Immer mehr Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen: 2024 waren es weltweit 339 Millionen. Diese wachsende Krise wird nicht allein mit mehr Nothilfe zu bewältigen sein. Vielmehr braucht es bessere, effizientere Unterstützung. Angebote müssen so konzipiert sein, dass sie mit knappen Ressourcen die größtmögliche Wirkung erzielen. Nur so können wir die Herausforderungen der heutigen Vertreibungskrisen bewältigen. 

Das Forschungsteam von IRC nutzt ein innovatives Tool für Kostenanalysen: Dioptra. Es hilft Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dabei, die maximale Wirkung aus jedem Euro herauszuholen. Lies weiter, um zu erfahren, wie es funktioniert.  

Welche Herausforderungen gibt es in den humanitären Hilfe?

Gekürzte Hilfsbudgets bei zugleich steigenden Kosten und steigenden Bedarfen stellen viele Organisationen derzeit vor Herausforderungen. Hohe Preise für Nahrungsmittel, Medikamente, Treibstoff und Materialien treiben die Kosten für Hilfsprojekte in die Höhe. Zudem zeigt sich ein Rückgang des globalen Engagements einiger großer Geber im Bereich Entwicklungshilfe, zuletzt die USA. Auch in Deutschland sank der Etat für Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2024 um 940 Millionen Euro, das sind 500 Millionen weniger als im Vorjahr. Damit machte humanitäre Hilfe im Jahr 2024 nur etwa 0,46 Prozent der Bundesausgaben aus.

Diese Kürzungen stehen auch im Widerspruch zu der UN-Verpflichtung, mindestens 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftskraft in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Für den Sektor, wie auch für Geber und Partner, stellt sich daher die Frage, wie die Zukunft der humanitären Hilfe aussieht. Denn der Ausblick für 2025 ist düsterer: Humanitäre Hilfe stellt im Bundeshaushalt 2025 nur 0,21 Prozent. Diese Kürzungen dürfen nicht dazu führen, dass weniger Menschen erreicht werden. 

Wie können NGOs noch kosteneffizienter arbeiten?

NGOs müssen ihre Mittel gezielt einsetzen, um möglichst viele Menschen mit wirksamen Projekten zu erreichen. Genau dafür hat IRC zusammen mit Partnern das innovative Analysewerkzeug Dioptra entwickelt. Es berechnet die Kosten, die pro Person für Maßnahmen wie Mahlzeiten oder eine bestimmte Schulung ausgegeben werden. So finden Programmteams heraus, ob sie ihre Ressourcen noch effektiver einsetzen und mit den gleichen Budgets mehr Menschen unterstützen können.

IRC hat zum Beispiel festgestellt, dass bei der Bekämpfung von Mangelernährung mit optimierten Maßnahmen und besserer Umsetzung bis zu 20 Prozent mehr Kinder erreicht werden können – ohne zusätzliches Budget. Das gelingt unter anderem durch vereinfachte Behandlungsprotokolle oder die Verknüpfung mit bestehenden Impf- und Ernährungsprogrammen.

Ein Mädchen in gelbem Shirt wird von medizinischem Personal untersucht.
Alena (3) kam wegen Bauchschmerzen in eine IRC-Klinik in Syrien und wird zugleich auch auf Mangelernährung getestet.
Foto: Iuna Vieira/IRC

Wie funktioniert Dioptra?

Dioptra nutzt reale Projektdaten und standardisierte Kostenanalysen, um die Kosteneffizienz von Programmen zu berechnen und zu vergleichen. So läuft der Prozess Schritt für Schritt ab:

  1. Daten: Hilfsorganisationen speisen ihre Finanzdaten, z. B. voraussichtliche Programmkosten in die Dioptra-Software ein.
  2. Kalkulation: Dioptra berechnet die Kosteneffizienz der Intervention (z. B. Kosten pro Patient*in oder pro Schulkind und Halbjahr). Die Ergebnisse werden mit anderen verfügbaren Daten verglichen.
  3. Analyse: Die Programmmitarbeitenden informieren Dioptra darüber, welche Kosten mit der analysierten Intervention zusammenhängen.
  4. Optimierung: Mit diesen Erkenntnissen können Hilfsorganisationen gezielt Anpassungen vornehmen, um Projekte effizienter zu gestalten und mehr Menschen zu erreichen.

