Die Situation von Mädchen in konflikt- und krisenbetroffenen Gebieten kann sich innerhalb eines Augenblicks ändern. Wenn Frauen und Mädchen nicht beteiligt werden, an den Entscheidungen in ihren Familien und Gemeinschaften, die sie betreffen, trifft sie jeder Schock – ob bewaffneter Konflikt, Dürre, Überschwemmung oder COVID-19 – unweigerlich stärker als andere. 

Millionen Mädchen weltweit sind in Konflikten und Krisen aufgewachsen. In der Zentralafrikanischen Republik hat eine ganze Generation noch nie politische Stabilität erlebt. In Syrien wütet der Krieg schon seit über einem Jahrzehnt. Durch die COVID-19-Pandemie konnten weltweit fast 750 Millionen Mädchen und junge Frauen nicht zur Schule oder Universität gehen.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben die Folgen der Pandemie zu 13 Millionen weiteren Kinderehen geführt. Dadurch gab es massive Rückschritte bei den herausfordernden Bemühungen zur Abschaffung von Kinderheirat. 650 Millionen Frauen sind heute davon betroffen, dass sie als Minderjährige verheiratet wurden.

Basierend auf den persönlichen Erfahrungen von Mädchen und dem Fachwissen unserer Mitarbeiter*innen, die mit Mädchen auf der ganzen Welt arbeiten, gehören diese Länder zu den gefährlichsten Orten für Mädchen weltweit.

Ukraine

Die Mehrheit der 4 Millionen Geflüchteten, die die Ukraine verlassen haben, sind Frauen und Kinder. Zusammen mit vertriebenen Frauen innerhalb der Ukraine sind sie besonders von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch gefährdet.

Es wird zunehmend schwerer für Frauen und Mädchen, die von der Krise betroffen sind, Zugang zu medizinischer Notfall- und Grundversorgung, sowie Sozialdiensten zu bekommen. Um die 80.000 Frauen werden in den nächsten drei Monaten in der Ukraine entbinden. Falls die Krise weiterhin die Arbeit der notwendigen Gesundheitsdienste unmöglich macht, werden viele dieser Frauen keinen Zugang zu Geburtshilfe haben. Für sie wird Gebären zu einer lebensbedrohlichen Erfahrung werden.

IRC ruft internationale Spender*innen und Regierungen weltweit dazu auf, Unterstützung und Schutzangebote für Frauen und Mädchen zu priorisieren. Das bedeutet, dass ukrainische Frauen und Mädchen erhört werden müssen und dass Frauenrechtsorganisationen in allen betroffenen Ländern in die Koordination und Implementierung der humanitären Hilfe involviert werden sollten.

So muss Frauen und Mädchen in der Ukraine jetzt geholfen werden.​

Afghanistan

Über 18 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe, darunter über 3 Millionen Frauen und 8 Millionen Kinder. COVID-19 und eine verheerende Dürre haben die Instabilität in Afghanistan enorm erhöht. Schon vor der Regierungsübernahme durch die Taliban wurde Afghanistan von den Vereinten Nationen in sechs aufeinander folgenden Jahren zum tödlichsten Ort für Kinder auf der Welt erklärt.

Trotz des vier Jahrzehnte andauernden Konflikts konnte Afghanistan in den letzten zwanzig Jahren Fortschritte bei den Rechten von Frauen und Mädchen verzeichnen. Doch die sich rapide verschlechternde humanitäre Lage und politische Entscheidungen der Taliban, haben Folgen für die Zukunft von Mädchen: Sie wissen nicht, ob und wann sie wieder in die Schule gehen können. Schon vor der Regierungsübernahme im August 2021 wurde geschätzt, dass die Hälfte aller Kinder nicht zur Schule gehen kann und dass 60% davon Mädchen sind. Angesichts der aktuellen Situation in Afghanistan beobachten wir einen massiven Anstieg von Zwangsverheiratungen von Kindern und dem eingeschränkten Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung. 

Es ist unsere Entscheidung und unser Recht, zur Schule zu gehen und uns ausbilden zu lassen. Es ist wichtig, sich Hoffnungen und Träume zu bewahren.

– Mädchen, 14 Jahre, aus Afghanistan. Sie war nicht mehr in der Schule, seit diese aufgrund von COVID-19 geschlossen werden musste. Stattdessen kocht sie für ihre Familie und kümmert sich um den Haushalt.

 Jemen

Im Jemen herrscht nach wie vor die schlimmste humanitäre Krise der Welt. Nach sechs Jahren Konflikt sind mehr als 20,7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, mehr als 4 Millionen Menschen mussten innerhalb des Landes fliehen. Drei Viertel der Geflüchteten sind Frauen und Kinder. Schätzungsweise 20% der Frauen und Mädchen sind eigenverantwortlich für ihren Haushalt. Zudem ist Jemen das Land mit den geringsten Fortschritten bei der Geschlechtergleichstellung. Frauen und Mädchen finden sich daher in einer besonders prekären Situation wieder. Laut einer Gender-Analyse von IRC hat sich diese Situation seit Beginn des Konflikts noch verschlimmert.

