„Wieso werden Männer immer noch ernster genommen als Frauen? Sie sind doch gleichberechtigt, oder?"
Najib Faizi – Drag Queen, Pflegefachmann, Geflüchteter.
Najib Faizi – Drag Queen, Pflegefachmann, Geflüchteter.
Najib Faizi war der erste Mann aus Afghanistan, der sich öffentlich als Drag Queen bekannt hat: „Ich bin ein Mann. Ich mag es mich zu schminken und Frauenkleidung anzuziehen.” Heute setzt er sich für Gleichberechtigung und die Rechte der LGBTQIA+ Community ein - in Deutschland und Afghanistan. Im Gespräch erzählt er, was ihn bewegt und motiviert, wieso er sich für andere stark macht und was wir voneinander lernen können.
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Najib lebt heute in Hamburg. 2012 ist er mit seiner Schwester aus Afghanistan geflohen. Über ein Jahr war er auf der Flucht, bis er endlich in Sicherheit, in Deutschland, ankam. Auch acht Jahre später plagen ihn Albträume seiner schrecklichen Erlebnisse: „Ich habe ein Jahr gebraucht, war in Therapie, bis ich mich gefunden habe. Ich wünsche mir niemals, dass Flüchtlinge diese Erlebnisse erleben, diese Erfahrungen machen.“ Und trotzdem ist Najib heute glücklich, fühlt sich „irgendwie reich“. „Ich habe es endlich geschafft. Und ich habe jetzt viele, viele Freunde – viele, die mich unterstützen und akzeptieren.“
Najib hat seinen Haupt- und Realschulabschluss gemacht, ist absolvierter Gesundheits- und Pflegeassistent und befindet sich jetzt in der Ausbildung zum Pflegefachmann. Mit seiner weltoffenen und neugierigen Art, mit Empathie und Geduld macht er online in mehreren Sprachen auch anderen der LGBTQIA+ Community Mut.
Zum Beispiel mit weniger Geld ein gutes Leben zu führen. Ich bin in der Ausbildung und mit meinem Ausbildungsgeld zahle ich meine Miete, Kleidung, Lebensmittel usw. und ich bin sehr glücklich, ich fühle mich irgendwie reich. Bei Beziehungen, wie man miteinander in einer Beziehung umgehen sollte, oder z.B. ohne Alkohol, ohne Rauchen, ohne Drogen, wie man dann trotzdem eine gute Party haben und glücklich sein kann. Schminken lernen, Designen lernen, Tanzen lernen – meine Mitmenschen können vieles von mir lernen.
Ich war geschockt, enttäuscht, dass auch in Deutschland LGBTQ immer noch nicht akzeptiert ist. Sie werden jeden Tag in der Bahn, im Bus, in der Schule, auf der Arbeit gemobbt, diskriminiert. Männer werden ernster genommen als Frauen, Männer verdienen deutlich mehr Geld als Frauen. Männer dürfen im Schwimmbad, auf Social Media oberkörperfrei schwimmen, Bilder und Videos machen und veröffentlichen. Aber Frauen dürfen das nicht, warum? Frauen und Männer sind doch gleichberechtigt, oder?
Flüchtlinge müssen so viel kämpfen, um einen Platz hier in der Gesellschaft, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Sie müssen Anträge schicken, aber sie können nicht einfach die Anträge ausfüllen. Sie wissen überhaupt nicht, welche Hilfe, welche Unterstützung sie bekommen können. Sie haben niemanden. In Deutschland müssen Flüchtlinge so lange warten, bis sie ihren Aufenthalt bekommen, sonst dürfen sie keinen Deutschkurs bekommen oder arbeiten. Das muss geändert werden!
Unser Forderungskatalog für die Bundestagswahl.
Noch eine Sache: LGBTQ wurden von ihren eigenen Eltern herausgeschmissen. Sie kriegen keine Jobs, sie dürfen keine Wohnung mieten. Woher sollen die Geld bekommen? Nirgendwo. Sie kriegen keine Unterstützung in Afghanistan. Die Gesellschaft akzeptiert sie nicht, der Staat akzeptiert sie nicht. Jetzt kommen die Taliban nach Afghanistan, die akzeptieren sie überhaupt nicht. Es gibt viele Transen in Afghanistan. Sie können sich nicht verstecken. Deutschland hat 10.000 Menschen nach Afghanistan gebracht, aber das Thema LGBTQ wird gar nicht ernst genommen. Niemand akzeptiert sie.
Wenn ich Macht hätte, irgendwie Geld hätte, dann hätte ich eine Organisation für LGBTQ in Afghanistan oder in den Nachbarländern organisiert, damit die LGBTQ Hilfe bekommen. Die meisten LGBTQ in Afghanistan haben HIV. Sie haben keine Medikation in Afghanistan. Die sind doch auch Menschen, oder? Das sind doch auch so kleine zwölfjährige Jungen oder Mädchen. Warum wird dieses Thema nicht ernst genommen? Das finde ich sehr schade.
Am 26. September ist Bundestagswahl. Wir müssen richtungsweisende Entscheidungen treffen, um einen neuen Weg für die Zukunft einzuschlagen. Zusammen mit Geflüchteten und Migrant*innen haben wir uns die Gesellschaft von morgen ausgemalt. Wir haben ihre Stimmen eingefangen zu Themen wie Gleichberechtigung, Klimagerechtigkeit oder Menschenrechten – ihre #StimmeFürDieZukunft. In Zeiten von Krisen und Konflikten, Klimakatastrophen und Pandemien brauchen wir mutige und starke Stimmen, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen.
Mit der Kampagne #StimmeFürDieZukunft setzen wir uns bei IRC Deutschland – wie auch an jedem anderen Tag – dafür ein, dass die Stimmen von Geflüchteten und Migrant*innen in Deutschland und von Menschen in Krisengebieten gehört werden. So können wir diese Welt verändern – gerade jetzt zur #Bundestagswahl.