Wie sieht das in der Praxis aus? 

So setzen NGOs Dioptra ein, um mit wenig Geld viel zu bewirken:

Beispiel 1: Skalierung von Bargeldhilfe für höhere Reichweite 

Bargeldhilfeprogramme machen 17 Prozent der weltweiten humanitären Hilfe aus. Sie sind bewiesenermaßen eine der wirksamsten Unterstützungsformen. Bargeldhilfen haben geringe Logistikkosten und die Empfänger*innen können ihre Bedürfnisse selbst priorisieren. Zusätzlich hilft Bargeld, die lokale Wirtschaft anzukurbeln.

Eine Analyse von 30 Programmen mit Dioptra zeigt, dass die Verwaltungskosten bei kleineren Projekten höher sind als bei Projekten mit einer größeren Reichweite. Wenn Initiativen auf mindestens 1000 Haushalte ausgeweitet werden, verdoppelt sich die Zahl der erreichten Personen – bei gleichbleibenden Kosten. Durch diese Erkenntnis hat IRC mit dem gleichen Budget tausenden Menschen mehr geholfen als anfangs geplant. 

Junge Frau in farbenfroher Kleidung zählt lächelnd Geld in einem einfachen Raum.
Iftu Aliyyi aus Äthiopien ist alleinerziehende Mutter und ihre dreijährige Tochter ist von Mangelernährung betroffen. Sie erhält Bargeldzahlungen von IRC, die es ihr ermöglichen, Lebensmittel für sich und ihre Tochter zu kaufen.
Foto: Fahmo Mohammed/IRC

Beispiel 2: Senkung der Kosten für die Behandlung von Mangelernährung

45 Millionen Kindern sind von akuter Unterernährung betroffen. Diese humanitäre Herausforderung verlangt kosteneffiziente Lösungen. IRC hat herausgefunden, dass vereinfachte Diagnose- und Behandlungsverfahren genau so wirksam sind wie traditionelle und aufwendigere Methoden. Zum Beispiel wird Mangelernährung schneller und kostengünstiger erkannt, wenn die Kinder bei anderen Interventionen wie Impfungen gezielt auf Mangelernährung untersucht werden. Durch solche Anpassungen können mit dem gleichen Budget 20 Prozent mehr Kinder behandelt werden. 

Das Engagement von IRC für Kosteneffizienz und Kosteneffektivität hat zu messbaren Verbesserungen bei mehreren Programmen geführt. Mittlerweile hat IRC über 400 Kostenanalysen in 37 Ländern durchgeführt und dabei Ausgaben für humanitäre Hilfe in Höhe von mehr als 300 Millionen US-Dollar untersucht.

Wie entstand Dioptra?

Dioptra wurde im IRC-Forschungszentrum Airbel erarbeitet. Airbel entwickelt und testet neue Ansätze für humanitäre Krisen, um das Beste aus jedem investierten Euro herauszuholen. Diese Arbeit wird durch Partner wie der Deutschen Postcode Lotterie (DPL) ermöglicht. DPL unterstützt IRC seit 2023 mit ungebundenen Mitteln, die innovative Lösungen wie Dioptra möglich machen und so den gesamten Sektor voranbringen.

An wen richtet sich Dioptra?

NGOs arbeiten kontinuierlich daran, ihre Effizienz zu verbessern und sicherzustellen, dass jeder investierte Euro die maximale Wirkung hat. Dioptra hilft NGOs, diese Vorgabe zu erfüllen und ihre eingeschränkten Fördermittel bestmöglich zu nutzen. Inzwischen verwaltet ein Konsortium aus acht NGOs, darunter IRC, die Dioptra-Software gemeinsam. Sie teilen regelmäßig ihre Erfahrungen und Erkenntnisse miteinander. Interessierte Organisationen können das Konsortium hier kontaktieren, um eine Lizenz erwerben.

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