Berlin, 29. September 2020 — Ein zum Abschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen von International Rescue Committee (IRC) veröffentlichter neuer Bericht zeigt auf, wie das Fehlen einer globalen Führung, eine unzureichende Finanzierung und mangelnde Koordination zwischen den Ländern die Herausforderungen für Menschen in Konfliktsituationen während der COVID-19-Pandemie weiter verschärft hat.
In dem Bericht vergleichen Experten der Economist Intelligence Unit die derzeitige Pandemie mit früheren globalen Krisen. Dabei wurden grundlegende Mängel im multilateralen System festgestellt, insbesondere das Fehlen eines koordinierten globalen Ansatzes für die Eindämmung von COVID-19, u.a. in Bezug auf den Informationsaustausch, die Nachrichtenübermittlung im Bereich der öffentlichen Gesundheit, das Lieferkettenmanagement und den Zugang zu humanitärer Hilfe sowie eine mangelnde Finanzierung.
- Erfolgte Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 hatten besonders drastische Auswirkungen für diejenigen, die bereits von anderen Krisen betroffen sind, z.B. Krieg, Vertreibung und Nahrungsmittelknappheit. So wurden innerhalb der ersten Monate nach dem Lockdown wurden 15 Millionen Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt gemeldet. Es wird damit gerechnet, dass weitere 70 bis 100 Millionen Menschen in extreme Armut gedrängt werden könnten. Zehn der fragilsten Länder der Welt werden wahrscheinlich noch in diesem Jahr oder im ersten Quartal von 2021 mit einer Hungersnot konfrontiert sein.
- Trotz vorhandener internationaler Mechanismen zur Bewältigung globaler Gesundheitsnotlagen sowie ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Auswirkungen haben verschärfte geopolitische Spannungen und Rivalitäten viele Länder dazu veranlasst, das Virus und seine Folgen isoliert voneinander zu bekämpfen. Dauer und Intensität des Ausbruchs hat sich dadurch verlängert. Die politische Instabilität innerhalb vieler G20-Länder ist heute größer als sie es zu Beginn der globalen Finanzkrise oder der Ebola-Krise war.
- Die Finanzierung von humanitären Hilfsmaßnahmen erfolgte nicht nur zu langsam, sondern war bislang auch unzureichend. Weltweit wurden von Regierungen etwa acht Billionen Dollar für inländische Konjunkturpakete bereitgestellt. Zur Unterstützung von Konflikt- und Krisenregionen wurden nur 48 Milliarden Dollar aufgebracht. Bis heute wurden nur etwa 27 Prozent des Globalen Humanitären Hilfsplans finanziert. Zum Vergleich: Während der Ebola-Krise konnten bis zu 64 Prozent der benötigten Mittel in einem ähnlichen Zeitraum eingeworben werden.
IRC-Präsident David Miliband erklärt:
„Die internationale Gemeinschaft hat sowohl eine moralische Verpflichtung als auch einen strategischen Imperativ, die am stärksten gefährdeten Menschen zu unterstützen. Die Verpflichtung 'niemanden zurückzulassen', ist die einzige Möglichkeit, Herausforderungen wie COVID-19 zu bewältigen. Die Pandemie verursacht immensen Schmerz und großes Leid, ist aber auch ein Symptom eines nicht mehr leistungsfähigen multilateralen Systems. Es ist an der Zeit, den Mangel an globaler politischer Führung anzuprangern und vor den Folgen zu warnen. Grenzen sind kein Schutz vor Pandemien, wirtschaftlicher Rezession oder Klimawandel. Die Lösungen für globale Probleme liegen in einem erneuerten und reformierten multilateralen System, nicht in einem schwächeren.“
Ein kollektives und koordiniertes Vorgehen von Regierungschefs, politischen Entscheidungsträgern und humanitären Akteuren ist unerlässlich. Vor allem mit der Entwicklung eines Impfstoffs muss sichergestellt werden, dass besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen prioritär versorgt werden.