Das Extremwetterphänomen El Niño verursachte in Somalia Ende 2023 Regenfälle, die verheerende Überschwemmungen mit katastrophalen Folgen ausgelöst haben: Durch die Verwüstung von Ackerland, den Verlust von Millionen von Nutztieren und Ernteausfällen sind 4,3 Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – von Ernährungsunsicherheit bedroht.

Die Zahl der Menschen, die in den überschwemmten Gebieten an Durchfall und Cholera erkranken, steigt. Insgesamt sind 6,8 Millionen Somalier*innen auf humanitäre Hilfe angewiesen.   

„Die Menschen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind in Somalia, haben am wenigsten zum Klimawandel beigetragen“ - Richard Crothers, IRC-Landesdirektor für Somalia

Erfahre in diesem Artikel, wie IRC gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen, dem Auswärtigen Amt  (AA) und dem Bundesministerium für internationale Zusammenarbeit (BMZ) vor Ort schnelle Hilfe leistet und die langfristige Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung im Umgang mit dem Klimawandel stärkt.
 

Medizinische Versorgung auf Booten

In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und der lokalen Partnerorganisation Zamzam Foundation startete IRC Ende 2023 eine Nothilfeinitiative,  um die von den Überschwemmungen betroffenen Gemeinden in Bula Burte zu unterstützen. Die schnelle Reaktion von IRC war nur dank einem Mechanismus (Crisis Modifier) möglich, der flexible Finanzierung für unerwartete oder zusätzliche Krisen bereitstellt. 

IRC-Teams vor Ort hatten aufgrund der Überschwemmungen Schwierigkeiten, die betroffenen Gemeinden in der Stadt zu erreichen. Hassan Omar Yussuf, Projektmanager der Zamzam Foundation, beschreibt die Zugangsschwierigkeiten:

„Die Gemeinden, die wir versorgen, befanden sich überwiegend in Dörfern in der Nähe des Flusses. Bei starkem Regen trat der Fluss über die Ufer und überflutete die Dörfer komplett. Deshalb zogen die Gemeinden in höher gelegene Gebiete um und ließen dabei all ihren Besitz zurück. Wir hatten keinen Zugang zu den Gemeinden, und unsere Gesundheitszentren in der Nähe des Flusses waren ebenfalls stark überflutet. Es war unmöglich für uns, die betroffenen Menschen zu erreichen." 

Dank des Krisenreaktionsmechanismus des Auswärtigen Amts konnte das Team ein Boot anschaffen, um den betroffenen Gemeinden an ihrem neuen Standort medizinische Versorgung zu bieten. 

„Unsere Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen leisteten wichtige medizinische Hilfe, förderten Hygienepraktiken vor Ort, verteilten Hygienekits und leiteten großflächige Informationsveranstaltungen zum Thema Schutz. Dadurch konnten Frauen und Kindern, die auf humanitäre Hilfe angewiesen waren, lebenswichtige Unterstützung erhalten“ - Hassan Omar Yussuf, Projektmanager der Zamzam Foundation.

Eine Gruppe von Krankenschwestern arbeitet an einem Tisch.
Inmitten der verheerenden Überschwemmungen in Somalia stellt ein Gesundheitsteam betroffenen Familien Hygieneartikel und medizinische Versorgung zur Verfügung. Mit Fachwissen und Empathie gab das Team den Klient*innen in dieser Ausnahmesituation Halt.
Foto: Mohamud / Zamzam Foundation/IRC

 

Schwere Folgen für Familien in den Überschwemmungsgebieten

Mako Mohamed Ahmed, 30, ist Mutter von fünf Kindern. Die verheerenden Überschwemmungen zerstörten Makos Farm und ihr Haus in Bula Burte. Ihre Familie war dadurch dringend auf Unterstützung angewiesen. Mako hatte für ihre Familie etwas aufgebaut, um ihren Lebensunterhalt zu sichern: Sie nutzte die fruchtbaren Böden im Dorf und arbeitete dort unermüdlich als Bäuerin. Ihre Landwirtschaft war ihr ganzer Stolz. Doch die Farm, und damit ihre Lebensgrundlagen, wurden im November 2023 durch die Überschwemmungen zerstört. Die Ernten wurden weggeschwemmt, sodass sie nicht mehr wusste, wie sie ihre Familie ernähren sollte. Als sich das Wasser wenig später seinen Weg durch die Stadt bahnte, wurde auch Makos Haus völlig zerstört. 

