Es ist schwer für Eltern zu erfahren, dass ihr Kind von akuter Mangelernährung betroffen ist. In Somalia, ist das die Realität vieler Familien. Dort sind derzeit 50 Prozent aller Kinder betroffen. Familien haben nicht genügend Nahrungsmittel zur Verfügung, um ihre Kinder mit den lebenswichtigen Nährstoffen zu versorgen, die sie dringend benötigen.

Als Reaktion auf die akute Mangelernährung in Somalia hat IRC Maßnahmen eingeleitet. Dazu zählt die Einrichtung von Kliniken, die Schulung von lokalen Gesundheitsfachkräften, die Bereitstellung mobiler medizinischer Dienste, sowie die Einführung eines vereinfachten Protokolls zur Diagnose und Behandlung erkrankter Kinder. 

Lerne zwei der Menschen kennen, die hinter dieser wichtigen Arbeit stecken: Der leitende Arzt Dr. Abdullahi Mohamed, leitender Arzt, und der Ernährungsberater. Dr. Ahmed Adan, arbeiten für IRC in der Region Galgaduud in Somalia.

Dr Ahmed schaut in die Kamera.
Dr. Ahmed, 32, arbeitet als IRC-Ernährungsberater in und um Dhusamareb, im Bundesstaat Galmudug in Somalia.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Mit welchen Problemen sind die Menschen in Somalia konfrontiert? 

Familien in Somalia warteten fast drei Jahre auf Regen. Als er endlich kam, wurden die wenigen verbleibenden Ackerflächen und Viehweiden überschwemmt. Die anhaltende Dürre hat die Böden ausgetrocknet und verhindert, dass sie den Regen aufnehmen können, den die Nutzpflanzen dringend benötigen. 

„Die Tiere vieler Familien sind gestorben, und diejenigen, die Vieh halten, mussten vom Land in die Städte ziehen“, erklärt Dr. Ahmed. „Bei ihrer Ankunft in den Städten finden sie meist in Notunterkünften Zuflucht. Dort sind sie von Ernährungsunsicherheit und Nährstoffmangel betroffen. Oft fehlt es auch an sauberem Wasser.“ 

Halima steht mit ihrem Baby auf dem Arm vor ihrem Haus.
Halima ist Mutter von fünf Kindern. Seit 2019 leben sie in der Notunterkunft Arladi, nachdem sie aufgrund der schweren Dürre und des Konflikts ihr Vieh verloren hatten und auf ihrem Hof nichts mehr anbauen konnten.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Dr. Abdullahi berichtet von einem starken Anstieg der Fälle von Mangelernährung, insbesondere bei Kindern. Grund dafür ist die schwere und langanhaltende Trockenheit im Land.

Schwere akute Mangelernährung führt bei Kindern zu Abmagerung, Schwäche und Lethargie. Sie haben fast durchgängig Durchfall, ihre Muskeln schwinden und ihr Immunsystem ist geschwächt. Sie neigen außerdem dazu, sich emotional zurückzuziehen und von der Welt um sie herum abzukapseln. Wenn akute Mangelernährung nicht behandelt wird, kann dies schwerwiegende Folgen haben: Es beeinträchtigt das Wachstum von Kindern, führt zu Lernschwierigkeiten sowie geringerer Immunität gegenüber Infektionen.

„In Somalia haben wir eine extrem hohe Anzahl an Notfällen“, sagt Dr. Abdullahi. „Die medizinische Versorgung für die Bevölkerung ist in einem Krisenzustand, verursacht durch die verheerenden Dürren der letzten vier Jahrzehnte im Land.“ Dr. Abdullahi ist fest entschlossen, so vielen Familien wie möglich zu helfen. Deshalb hat er sich entschieden, bei IRC zu arbeiten. 

Dr. Abdulaahi schaut in die Kamera.
Dr. Abdullahi, 35, ist leitender Arzt bei IRC in Dhusamareb, im Bundesstaat Galmudug in Somalia.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Wie sieht der Alltag von IRC-Ärzt*innen in Somalia aus?

