Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

mit großem Interesse haben wir, im Verbund von acht Zivilgesellschaftsorganisationen, Ihre Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen verfolgt. Wir begrüßen, dass Sie sich nachdrücklich für Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit ausgesprochen haben. Dies ist wichtiger denn je, weil sich globale Krisen verschärfen. Temperaturen steigen rasant, immer mehr Menschen erleben Hunger und Armut, wirtschaftliche Schocks verstärken soziale Ungleichheiten. Parallel vertiefen sich die politischen Gräben auf der Weltbühne.

Ihre Rede spiegelt das Verantwortungsbewusstsein und die Führungskraft wider, die Deutschland als zweitgrößter humanitärer und entwicklungspolitischer Geber in der globalen Krisenbewältigung auszeichnen. Diese Selbstverpflichtung ist die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vor knapp zwei Jahren eingegangen, indem sie sich verpflichtet hat, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungsleistungen aufzuwenden.

Mit großer Sorge verfolgen wir die Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 und die Finanzplanung der Bundesregierung für die kommenden Jahre im Hinblick auf die relevanten Ausgaben für Official Development Assistance (ODA). Die geplanten Kürzungen in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro in den Haushaltsplänen für das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bedrohen viele Menschenleben. Sie werden Deutschland daran hindern, die Lebensbedingungen hunderttausender Menschen zu verbessern, Armut, Hunger und Ungleichheit zu bewältigen, Frieden und Stabilität zu schaffen und den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken. Die Kürzungen haben auch Auswirkungen auf die Einflussnahme der Bundesregierung auf internationale Debatten und Entscheidungsprozesse. Sie sind ein Bruch mit Deutschlands Rolle als verlässlicher Partner der internationalen Zusammenarbeit. Denn wenn das weltweit zweitgrößte Geberland seine Budgets für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit kürzt, besteht die Gefahr, dass andere Geberländer diesem negativen Beispiel folgen.

Ihr Appell für die Aufrechterhaltung von Multilateralismus und eine regelbasierte Weltordnung bringt die Verantwortung mit sich, sich gleichzeitig für diese Systeme einzusetzen – politisch,diplomatisch sowie finanziell. Neben ihrem sicherheits- und verteidigungspolitischen Engagement muss die Bundesregierung weiterhin auf Soft Power und menschliche Sicherheit setzen. Die Mittel für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind von grundlegender Bedeutung, um Menschen in den ärmsten und am stärksten von Krisen betroffenen Regionen der Welt dringend benötigte Unterstützung zukommen zu lassen. Durch diese finanzielle Unterstützung teilt die Bundesregierung außerdem ihre Solidarität und Werte und unterstreicht die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands, gerade in einer Zeit wo “der Westen” in vielen Regionen der Welt ambivalent wahrgenommen wird.

Um dieser Rolle gerecht zu werden und die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030 zu erreichen, müssen die finanziellen Mittel für Official Development Assistance (ODA) im Bundeshaushalt aufrechterhalten werden. Im Kontext einer koordinierten und gemeinsamen Anstrengung auf internationaler Ebene muss Deutschland weiterhin Verantwortung übernehmen und als verlässlicher Partner agieren. Wir fordern Sie auf, Ihr Versprechen für eine strategische und langfristige Finanzierung des humanitären Systems und für nachhaltige Entwicklung einzuhalten und, angesichts der globalen Herausforderungen, keine Kürzungen im Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der ODA-relevanten Ausgaben des Auswärtigen Amtes vorzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Corina Pfitzner, Leitung International Rescue Committee (IRC) Deutschland gGmbH

 

Weitere Unterschriften

Friederike Röder, Vizepräsidentin für Global Policy, Global Citizen

Mathias Mogge, Generalsekretär und Vorstandsvorsitzender, Deutsche Welthungerhilfe e.V.

Florian Westphal, Vorstandsvorsitzender Save the Children Deutschland e.V. 

Stephan Exo – Kreischer, Direktor ONE Deutschland

Kerstin Blum, Geschäftsführerin, Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen

Jan Kreutzberg, Geschäftsführer, Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW)

Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende, Oxfam Deutschland e.V.

 

Mehr Informationen finden Sie auf der Kampagnenseite von #LuftNachOben.