„Die Überschwemmungen und der Wind waren heftig und haben unsere Farmen und Häuser zerstört. Die Menschen in Bula Burte stehen vor großen Herausforderungen, um ihre Häuser wiederaufzubauen“, sagt Mako. „Ich habe nichts mehr, nachdem die Überschwemmungen unsere gesamte Lebensgrundlage zerstört haben. Der Klimawandel hat uns hart getroffen. Ich konnte nicht einmal mehr meine Kinder ernähren“, erzählt sie traurig. 

Zwei Menschen stehen unter einem Baum auf einem Feld.
Nach den verheerenden Überschwemmungen in Bula Burte erhielten die Kinder von Mako Mohamed Ahmed medizinische Unterstützung und Lebensmittel. Das half Mako dabei, ihre Hoffnung für die Zukunft der Familie zurückzugewinnen, sagt sie.
Foto: Mohamud / Zamzam Foundation / IRC

Mit den Booten gelang es IRC Makos Gemeinde zu erreichen und die Menschen mit medizinischer Hilfe und Nahrungsmitteln zu versorgen. IRC und die Partnerorganisation Zamzam Foundation stellten Mako Lebensmittel und Hygienekits bereit und versorgten ihre Kinder medizinisch.   

Der Nexus-Ansatz: Nothilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Konfliktransformation in Einem 

Das Wort „Nexus“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Verbindung“ oder „Verknüpfung“. Im Kontext des Humanitarian-Development-Peace Nexus bezieht es sich auf die enge Verknüpfung von drei Bereichen: Humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung. 

Diese drei Aspekte der internationalen Zusammenarbeit haben in Ländern wie Somalia einen starken Einfluss aufeinander. So muss beispielsweise mitbedacht werden, wie die Verteilung von Ressourcen (z.B. Lebensmittel) die Dynamiken hinter bestehenden Konflikten beeinflusst. Um in Somalia wirksame Hilfe zu leisten, braucht es eine engere Koordination zwischen Maßnahmen zur schnellen und effektiven Nothilfe und Strategien für langfristigem Wiederaufbau. In Deutschland wird diese Art der Koordination vom Auswärtigen Amt und dem BMZ als „Chapeau-Ansatz“ bezeichnet. „Chapeau“ bedeutet auf französisch „Hut“ und symbolisiert die Vereinigung der drei wichtigsten Aspekte der internationalen Zusammenarbeit – Humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung – als ein gemeinsames System. 

Die Maßnahmen der Humanitären Hilfe, finanziert vom Auswärtigen Amt, werden im Rahmen des Chapeau-Ansatzes durch Maßnahmen des BMZ ergänzt. Während das Projekt von IRC und dem AA darauf abzielen, unmittelbare humanitäre Hilfe zu leisten, und das Überleben nach Krisen zu sichern, unterstützt das BMZ-finanzierte Projekt Gemeinden durch langfristige Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung. Ziel ist es, die zerstörten Lebensgrundlagen der Somalier*innen wiederaufzubauen und ihre Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel zu stärken. Beispielsweise lernen Bäuer*innen durch das Projekt, wie sie klimaresistentes Saatgut nutzen können, um ihre Landwirtschaft langfristig vor Klimaschocks zu schützen und bekommen Unterstützung beim Wiederaufbau der zerstörten Weideflächen. 

In den Regionen Bay, Hiraan, Galgaduud und Mudug setzen sich IRC und BMZ für einen sicheren, gerechten und dauerhaften Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene ein. Zusätzlich engagiert sich das Projekt für eine friedliche Konfliktbewältigung innerhalb der Gemeinden und erarbeitet gemeinsam mit lokalen Expert*innen Aktionspläne für Friedensinitiativen und zur Förderung von Geschlechtergleichberechtigung.

Langfristige Erholung und Stärkung durch nachhaltige Unterstützung

Die Arbeit in Somalia ist das erste Projekt, das IRC unter dem Chapeau-Ansatz durchführt. Gerade durch die Überschwemmungskatastrophe 2023 wurde deutlich, wie wichtig schnelle, flexible und effektive humanitäre Hilfe für betroffene Gemeinden ist. Sobald die ersten Grundbedürfnisse wie Nahrung, Notunterkünfte und medizinische Versorgung von Klient*innen wie Mako gedeckt sind, werden sie durch die BMZ-geförderte Entwicklungszusammenarbeit beim Wiederaufbau und bei der Entwicklung einer klimaresistenten Landwirtschaft unterstützt. Nur so können sich die Menschen auch langfristig von der Krise erholen und gestärkt in ihre Zukunft blicken.