Mehr als 60 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, Transportmittel und Personal in nur vier Wochen schränken den Zugang zu lebensrettender medizinischer Versorgung in der Ukraine ein.
Es wird erwartet, dass in den nächsten drei Monaten 80.000 Babys ohne Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung zur Welt kommen werden.
Die Erfahrung von IRC zeigt, dass sich Krankheiten wie Cholera ausbreiten und vermeidbare Todesfälle stark ansteigen werden, wenn Menschen eingeschlossen sind und Gesundheits- und Sanitäreinrichtungen angegriffen werden.
Berlin, 25. März 2022 — Die Zivilbevölkerung in der Ukraine steht nach 64 Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen allein im ersten Monat des Konflikts vor einer katastrophalen Gesundheitskrise. Der fehlende Zugang zu sauberem Wasser und wichtiger medizinischer Versorgung sowie die Gefahr eines Anstiegs von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten wie COVID-19 und Polio könnten die anhaltende humanitäre Krise noch erheblich verschärfen.
Mesfin Teklu Tessema, Senior Gesundheitsdirektor bei International Rescue Committee, sagt:
"In der Ukraine sind die Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung bereits im ersten Monat der Eskalation des Konflikts kolossal. Wie wir in anderen Konflikten gesehen haben, werden sich diese Auswirkungen wahrscheinlich noch verschlimmern, wobei gefährdete Menschen den höchsten Preis zahlen werden. In lang andauernden Konflikten ist der Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten oft eingeschränkt und kann sogar gänzlich unmöglich werden. Dadurch können Menschen mit chronischen oder akuten Krankheiten oder Menschen, die durch den Konflikt selbst verletzt wurden, nicht die erforderliche medizinische Versorgung erhalten. Langwierige Konflikte und systematische Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur können dazu führen, dass medizinisches Fachpersonal das Land verlässt. Dadurch wird das System weiter belastet und der Zugang zur Versorgung weiter begrenzt.
Die Auswirkungen des Konflikts in der Ukraine auf die Gesundheit von Müttern und Säuglingen sind bereits deutlich. Seit Beginn des Konflikts wurden in der Ukraine mehr als 4.300 Babys geboren, und in den nächsten drei Monaten werden 80.000 Geburten erwartet. Je weiter das ukrainische Gesundheitssystem zusammenbricht, desto größer wird das Risiko für Mütter und Säuglinge.
Nur eine Woche vor der Eskalation des Konflikts verzeichnete die Ukraine die bisher höchste Zahl von COVID-19-Fällen. Das weniger als 40% der Bevölkerung gegen COVID-19 geimpft sind, gefährdet die Menschen, die in überfüllten Auffanglagern und Bunkern Schutz gesucht haben. In der Ukraine ist außerdem die Kinderlähmung ausgebrochen, und durch die Eskalation des Konflikts wurde eine Impfkampagne in der betroffenen Region unterbrochen. In einigen der am stärksten vom Konflikt betroffenen Gebiete, darunter die zweitgrößte Stadt der Ukraine, Charkiw, liegt die Impfrate gegen Polio unter 50%.
In der Ukraine gibt es auch hohen Raten von HIV/AIDS und Tuberkulose (TB) und Betroffenen können aufgrund des Konflikts schlechter mit ihrer Krankheit umgehen. Auch hat die Eskalation des Konflikts den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten eingeschränkt und die Schließung von Kliniken erzwungen, auf deren Versorgung die Menschen angewiesen sind. IRC ist besorgt über die Ausbreitung dieser und anderer Infektionskrankheiten, da der Konflikt anhält und die Wasser-, Sanitär- und Hygienesysteme weiter beschädigt werden."
Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen sind ein schwerwiegender Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. IRC fordert alle Parteien auf, ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. IRC ruft außerdem dazu auf, den Zugang zur Gesundheitsversorgung in der Ukraine zu schützen, indem die Sicherheit von Gesundheitspersonal und die ungehinderte Anlieferung von medizinischem Material und Ausrüstung gewährleistet werden. Die Staats- und Regierungschef*innen müssen der Unterstützung der gefährdetsten Menschen, einschließlich Frauen, Kindern und älteren Menschen, Vorrang einräumen.
Über Partnerorganisationen in Polen stellt IRC über eine bestehende Hotline Informationsdienste bereit, bietet Rechtsberatung und psychologische Unterstützung an und erleichtert vertriebenen Menschen den Zugang zu Dienstleistungen durch Sozialarbeiter*innen, Dolmetscher*innen und Kulturassistent*innen. Über Partnerorganisation in der Ukraine stellt IRC auch Evakuierungsdienste und lebensnotwendige Mittel für die vertriebenen Menschen bereit, je nach individuellem Bedarf. Dazu können Decken, Schlafsäcke, warme Kleidung oder Bargeld gehören.