Dr. Abdullahi kümmert sich um Kinder im IRC-Krankenhaus in Dhusamareb. Er arbeitet mit großer Hingabe, um Menschen zu helfen. Sein Tag beginnt in der Regel um 7 Uhr morgens und manchmal bleibt er über Nacht, um sicherzugehen, dass seine jungen Patient*innen im Notfall richtig behandelt werden können. 

Zusammen mit seinem Team von Gesundheitshelfer*innen arbeitet Dr. Abdullahi daran, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Gemeinsam versorgen sie die Menschen sowohl im Krankenhaus als auch direkt mit Hausbesuchen in den Gemeinden. Sie nutzen verschiedene Plattformen wie das Radio, andere Medien und persönliche Treffen, um die Gemeinde für das Thema Gesundheit zu sensibilisieren. 

Dr. Ahmed unterstützt auch die IRC-Programme zur Behandlung von Mangelernährung in der Region. Er besucht die mobilen Kliniken und Gesundheitszentren und prüft, ob alles reibungslos funktioniert und die Kinder die notwendige Behandlung erhalten, um gesund zu werden. 

„Wenn ich die Gesundheitszentren besuche, überprüfe ich den Zustand der Kinder, bei denen es zu Komplikationen in der Behandlung von Malaria oder akuter Mangelernährung kam und überprüfe, ob sie sich gut erholen“, sagt Ahmed. 

„Dann gehe ich zum ambulanten Therapiezentrum im Hanano-Krankenhaus und schaue mir an, wie die Behandlung der Kinder verläuft, die wegen mittelschwerer und schwerer akuter Mangelernährung aufgenommen wurden.“

Was ist das Besondere an der IRC-Behandlung gegen Mangelernährung?

Derzeit gibt es zwei verschiedene Behandlungen für Kinder mit leichter akuter Mangelernährung und schwerer akuter Mangelernährung. Beide werden von zwei verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen gefördert. IRC nimmt seit Jahren eine führende Rolle in der Behandlung von Mangelernährung bei Kindern ein und hat dazu ein kombiniertes, vereinfachtes Behandlungsprotokoll entwickelt. Mit diesem Protokoll können sowohl Kinder mit leichter als auch mit schwerer akuter Mangelernährung behandelt werden.

Wenn sich ein Kind von schwerer akuter Mangelernährung erholt hat, jedoch weiterhin von leichter Mangelernährung betroffen ist, kann es sein, dass es zur Behandlung in eine andere Klinik überwiesen wird. Alternativ kann die Behandlung ganz eingestellt werden. Das kann dazu führen, dass sich der Zustand schnell wieder verschlechtert. Das Sterberisiko eines Kindes mit schwerer akuter Mangelernährung ist fast elfmal so hoch ist wie das eines gesunden Kindes.   

„Wenn wir jedoch mit dem vereinfachten, kombinierten Protokoll arbeiten, kann das betroffene Kind Zugang zu beiden Leistungen an einem Ort erhalten und muss nicht zu einem anderen reisen“, erklärt Dr. Abdullahi.

Akute Mangelernährung wird mithilfe des kombinierten Protokolls zunächst durch die Messung von Größe und Gewicht eines Kindes diagnostiziert. Zur Messung des mittleren Oberarmumfangs gibt es ein spezielles farbiges Messband, das sogenannten MUAC-Band. Damit können Gemeindegesundheitshelfer*innen und Eltern in abgelegenen Gebieten Kinder zuhause leicht auf Mangelernährung untersuchen und ihren Zustand überwachen, sobald die Behandlung beginnt. 

Dr. Ahmed verwendet ein MUAC-Band, um ein Baby zu messen und auf Unterernährung zu untersuchen.
Im IRC-Krankenhaus in Dhusamareb verwendet Dr. Ahmed ein MUAC-Band, um den Oberarmumfang eines Babys zu messen und es auf Mangelernährung zu untersuchen.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Zur Behandlung mangelernährter Kinder kann therapeutische Fertignahrung verwendet werden. Diese wird in Form von Päckchen mit einer proteinreichen Erdnusspaste geliefert, die sehr leicht sind und weder gekocht noch gekühlt werden müssen. Bei den meisten Kindern dauert es nach Behandlungsbeginn etwa acht Wochen, bis der mittlere Oberarmumfang oder das Gewicht einen für ihr Alter normalen Wert erreicht hat. 

