC die Nothilfe auf Provinzen im Süd-Westen: Galmudug, Galgaduud, Banadir und Puntland. 

Äthiopien: IRC unterstützt mehr als 3,2 Millionen Menschen im ganzen Land mit Hilfsprogrammen zum Schutz von Kindern und Umwelt, fördert wirtschaftliche Existenzen und die Selbstständigkeit von Frauen. Im vergangenen Jahr weitete IRC die Unterstützung auf 100.000 Geflüchtete sowie 500.000 Äthiopier*innen aus, die durch Naturkatastrophen ihre Existenzgrundlage verloren.  Kenia: IRC-Teams leisten Nothilfe sowie Gesundheitsvorsorge, fördern den Schutz von Frauen und informieren Geflüchtete sowie aufnehmende Gemeinden über ihre Rechte. Unsere Hilfsprogramme zur Förderung von Gesundheit, Ernährung und friedliche Konfliktlösungen haben mehr als 300.000 Menschen im Jahr erreicht. Dazu zählen auch spezielle Ernährungshilfen für unterernährte Kinder sowie die Unterstützung von Vertriebenen und Kenianer*innen im Aufbau neuer Existenzen, die ihren Lebensunterhalt sichern.