Geschlechtsspezifische Gewalt, Kinder- und Zwangsheirat sind für Mädchen im Jemen eine reale Bedrohung. Tatsächlich hat sich der Anteil der Zwangs- und Frühverheiratung seit Beginn des Konflikts mehr als verdoppelt. Fast zwei Drittel der Mädchen werden vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet, viele sogar vor ihrem 15. Außerdem haben die anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen und fehlenden Bildungschancen während des Konflikts das Risiko von Kinderrekrutierung und ausbeuterischer Arbeit erhöht.

Eines Tages werde ich Lehrerin und Aisha wird Ärztin. Wir werden unsere Gehälter zusammenlegen und Dinge kaufen, um sie im Lager zu verteilen.

– Na'aem, 11, aus dem Jemen. Na'aem und ihre beste Freundin Aisha, 10, lernen gerne zusammen. Sie leben in einem Lager für Familien, die durch den anhaltenden Konflikt vertrieben wurden.

Zentralafrikanische Republik

Die Zentralafrikanische Republik hat die zweithöchste Anzahl an Kinderehen weltweit: 68 Prozent der Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. In dem seit 2012 andauernden Konflikt wird die Vergewaltigung von Frauen und Mädchen als Kriegswaffe eingesetzt. Trotz eindeutiger internationaler Rechtslage wurde in dieser Zeit kein einziges Mitglied einer bewaffneten Gruppe wegen Vergewaltigung vor Gericht gestellt.

Auch der Zugang zu Bildung ist für Mädchen eingeschränkt. Nur 25% haben die Grundschule abgeschlossen. Die Alphabetisierungsrate von Männern ist doppelt so hoch wie die von Frauen.

Mein Traum ist es, dass die Kämpfe aufhören, damit ich wieder nach Hause gehen kann.

– Melissa, 15, aus der Zentralafrikanischen Republik. Fast ein Jahrzehnt des Konflikts hat Familien wie die ihre entwurzelt und Kinder vom Unterricht ferngehalten.

Syrien

Menschen in Syrien haben mehr als ein Jahrzehnt des Kriegs hinter sich und das Land erlebt nach wie vor eine der größten humanitären Krisen des 21. Jahrhunderts. Die überwiegende Mehrheit der Menschen lebt in Armut. Dabei sind Frauen und Kinder besonders anfällig für geschlechtspezifische Gewalt, Kinderarbeit und Traumata.

Ähnlich wie im Jemen sind Kinderehen in Syrien seit Beginn des Konflikts immer häufiger geworden. Laut einer Umfrage im Nordwesten Syriens, wo mehr als 4 Millionen Geflüchtete leben, gab mehr als die Hälfte der Frauen und Mädchen als Grund für die erzwungene frühe Ehe Angst vor sexualisierter Ausbeutung, Missbrauch und Entführung an. Gleichzeitig sind zwangsverheiratete Mädchen einem erhöhten Risiko häuslicher Gewalt ausgesetzt.

Ich träume von einem schönen und glücklichen Leben ohne Beschuss, ohne Töten und ohne Krieg.

– Salam, 10, aus Syrien. Salam hat wegen des Konflikts viel Zeit in der Schule verpasst. Sie liebt das Zeichnen und möchte Architektin werden.

Niger

Die 15-jährige Maryama lebt in einer Region von Niger, in der die Gewalt in den letzten zwei Jahren eskaliert ist.
Die 15-jährige Maryama lebt in einer Region von Niger, in der die Gewalt in den letzten zwei Jahren eskaliert ist. Sie träumt davon, eines Tages Journalistin zu werden, damit sie „all die schlimmen Dinge, die in der Welt passieren“, aufdecken kann.
Foto: Mamadou Diop/IRC

Infolge des Konflikts gegen Boko Haram sind fast 2,4 Millionen Menschen aus dem Tschadbecken vertrieben worden. Niger hat mit drei von vier den höchsten Anteil an Mädchen, die vor dem 18. Lebensjahr verheiratet werden. Ungefähr eins von fünf heranwachsenden Mädchen in Niger bekommt ein Kind vor ihrem 18. Geburtstag.

Bildung hilft, Mädchen zu stärken. Sie verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sie als Kinder verheiratet werden, versetzt sie in die Lage, gleichberechtigtere Machtverhältnisse in ihren Beziehungen auszuhandeln und bereitet sie auf die Suche nach einer sicheren, langfristigen Arbeit vor. Dennoch gehen 56%ƒ aller Mädchen in Niger nicht zur Schule.

Alle in meiner Familie wollen, dass ich zur Schule gehe. Ich möchte, dass jedes Mädchen in Niger eine Schulbildung erhält.

– Maryama, 15, aus Niger. Maryamas Lieblingsfach ist Mathematik. Sie möchte studieren, um Investigativjournalistin zu werden. Sehen Sie sich das Video unten an, in dem sie uns durch ihren Tag führt.

Wie IRC unterstützt IRC Frauen und Mädchen weltweit? 

IRC arbeitet daran, alle Barrieren für Frauen und Mädchen in Krisengebieten zu beseitigen:

Aktuelle Einblicke zu unserer Arbeit mit Frauen und Mädchen erhalten Sie auf Facebook und Instagram.

*Vollständige Namen oder Nachnamen wurden zum Schutz der Mädchen weggelassen.