Genf, Schweiz, 10. Dezember 2021 — Im Vorfeld des Treffens von Regierungsvertreter*innen am 14. und 15. Dezember, bei dem Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele des UN-Flüchtlingspakts (Global Compact on Refugees) diskutiert werden sollen, warnt International Rescue Committee (IRC) vor gravierenden Mängeln in der Unterstützung für Geflüchtete.
Ein aktueller Bericht von IRC, Danish Refugee Council und Norwegian Refugee Council zeigt, dass in den drei Jahren seit der Verabschiedung des Pakts durch die UN-Generalversammlung kaum Fortschritte erzielt wurden:
- Ungerechte Verantwortungsteilung. Der Pakt fordert eine gerechtere Aufteilung der Verantwortung für die Aufnahme und Unterstützung von Geflüchteten weltweit. Der IRC-Report zeigt, dass mit Bangladesch und Kolumbien zwei der drei untersuchten Aufnahmeländer dem Ansatz des Pakts zur Bewältigung von Flüchtlingssituationen nicht folgen. Auch wurde laut UNHCR nur einer von zehn Geflüchteten von Ländern mit hohem Einkommen aufgenommen.
- Es fehlt an finanziellen Mitteln, um die ehrgeizigen Ziele des Pakts zu verwirklichen. Die UN-Hilfspläne in Bangladesch, Kolumbien und Uganda zur Unterstützung Geflüchteter und Binnenvertriebener beispielsweise sind nach wie vor chronisch unterfinanziert (nur zu 34-44%).
- Die Resettlementzahlen sinken. Die bestehenden Bemühungen um Resettlement waren schon vor der COVID-19-Krise weltweit unzureichend, um den großen Schutzbedarf zu decken. Da die Pandemie die Bewegungsfreiheit weiter einschränkt, ist die Resettlementquote weltweit auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten gesunken.
Die COVID-19-Pandemie verstärkt Benachteiligung von geflüchteten Frauen und Mädchen, wieein Bericht von IRC und dem Georgetown Institute for Women Peace and Security anhand von vier Aspekten zeigt: Erstens, vertriebene Frauen sind einem viel höheren Risiko ausgesetzt, zu Hause Gewalt zu erleiden als Frauen aus der Aufnahmegemeinde. Zweitens, sie sind seltener finanziell abgesichert. Drittens, sie können sich oft weniger frei bewegen. Viertens, von vertriebenen Frauen geführte Haushalte sind häufiger von Armut betroffen als von vertriebenen Männern geführte Haushalte. Die Pandemie hat diese Nachteile noch verstärkt. Doch trotz der wachsenden Bedürfnisse vertriebener Frauen enthält der Fortschrittsbericht zum UN-Flüchtlingspakt nur sehr wenige nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten und keine Indikatoren für die wirtschaftliche Integration.
Farida Bena, Direktorin für Politik und Advocacy bei IRC, sagt: „Die Zeit wird knapp, um den UN-Flüchtlingspakt wieder auf den Weg zu bringen. Dabei hat die Pandemie die Dringlichkeit für Veränderung deutlich aufgezeigt, gerade für Frauen und Mädchen. IRC fordert die internationale Gemeinschaft auf, rasch neue Prioritäten zu setzen und sich der globalen Verantwortung zu stellen, die Resettlementquote zu erhöhen und die Zahl der Aufnahmeländer zu vergrößern. Um die Ziele des Pakts zu erreichen, sind mehr und bessere Finanzmittel von einer Vielzahl von Akteuren erforderlich, einschließlich multilateraler Entwicklungsbanken und nicht allein die Weltbank.
Bei all diesen Bemühungen muss die internationale Gemeinschaft den Verpflichtungen zur Stärkung und zum Schutz vertriebener Frauen und Mädchen Vorrang einräumen. Das bedeutet, dass Verpflichtungen zur Eigenständigkeit, zur finanziellen Eingliederung und zum Schutz vor Gewalt umgesetzt werden müssen und dass bei der Erhebung von Daten über die Umsetzung der Ziele des Pakts die Fortschritte von Frauen ausdrücklich überwacht werden müssen.“
Ralph Achenbach, IRC Deutschland Geschäftsführer, ergänzt: „Wichtiger Handlungsbedarf zum UN-Flüchtlingspakt für die neue deutsche Bundesregierung besteht vor allem in zwei Bereichen: Erstens, klare Schritte gegen die Aushöhlung des Asylrechts an den europäischen Außengrenzen einleiten. Zweitens, die direkte Aufnahme Schutzsuchender deutlich beschleunigen. Die angekündigten 25.000 Plätze für Afghan*innen setzen hier ein richtiges Zeichen, aber dies kann nur ein Anfang sein. Speziell Frauen und Mädchen, oft unverhältnismäßig bedroht, müssen gezielt Teil humanitärer Aufnahmeprogramme sein. Denn nur wenn die Bundesregierung eingegangene Verpflichtungen auch im Inland und in Europa erfüllt, kann sie auch von anderen Regierungen einfordern dem eigenen Beispiel zu folgen.“