In der Emergency Watchlist von International Rescue Committee (IRC) wird jedes Jahr analysiert, in welchen Ländern das Risiko für eine Verschlechterung humanitärer Krisen im kommenden Jahr am größten ist. Dieses Jahr steht Sudan ganz oben auf dieser Liste. Die Gründe dafür sind der eskalierende Konflikt, Massenvertreibungen, die Wirtschaftskrise und das Gesundheitssystem, das kurz vor dem Zusammenbruch steht. 

Der Machtkampf zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) eskalierte im April 2023 zu einem weitreichenden Konflikt und treibt seither den humanitären Bedarf in die Höhe. Schätzungen gehen von mehr als 200.000 Tote und über 33.000 Verletzten aus.

Schon vor dem Konflikt befand sich Sudan in einer schweren humanitären Krise. Aufgrund langanhaltender politischer Instabilität und wirtschaftlicher Probleme benötigten 15,8 Millionen Menschen Unterstützung. Der Konflikt hat die Situation weiter verschlimmert, sodass nun fast 25,6 Millionen Menschen – mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung – auf Hilfe angewiesen sind. 

Der seit April 2023 andauernde, brutale Konflikt hat mehr als 11 Millionen aus ihren Häusern vertrieben. Über 8,1 Millionen von ihnen befinden sich nach wie vor in Sudan. Damit handelt es sich um die größte Vertreibungskrise der Welt. 

Während es im Land zu Massenvertreibungen und Massentötungen kommt, wurde der Zugang für humanitäre Hilfe stark eingeschränkt. Für Hilfsorganisationen ist es sehr schwierig, betroffene Gemeinden zu erreichen. Erfahre mehr über die anhaltende Krise in Sudan.

Lies den neuen Krisenreport von IRC zu Sudan

Altuma steht mit ihren drei Kindern in ihrem provisorischen Haus.
Die 46-jährige Altuma und ihre neun Kinder mussten aufgrund des Konflikts ihr Zuhause in Khartum verlassen. Sie wurden seither mehrfach vertrieben. In Gedaref leben sie nun in einer provisorischen Unterkunft, die sie nur begrenzt vor den Witterungsbedingungen schützt.
Foto: Noory Taha/IRC

Vor welchen Herausforderungen stehen die Menschen in Sudan?  

Schon vor dem Ausbruch des Konflikts befand sich Sudan in einer humanitären Krise. Grund dafür waren Extremwetter-Ereignisse, soziale und politische Unruhen sowie steigende Lebensmittelpreise, die Armut, Hunger und Vertreibung immer weiter verstärken.

Der Krieg in Sudan geht weiter

Der Konflikt zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) eskalierte am 15. April 2023. Obwohl sich die Kampfhandlungen zunächst hauptsächlich auf die Hauptstadt Khartum konzentrieren, betrifft der Konflikt auch andere Regionen des Landes. In Darfur kam es zu Massentötungen und Vertreibungen, deklariert als „ethnische Säuberungen“. 

Während sich der Konflikt in Sudan weiter ausbreitet, wird der Zugang für humanitäre Hilfe immer weiter eingeschränkt. Massive Gewalt und Bewegungseinschränkungen für humanitäre Helfer*innen verhindern die Lieferung von Hilfsgütern, insbesondere im Süden des Landes, wo der Bedarf am größten ist. Die Organisation ACAPS stuft die Beschränkungen des humanitären Zugangs in Sudan als extrem (5 von 5) ein. 

Wenn der Konflikt angesichts erfolgloser diplomatischer Bemühungen anhält, wird der Bedarf an humanitärer Hilfe weiter steigen. 

Fairuz steht mit ihren Enkelkindern vor einer Notunterkunft.
Der Konflikt treibt Familien über die Grenzen hinweg in Transitzentren wie dieses in Renk, Südsudan. Fairuz Faiz Deng, 60, erreichte die Notunterkunft im Mai 2023 mit ihrem Bruder, seiner Familie und ihren Enkelkindern.
Foto: Fahmo Mohammed/IRC

Das Gesundheitssystem steht am Rande des Zusammenbruchs

Der Konflikt in Sudan hat die öffentliche Infrastruktur des Landes, einschließlich des Gesundheitssystems, enorm beeinträchtigt. Medizinischen Einrichtungen fehlt es an Personal, Finanzierung und Medikamenten. Es kam auch wiederholt zu Angriffen, Plünderungen und Besetzungen der Einrichtungen und Krankenhäuser. Mehr als 70 Prozent der Gesundheitseinrichtungen in den vom Konflikt betroffenen Regionen Sudans sind zerstört oder geschlossen.  

Der Zusammenbruch des sudanesischen Gesundheitssystems und anderer wichtiger Dienste bedroht aktuell das Leben vieler Sudanes*innen. Doch auch künftige Generationen werden die Auswirkungen der Krise erleben.

