An diesem Weltflüchtlingstag macht International Rescue Committee (IRC) auf die historischen Zahlen der globalen Vertreibung aufmerksam: 120 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt und ist seit letztem Jahr um zehn Millionen gestiegen. 

Die Klimakrise, Konflikte und zunehmend auch Armut überschneiden sich mit alarmierender Intensität und betreffen das Leben von Millionen von Menschen. Ende 2023 lebten 75 Prozent der Vertriebenen weltweit in Ländern, die stark von klimabedingten Risiken bedroht sind. Fast die Hälfte der weltweit Vertriebenen lebt in Ländern, die sowohl von Konflikten als auch von der Klimakrise betroffen sind, z. B. in Sudan, der Demokratischen Republik Kongo und in Syrien. Zivilist*innen sind zunehmend von den Auswirkungen dieser langwierigen Krisen betroffen. Zeitgleich sinkt der Zugang zu und die Finanzierung für humanitäre Hilfe auf einen historischen Tiefstand. 

Es mangelt an Unterstützung, beispielsweise durch humanitäre Hilfe, Klimaanpassung, diplomatischen Austausch und Resettlement-Kapazitäten. Dieser Mangel an internationaler Unterstützung für krisenbetroffene Staaten und ihre Nachbarländer führt zu weiterer Ungerechtigkeit und menschlichem Leid.

David Miliband, Präsident und CEO von International Rescue Committee, sagt:

,,Dieser Weltflüchtlingstag markiert nicht nur eine historische Zahl von Menschen in Not. Er führt uns auch weiterhin die Notwendigkeit vor Augen, humanitäre Hilfe für Menschen in Krisenkontexten weltweit zu leisten. Unschuldige Zivilist*innen sind von Konflikten und Katastrophen betroffen und brauchen Unterstützung, nicht Dämonisierung. 120 Millionen Vertriebene sind 120 Millionen Einzelschicksale – und 120 Millionen dringende Gründe zum Handeln.

Die weltweite Vertreibungskrise ist auch eine Krise der Kinder. Während Kinder 30 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, stellen sie 40 Prozent der gewaltsam Vertriebenen weltweit dar. Die Vertreibungskrise ist auch eine Klimakrise. 26 Millionen Menschen wurden allein innerhalb ihrer Heimatländer durch klimabedingte Krisen vertrieben. Und sie ist auch eine Krise der Gerechtigkeit: 75 Prozent der weltweit Vertriebenen werden nicht in westlichen Ländern, sondern in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen. 

Zudem ist die weltweite Vertreibungskrise auch eine Krise der Rechtsstaatlichkeit. Die internationale Gemeinschaft versagt zunehmend darin, Frieden und Sicherheit aufrechtzuerhalten. Stattdessen nehmen Grausamkeit und Straflosigkeit in Konflikten zu. So ist die Zahl an Zivilist*innen, die jährlich zur Flucht gezwungen werden, doppelt so hoch wie im Durchschnitt der letzten 25 Jahre. 

Die weltweite Vertreibungskrise ist zuletzt auch eine Krise der Verantwortung. Wir stehen vor einer historischen Lücke von 37 Milliarden Euro in der Finanzierung humanitärer Hilfe. Das ist ein Zeugnis davon, dass Regierungen sich von der Weltbühne zurückziehen.

Diese Zahlen sollten den privaten Sektor, Nichtregierungsorganisationen, Regierungen und multilaterale Organisationen herausfordern, gemeinsam an neuen Lösungen zu arbeiten. Das bedeutet, Maßnahmen zu entwickeln, die Menschen dabei unterstützen, ihr Leben an die steigenden Temperaturen anzupassen. Es bedeutet, Bildung und Gesundheitsversorgung für Menschen sicherzustellen, die auf der Flucht sind. Es bedeutet Schutz für gefährdete Gruppen, insbesondere für Frauen und Mädchen, die oft einem extremen Maß an Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind. Und all dies erfordert eine verstärkte und wirksame Diplomatie, um Konflikte zu beenden und zu verhindern. 

Diese menschengemachten Probleme müssen gleichermaßen angegangen werden. Das sollte nicht zu viel verlangt sein.”

Corina Pfitzner, Geschäftsführerin IRC Deutschland, kommentiert:

,,Wir sehen, wie die humanitären Bedarfe weiter steigen – 120 Millionen Menschen weltweit sind gegenwärtig zur Flucht gezwungen. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft, Mittel zur Bewältigung dieser Krisen bereitzustellen. Dieses paradoxe Phänomen darf nicht zur Norm werden. 

Wir wissen aus Erfahrung, dass Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und Geschlechterungerechtigkeit Flucht und Vertreibung verschärfen. Diese strukturellen Ursachen müssen vorrangig bekämpft werden. Anstatt jedoch nachhaltig zu finanzieren, plant die Bundesregierung Kürzungen für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit von insgesamt 1,44 Milliarden Euro. 

Es ist wichtig, dass wir uns immer wieder vor Augen führen, dass hinter diesen abstrakten Zahlen die Leben betroffener Personen weltweit stecken. In Niger habe ich gesehen, welchen positiven Unterschied Programmarbeit für Klimaanpassung machen kann und wie wichtig diese Arbeit ist, um weltweite Krisen wie den Klimawandel anzugehen. Nachhaltige humanitäre Hilfe wirkt und verändert das Leben der Menschen vor Ort. Solche Programmarbeit muss ausgebaut, nicht abgebaut werden. 

Als eine leitende Geberregierung im Bereich humanitärer und Entwicklungshilfe steht die Bundesregierung, und stehen wir als Zivilgesellschaft,  in der Verantwortung. Probleme verschwinden nicht, wenn wir wegschauen – Sie nehmen nur weiter zu.”