Berlin, 24. Juni 2020 — Die Zahl der Geflüchteten, die aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit die Voraussetzungen für die Teilnahme an einem Resettlement-Programm erfüllen, hat mit 1,45 Millionen ein Allzeithoch erreicht. Doch während der Bedarf gestiegen ist, hat das internationale Engagement von Staaten zur Unterstützung dieser humanitären Aufnahmeprogramme erheblich abgenommen: Im Vergleich zu 2016 (bisheriger Höchststand) konnten nur 64.000 und damit nur halb so viele Menschen von den zuständigen UN-Organisationen UNHCR und IOM in sichere Drittstaaten gebracht werden.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie, insbesondere die Einschränkung von Überseereisen, hat die Neuansiedlung von mindestens 10.000 Geflüchteten gestoppt. Damit internationale humanitäre Hilfsorganisationen (INGOs) diese Menschen weiterhin unterstützen können, zum Beispiel indem sie Zugang zu einer medizinischen Versorgung sowie wichtigen Gesundheitsinformationen erhalten, ruft International Rescue Committee (IRC) Regierungen und Geber dazu auf, ihre Unterstützung für Resettlement-Agenturen und INGOs weiterhin aufrechtzuerhalten.
Im Zuge der Wiederaufnahme der Resettlement-Programme durch UNHCR und IOM fordert IRC, dass die teilnehmenden Länder ihre bisherigen Zusagen einhalten und insbesondere die Geflüchteten einreisen lassen, die ihre Aufnahmebestätigung schon vor der COVID-19-Pandemie erhalten haben.
Dazu David Miliband, Präsident und CEO von International Rescue Committee (IRC):
„Die Zahlen sind ernüchternd und erinnern uns daran, wie groß der Bedarf für humanitäre Aufnahmeprogramme infolge von Konflikten und Krisen auf der ganzen Welt ist. Nur sehr wenige der Geflüchteten (4.4% in 2019), darunter Überlebende von Folter und Gewalt, Familien sowie schutzbedürftige Frauen und Mädchen, haben die Möglichkeit ihr Leben in einem neuen und sicheren Land wieder neu aufzubauen. Für sie sind Resettlement-Programme überlebenswichtig. Die COVID-19-Pandemie darf nicht zu einer langfristigen Einschränkung oder Reduzierung führen.”
IRC begrüßt, dass die Europäische Union ihre Selbstverpflichtung, Geflüchtete dauerhaft aufzunehmen, in den letzten fünf Jahren erhöht hat. Pro Jahr können 25.000 schutzbedürftige Menschen aufgenommen werden. Von 2017 bis 2019 wurden 92 Prozent tatsächlich neuangesiedelt. Die EU kann, so IRC, bis 2025 bei gleichbleibender Verpflichtung mindestens weitere 250.000 Geflüchtete aufnehmen. Ein besonders gutes Zeichen wäre die Umsetzung der zugesagten Aufnahme von 30.000 Menschen bis Ende 2020. Hier könnte die EU zeigen, dass sie im globalen Kontext und vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum EU-Pakt für Migration und Asyl Verantwortung übernehmen kann.
Auch Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu einer zentralen Figur bei der Umsetzung von Resettlement-Programmen innerhalb der EU entwickelt. Bei der nationalen Ausführung wird besonders auf eine enge Verknüpfung mit zivilgesellschaftlichen Strukturen gesetzt. Doch die Aufnahmezusagen für 2020 wurden bislang nicht umgesetzt: In diesem Jahr sollten 5.500 Geflüchtete aufgenommen werden – bislang konnte nur ein Fünftel von ihnen tatsächlich einreisen. IRC erwartet jedoch, dass Deutschland während seiner EU-Ratspräsidentschaft ab dem 01. Juli 2020 mit gutem Beispiel vorangehen und den humanitären Geist der Resettlement-Programme wieder bekräftigen kann.