Berlin, 3. Dezember 2018 — Als gemeinnützige Organisationen, die deutschlandweit mit geflüchteten Jugendlichen, Lehrkräften und Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten, steht das uneingeschränkte Recht auf Bildung in Zentrum unseres Wirkens. Durch die Förderung ihrer Kompetenzen können diese jungen Menschen ihr Potenzial entfalten und eigenverantwortlich an der Gesellschaft teilhaben. Dafür engagieren wir uns jeden Tag.
Unsere Erfahrungen in der Praxis zeigen aber deutlich, dass viele junge Geflüchtete in Deutschland durch Zukunftsängste, unsichere Aufenthaltsoptionen sowie fehlende Wahl- und Fördermöglichkeiten in der Wahrnehmung dieses Rechts eingeschränkt werden.
Wir möchten daher auf Risiken hinweisen, die wir im vorliegenden Referentenentwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz (Stand 26.11.2018) sehen:
Bildung braucht Sicherheit
- § 60b AufenthG sieht weiterhin eine Ausbildungsduldung vor. Wir begrüßen, dass jungen Menschen der Aufenthalt zum Zweck der Berufsausbildung ermöglicht wird. Eine Duldung ist aber keine Aufenthaltserlaubnis und bringt somit vielseitige Unsicherheiten und Risiken mit sich, die sich in Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben tagtäglich darstellen. Die neue Frist zur Identitätsklärung innerhalb der ersten sechs Monate nach der Einreise (§ 60b Absatz 2 Satz 3 AufenthG) verschärft diese Belastung zusätzlich.
- Um das Recht auf Bildung unabhängig vom Aufenthaltsstatus zu wahren, sieht § 87 Absatz 1 AufenthG vor, dass Bildungseinrichtungen von aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflichten gegenüber den Ausländerbehörden ausdrücklich ausgenommen sind. Die neu vorgeschlagenen Regelungen für § 60b Absatz 5 AufenthG bzw. § 16 Absatz 2 AufenthG sehen aber eine neue Verpflichtung für Bildungsträger vor, die zuständigen Ausländerbehörden über Abwesenheiten und Abbrüche zu informieren. Um sicherzustellen, dass das Recht auf Bildung unabhängig vom Aufenthaltsstatus wahrgenommen werden kann, sollten Schulen weiterhin vollständig von Mitteilungspflichten ausgenommen werden.
Bildung braucht Optionen
- Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen sowie Studierende profitieren nicht von denselben Regelung wie junge Menschen, die eine Ausbildungsduldung erhalten. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass junge Geflüchtete – anstatt einen Realschulabschluss, ein Abitur oder ein Studium anzustreben – die Schule abbrechen und eine Ausbildung beginnen. Dadurch entgehen ihnen nicht nur Möglichkeiten, ihr Potenzial auszuschöpfen. Viele wechseln dadurch auch zu früh in die Berufsausbildung und können dann den dort gestellten Ansprüchen nicht standhalten, was wiederum zu zahlreichen Abbrüchen führt. Um dies zu vermeiden, sollten Schülerinnen und Schüler sowie Studierende dieselbe aufenthaltsrechtliche Sicherheit haben wie Auszubildende.
Bildung braucht Förderung
- Vielen jungen Geflüchteten mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder fehlender „Bleibeperspektive“ bleibt der Zugang zu BAföG-Leistungen, Ausbildungsbeihilfen und sprachfördernden Maßnahmen verwehrt. Dies erschwert die Chancen auf einen erfolgreichen Bildungsabschluss.
- § 60b Absatz 1 Satz 1 lit. b AufenthG sieht nun auch die Aufnahme einer Assistenz- oder Helferausbildung vor. Dies ist eine sinnvolle Erweiterung der bestehenden Regelung, da für viele jungen Menschen der Übergang in das Ausbildungssystem durch einen einjährigen Ausbildungsgang erleichtert wird. Die Einschränkung, dass dafür bereits eine Zusage für eine anschließende Ausbildung vorliegen muss, ist aber in der Praxis selten umsetzbar und schließt viele jungen Menschen wieder von dieser Regelung aus.
Diese Position unterzeichnen zum 03.12.2018 die folgenden Organisationen:
- BildungsCent e.V.
- Bundesverband Innovative Bildungsprogramme e.V.
- International Rescue Committee (IRC) Deutschland gGmbH
- Kiron Open Higher Education gGmbH
- Seniorpartner in School Bundesverband e.V.
- START-Stiftung gGmbH
- Teach First Deutschland gGmbH