„IRC ist derzeit die einzige Organisation in Somalia, die das kombinierte vereinfachte Behandlungsprotokoll umsetzt. Das ist eine der Dienstleistungen, die die Arbeit von IRC einzigartig machen“, erklärt Dr. Abdullahi. 

Nasteho hält ihren Sohn, der eine nahrhafte Paste auf Erdnussbutterbasis isst (auch als gebrauchsfertige therapeutische Nahrung oder RUTF bekannt)
Nasteho Ahmed, 25, hält ihren Sohn im Arm. Dieser isst eine nährstoffreiche Paste auf Erdnussbutterbasis (eine sogenannte therapeutische Fertignahrung), die er vom mobilen medizinischen Team von IRC im Dorf Olol in Somalia erhalten hat.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Eine Arbeit, die die Gemeinde unterstützt

Mit seiner Arbeit möchte Dr. Abdullahi die Menschen inmitten der anhaltenden Dürre und Nahrungsmittelkrise in Somalia unterstützen. 

„Wenn man eine lebenswichtige Behandlung anbietet und am Ende des Tages feststellt, dass es den Patient*innen besser geht, dass sie überleben und sich erholen, dann ist das wirklich ermutigend“, sagt er. „Die Rückmeldungen, die wir von unseren Klient*innen erhalten, zeigen, wie dankbar sie dafür sind, die kostenlose Behandlung in ihrer Nähe in Anspruch nehmen zu können.“ 

Dr. Abdulaahi bei der Arbeit im Hanano-Krankenhaus.
„Wenn man eine lebenswichtige Behandlung anbietet und am Ende des Tages feststellt, dass es den Patient*innen besser geht, dass sie überleben und sich erholen, dann ist das wirklich ermutigend“, sagt Dr. Abdullahi.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Auch Ahmed ist stolz auf die Möglichkeit, seiner Gemeinde helfen zu können – das ist eine Arbeit, von der er schon seit seiner Jugend träumt. „Zu sehen, wie sich Kinder von Mangelernährung erholen und wieder gesund werden, treibt mich jeden Tag an, weiterzumachen“, erklärt er stolz. 

Dass die IRC-Programme auch auf weitere Gebiete ausgeweitet werden, stimmt Ahmed zuversichtlich. Er freut sich darauf, zu sehen, dass diese lebenswichtige Behandlung noch mehr Kinder und Familien erreichen wird. „Als unser IRC-Team zum ersten Mal hierher kam, gab es noch keine anderen Organisationen, die Hilfe leisteten“, erklärt er. „Mittlerweile haben wir Menschen in Abudwaq und Adado [Städte, die fast 100 km von Dhusamareb entfernt sind] erreicht. Mit der Zeit werden wir unsere Maßnahmen noch auf viele weitere Gebiete im Bundesstaat Galmudug ausweiten können.“ 

Doch er hofft auch, dass sein Land eines Tages Frieden findet und die Menschen sich von den Krisen erholen können. „Meine Hoffnung für die Zukunft ist, dass Somalia ein sicherer und wohlhabender Ort wird, an dem Somalier*innen friedlich leben können.“ 

Dr. Ahmed spricht mit einer Mutter und ihren Kindern in ihrem Haus am Rande des Dorfes Olol.
Dr. Ahmed arbeitet mit mobilen IRC-Teams zusammen, um mit der Behandlung und Medikamenten auch Menschen in abgelegenen Dörfern zu erreichen.
Foto: Mustafa Saeed/IRC

Wie hilft IRC den Menschen in Somalia?

IRC ist seit 1981 in Somalia tätig und unterstützt derzeit Gemeinden in den Staaten Galmudug, Südwest und Puntland sowie in der Region Banadir (Mogadischu). IRC weitet die Programme in Somalia auf weitere Gebiete aus, um auf die Dürre und die zunehmende Ernährungsunsicherheit im Land zu reagieren. Wir bieten verschiedene Hilfsleistungen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Wasser und Sanitärversorgung an und leisten Unterstützung im Bereich Schutz und Stärkung von Frauen. Außerdem stellen wir Bargeldhilfe für von der Dürre betroffene Menschen in Somalia zur Verfügung.