Die Vertreibung der Zivilbevölkerung erhöht den Druck auf das Gesundheitssystem sowie auf die Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH). Der Ausbruch von Masern in weiten Teilen Sudans hat zum Tod von mehr als 1000 Kindern geführt. Zusätzlich gibt es 8.000 bestätigte Cholera-Fälle und 299 Todesfälle durch Cholera. 

Unterernährung, ein schwaches Gesundheitssystem und fehlende Impfungen bedrohen Kinder besonders.

Die Wirtschaftskrise verschärft Armut

Bereits vor dem Ausbruch des Konflikts war die sudanesische Wirtschaft durch eine extreme Inflation und den Mangel an lebenswichtigen Produkten geschwächt. Dies führte im ganzen Land zu Protesten. Nun treibt der Konflikt die Wirtschaftskrise weiter an. 

Fast die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung ist arbeitslos. Das Sudanesische Pfund hat mindestens 50 Prozent an Wert verloren. In Khartum wurden Fabriken, Banken, Geschäfte und Märkte geplündert oder zerstört. Dadurch fehlt es der Bevölkerung an Waren, Dienstleistungen und Bargeld. 

Auch das Internet und andere Kommunikationskanäle fallen immer wieder aus. Millionen von Menschen können ihre Familien nicht kontaktieren, sichere Gebiete aufsuchen, lebenswichtige Versorgung in Anspruch nehmen oder mobile Zahlungsdienste nutzen.

Mindestens 10.400 Schulen in Konfliktgebieten sind geschlossen. Dadurch haben schätzungsweise 19 Millionen Kinder keinen Zugang zu Bildung und sind dem Risiko von Missbrauch oder Ausbeutung ausgesetzt. Vor Beginn des Konflikts waren es fast sieben Millionen Kinder. Ohne ein Ende der Gewalt können sie nicht in die Schule zurückkehren und bleiben unmittelbaren und langfristigen Gefahren schutzlos ausgesetzt, wie Vertreibung, Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen und sexualisierte Gewalt. 

Mehr als 25 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit bedroht

In Sudan herrscht extreme Ernährungsunsicherheit: 25 Millionen Menschen sind von schwerer akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Laut IPC erleben 755.000 Menschen in zehn Bundesstaaten eine Hungersnot (IPC5) und sind akut vom Verhungern bedroht.

Der humanitäre Zugang zu einigen Gebieten ist eingeschränkt, was die Hilfe für besonders stark betroffene Bevölkerungsgruppen erschwert. Die ohnehin schon gravierende Nahrungsmittelknappheit wird durch steigende Lebensmittelpreise und die geringe Kaufkraft weiter verschärft. Zudem wird eine Inflationsrate von über 300 Prozent geschätzt.

Eine Hungerkrise von unvorstellbarem Ausmaß ist kein Zukunftsszenario, sondern in einigen Teilen des Landes bereits Realität. 

Heftige Kämpfe in Sudan haben etwa 500.000 Binnenvertriebene in der Zamzam-Notunterkunft in Bedingungen gedrängt, die einer Hungersnot gleichkommen. Jede fünfte Familie in diesem Gebiet ist es unmöglich an ausreichend Nahrungsmittel zu gelangen oder sich selbst zu versorgen.

„Ein sofortiger Waffenstillstand ist jetzt wichtiger denn je, um die katastrophalen Folgen der eskalierenden Hungerkrise zu stoppen”, sagt Eatizaz Yousif, IRC-Landesdirektor für Sudan. 

Almas hält ihren Sohn Hermon im Arm, während sie von einer IRC-Ernährungsspezialistin wichtige Unterstützung erhält.
Almas, 28, wurde aufgrund des Konflikts in Khartum vertrieben. Sie hält ihren Sohn Hermon im Arm, während dieser lebenswichtige Unterstützung von einer IRC-Ernährungsspezialistin in Gedaref, Sudan, erhält.
Foto: Noory Taha/IRC

Weitere Vertreibungen in ganz Sudan

Der Konflikt in Sudan hat zu einer hohen Anzahl an Vertreibungen geführt, sowohl innerhalb des Landes als auch über die sudanesischen Grenzen hinaus. Die große Mehrheit der Vertriebenen, 5,1 Millionen Menschen, sind innerhalb Sudans geflohen und leben nun in Aufnahmegemeinden. Damit steigt die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Sudan auf über als zehn Millionen Menschen. Das sind mehr als in jedem anderen Land der Welt. 

Über 2 Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, sind aus Sudan in die Nachbarstaaten geflohen. 600.000 Menschen sind im letzten Jahr in Tschad angekommen. Die Nachbarstaaten von Sudan haben Schwierigkeiten, die steigende Anzahl von Geflüchteten zu versorgen. Zudem steigt die Gefahr , dass sich der Konflikt über die Grenzen ausweitet. Die Krise in Sudan könnte sich zu einer internationalen Krise entwickeln, die mehrere Länder betrifft und ein katastrophales Ausmaß an humanitärem Bedarf nach sich zieht.

