Tausende Menschen sind vergangene Woche auf der Insel Lampedusa angekommen. International Rescue Committee (IRC) betont die Notwendigkeit eines humanen, nachhaltigen und planbaren EU-Ansatzes für Asyl und Migration.  

Nach Angaben der italienischen Behörden kamen letzte Woche fast 8.500 Geflüchtete und Geflüchtete auf der italienischen Insel Lampedusa an. Die große Mehrheit der Menschen kommt aus Tunesien, wo die Situation für Menschen auf der Flucht immer gefährlicher wird. Insbesondere Menschen aus Subsahara-Afrika sind vermehrt Hassrede und rassistischer Gewalt ausgesetzt. 

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums haben in diesem Jahr bisher mehr als 127.000 Geflüchtete Italien über das Mittelmeer erreicht – fast doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres, jedoch weniger als im Jahr 2016, als insgesamt 180.000 Menschen auf diesem Weg ankamen.

Bei einem Besuch auf der Insel am vergangenen Wochenende hat Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, einen neuen „10-Punkte-Plan für Lampedusa“ vorgestellt. IRC ist vor allem schockiert über den unverhältnismäßig starken Fokus auf Abkommen mit Drittländern wie Tunesien und andere Bemühungen, Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen. Stattdessen sollte es eigentlich darum gehen, schutzbedürftigen Menschen den sicheren Zugang zu Asyl zu ermöglichen.

Die deutsche Bundesregierung weigert sich derzeit, von dem freiwilligen Solidaritätsmechanismus, in dessen Rahmen Deutschland Geflüchtete aus Italien für die Durchführung eines Asylverfahrens aufnehmen könnte, Gebrauch zu machen. Denn Italien nimmt derzeit umgekehrt keine Asylsuchenden zurück, für die das Land laut der Dublin-Verordnung eigentlich zuständig wäre.  

Dublin, eine Verordnung, die bewirkt, dass die Verantwortung über Aufnahme und Asylverfahren vor allem bei den EU-Außengrenzen liegt, die damit massiv überlastet werden, ist gescheitert. Dass außerdem gerade auf EU-Ebene über die gemeinsame EU-Asylpolitik verhandelt wird, in der genau dieser Punkt der Verteilung von Schutzsuchenden der umkämpfste ist, sollte Anlass genug für die Bundesregierung sein, um hier mit gutem Beispiel voran zu gehen und vom Solidaritätsmechanismus Gebrauch zu machen. 

Imogen Sudbery, IRC-Senior Direktorin für Advocacy in Europa, sagt: 

„Mauern und andere Hindernisse werden Menschen nicht davon abhalten, auf der Suche nach Sicherheit sogar ihr Leben zu riskieren. Auch wenn die Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern zum Thema Migration wichtig ist, ist es keine Option, Europas Nachbarländer zu Gate-Keepern zu machen – das wird Menschen lediglich in die Hände von Menschenhändler*innen und somit auf noch gefährlichere Routen treiben. 

Die Lösung liegt stattdessen in einem weitreichenden System, das auf Solidarität und geteilter Verantwortung beruht, und besonders darauf abzielt, Menschen aus den Staaten an den europäischen Außengrenzen auf andere Länder zu verteilen und sichere Zugangswege zu Asyl zu schaffen. Wie im Lampedusa-Plan dargelegt, ist der „Freiwillige Solidaritätsmechanismus“ ein wichtiges Instrument, um Neuankommende aus den südlichsten Staaten Europas, einschließlich Italien, auf andere Länder zu verteilen. Doch trotz der Verpflichtung bis Juni 2023 mehr als 8.000 schutzbedürftige Menschen aus diesen Ländern zu resettlen, wurden zusammengenommen nur 1.890 Menschen auf 13 Ländern verteilt. Das ist keine Kapazitätsfrage, sondern mangelnder politischer Wille. 

Es ist drei Jahre her, dass der EU-Pakt zu Migration und Asyl vorgestellt wurde. Zum Ende der Verhandlungen ist es wichtig, sich auf ein nachhaltiges, humanes und weitreichendes System zu konzentrieren und nicht auf kurzfristige Lösungen, die Menschen um jeden Preis davon abhalten sollen, Europa zu erreichen. Wenn die EU-Staaten finanzielle Beiträge leisten dürfen, anstatt Menschen aufzunehmen, müssen diese Mittel in verbesserte Asylsysteme und besseren Zugang zu Schutz fließen, und nicht etwa in mehr Grenzschutz, Stacheldraht oder gar die Umsetzung von Seeblockaden, die ohnehin mehr schaden als nutzen würden. Die EU muss nicht nur das Grundrecht aller Menschen auf Asyl wahren, sondern auch dringend sichere Routen ausbauen. Sollte das nicht gelingen, werden sich Menschen weiterhin auf der Suche nach Schutz auf gefährliche Routen begeben und dabei auf dem Meer ihr Leben riskieren.“ 

Corina Pfitzner, Leitung IRC Deutschland, kommentiert:  

„Dass die EU seit Jahren nicht in der Lage ist, eine gemeinsame europäische Lösung im Umgang mit Schutzsuchenden zu finden, darf nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgefochten werden. Dass Menschen fliehen, ist eine Realität, mit der umgegangen werden muss. Die Antwort auf steigende Ankunftszahlen darf nicht mehr Grenzschutz, sondern muss das Schaffen von mehr Aufnahmekapazitäten bedeuten.  

Es ist Auftrag der EU und nicht zuletzt der deutschen Bundesregierung, allen Schutzsuchenden eine menschenwürdige Aufnahme und ein faires und vollumfängliches Asylverfahren zu gewähren – unabhängig von politischem Gerangel zwischen den Mitgliedstaaten.  

Deutschland muss und kann hier als Vorreiter hervorgehen und Schutzsuchende aus Lampedusa aufnehmen.“