Der Konflikt in Sudan hat zu einer hohen Anzahl an Vertreibungen geführt, sowohl innerhalb des Landes als auch über die sudanesischen Grenzen hinaus. Mehr als 8,1 Sudanes*innen sind innerhalb des Landes geflohen. Das sind mehr als in jedem anderen Land der Welt. 

Über 3 Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, sind aus Sudan in die Nachbarstaaten geflohen. 600.000 Menschen von ihnen sind im letzten Jahr in Tschad angekommen, während 100.000 Menschen in Libyen und Uganda Zuflucht suchten. Die Nachbarstaaten nehmen sudanesische Geflüchtete zwar auf, sie können jedoch ohne internationale Unterstützung die dringend benötigte humanitäre Hilfe nicht gewährleisten. 

IRC hilft vor Ort in Sudan sowie den Nachbarländern und unterstützt die vom Krieg betroffenen Menschen mit wichtigen Hilfsleistungen.

Wie hilft IRC in Sudan?

Seit Beginn des Konflikts hat IRC seine humanitären Programme angepasst und aufgestockt, um den gestiegenen humanitären Bedarfen in Sudan gerecht zu werden. Trotz großer Herausforderungen, wie der Schließung von Büros aus Sicherheitsgründen, arbeitet IRC weiterhin daran, betroffene Gemeinden im Land und in den Nachbarstaaten zu unterstützen.

IRC bietet unter anderem folgende Maßnahmen an: 

Kurz nach dem Ausbruch des Konflikts im April 2023 hat IRC ein Büro in Wad Madani, Al Jazirah, eröffnet, um Gesundheits- und Ernährungsdienste für Binnenvertriebene aus Khartum bereitzustellen. Dieses Büro musste aus Sicherheitsgründen geschlossen und das Personal an andere Standorte verlegt werden. 

Derzeit ist IRC in den Bundesstaaten Blue Nile, Khartum, Gederaf, River Nile, South Kordofan und White Nile sowie in Port Sudan aktiv. IRC leistet Soforthilfe in zugänglichen Gebieten von Khartum und arbeitet eng mit lokalen Partnerorganisationen zusammen. 

Unterstütze IRC mit einer Spende, um unsere Arbeit in Sudan und mehr als 40 Ländern auf der ganzen Welt zu ermöglichen.

Zakia, eine Hebamme, zeigt auf ein Informationsplakat.
Zakia Yaqoup, 43, arbeitet als Hebamme. Sie unterstützt gemeinsam mit IRC vertriebene Frauen in Gedaref mit lebenswichtiger pränataler Betreuung und Geburtshilfe.
Foto: Noory Taha/IRC

Wie hilft IRC sudanesischen Geflüchteten?

Über drei Millionen Menschen haben seit April 2023 in den Nachbarstaaten Sudans Zuflucht gesucht. IRC hat die grundlegende Versorgung zur Unterstützung sudanesischer Geflüchteter ausgeweitet, unter anderem in Uganda, TschadÄthiopien und Südsudan.

Mehr als 600.000 Menschen sind seit April 2023 nach Tschad geflohen. Frauen und Kinder machen mehr als 90 Prozent der Geflüchteten aus. Ein Fünftel der Kleinkinder ist von akuter Unterernährung betroffen.

„Die Tatsache, dass Frauen und Kinder einen so großen Anteil der neu Ankommenden in Tschad ausmachen, ist besonders besorgniserregend. Sie gehören in Konfliktsituationen oft zu den am meisten gefährdeten Gruppen“, erklärt die IRC-Landesdirektorin für Tschad, Aleksandra Roulet-Cimpric. „Frauen und Kinder sind stärker von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt bedroht. Zudem haben sie oft Schwierigkeiten, Zugang zu lebensnotwendiger Versorgung wie Nahrung, Wasser und medizinischer Hilfe zu bekommen.“

In Tschad stellt IRC Trinkwasser zur Verfügung und betreibt mobile Kliniken, um den großen Bedarf der ankommenden Menschen an medizinischer Versorgung zu decken. Neben Nothilfemaßnahmen arbeitet IRC auch daran, die Unterstützung in den Bereichen Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), Gesundheit und Schutz auszuweiten. Dazu gehören der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen sowie die Förderung guter Hygienepraktiken, um der Verbreitung von Krankheiten vorzubeugen.

Eine Mutter sitzt in einem Krankenhauszimmer mit einem neugeborenen Kind auf dem Schoß. Ein Moskitonetz bietet einen dünnen Schleier über den Raum hinter ihnen.
Raouda* hält ihr neugeborenes Kind, AbdeIrahim , im IRC-Gesundheitszentrum des Geflüchtetenlagers Gaga in Tschad. Raouda wurde durch den Krieg in Sudan vertrieben und musste über die Grenze fliehen, als sie im neunten Monat schwanger war.
Foto: Chloé Leconte for/IRC

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