• Seit März 2022 leben 800.000 Menschen ohne oder mit nur wenig Zugang zu grundlegender Versorgung und Einrichtungen in den 26 belagerten Städten von Burkina Faso. 

  • 2.2 Millionen Menschen leiden an Hunger – bis September 2023 soll die Zahl auf 3,3 Millionen steigen.

  • In Städten wie Djibo sind die Kapazitäten des lokalen Gesundheitssystems um 83 Prozent reduziert. Schulen und Märkte bleiben aufgrund der unsicheren Lage geschlossen. 

International Rescue Committee (IRC) ruft die internationale Gemeinschaft zu mehr Aufmerksamkeit für die humanitäre Krise in Burkina Faso auf. Dort benötigen derzeit fast 5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, mehr als 800.000 Menschen leben in den 26 belagerten Städten des Landes und haben nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu lebensnotwendiger Grundversorgung. Der diesjährige humanitäre Hilfsplan (Humanitarian Response Plan, HRP) für Burkina Faso ist stark unterfinanziert. Die Fördermittel für Lebensmittel betragen weniger als 25 Prozent der Gesamtsumme, die eigentlich benötigt wird, um die Bedürfnisse der von extremem Hunger betroffenen Menschen zu decken. IRC ruft internationale Entscheidungsträger*innen und Geber dazu auf, den humanitären Hilfsplan für Burkina Faso vollständig zu finanzieren, um die Menschen zu erreichen, die am dringendsten auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. 

Burkina Faso erlebt eine noch nie dagewesene Nahrungsmittelkrise. IRC warnt davor, dass die Zahl der hungernden Menschen im Land in den nächsten zwei Monaten um 50 Prozent steigen könnte, wenn nicht sofort etwas unternommen wird. Rund 2.2 Millionen Menschen in Burkina Faso leiden derzeit an Hunger – bis September 2023 soll die Zahl auf 3,3 Millionen steigen. Darunter sind fast 650.000 Menschen von extremem Hunger betroffen, was bedeutet, dass das Leben einiger von ihnen aufgrund von Nahrungsmangel bereits bedroht ist (IPC Phase 5).  

Die Zahl der Gesundheitseinrichtungen in Burkino Faso, die aufgrund der unsicheren Lage geschlossen bleiben, steigt weiter an: Während im August 2021 noch 183 Einrichtungen geschlossen waren, sind es im August 2022 bereits 195 Einrichtungen. Der Bevölkerung wird dadurch grundlegende Gesundheitsversorgung vorenthalten und der Zugang zu Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahmen von Unterernährung bleibt eingeschränkt. Schätzungsweise 400.000 Kinder unter fünf Jahren im Land werden im Laufe des Jahres 2023 an akuter Unterernährung leiden. Diese Krise wirkt sich auch negativ auf die Bildung in Burkina Faso aus. Aufgrund des Konflikts und der unsicheren Lage sind insgesamt über 6.000 Schulen geschlossen. 

Die Sahelregion ist in extremem Maße betroffen von der unsicheren Lage und es gibt dort kaum Zugang zu den Märkten. Mehrere Städte, wie z.B. Djibo in Burkina Faso, sind auf dem Landweg nicht erreichbar oder werden belagert, sodass die Menschen vor Ort keinen Zugang zu Lebensmitteln und anderer Grundversorgung erhalten. Der Cadre harmonisé (ein einheitliches Instrument zur Analyse der akuten Nahrungsmittel- und Ernährungsunsicherheit in der Sahelzone und in Westafrika) zeigt, dass zum ersten Mal seit Beginn der Datenerhebung fast 40.000 Menschen in der Sahelregion von extremem Hunger betroffen sind. In Djibo, ist die Bevölkerung stark von der landwirtschaftlichen Produktivität abhängig. Der Zugang zu Ackerland ist jedoch stark eingeschränkt, was dazu führte, dass die Nahrungsmittelproduktion zwischen 2019 und 2021 um 65 Prozent zurückgegangen ist. Die Bemühungen der burkinischen Behörden und humanitären Organisationen um Nahrungsmittelhilfe sind nach wie vor unzureichend und es müssen dringend nachhaltigere und kosteneffizientere Lösungen gefunden werden. In Djibo gibt es zudem 83 Prozent weniger geöffnete Gesundheitszentren. Trotz der allgemein wahrgenommenen Stabilität hat die Unsicherheit im Norden des Landes weiterhin negative Auswirkungen auf den internen Getreidehandel, was zu einem Rückgang der Versorgung in verschiedenen Orten der drei nördlichsten Regionen des Landes führt. 

Modou Diaw, IRC-Vizepräsident für Westafrika, erklärt:  

„Ich bin vor kurzem aus Burkina Faso zurückgekehrt und habe den Ernst der humanitären Lage aus erster Hand erfahren. Mehrere Städte, darunter Djibo, sind besetzt, sodass Familien nicht einmal Zugang zur Grundversorgung haben. Trotz der Bemühungen verschiedener Akteure, Lebensmittel in die Stadt zu bringen, ist Djibo, einst eine berühmte Marktstadt in der Region, heute fast eine Geisterstadt. Mehr als 200.000 Binnenvertriebene haben dort Zuflucht gesucht, während ein Lebensmittelangebot praktisch nicht vorhanden ist. Über 70 Prozent der Geschäfte sind geschlossen. Es sind kaum Ziegen oder Schafe zu sehen. Die Ernährungsunsicherheit der Bevölkerung ist unerträglich und erfordert sofortiges Handeln seitens aller Akteure, die in der Lage sind, etwas für diese Menschen zu bewirken, die dringend Zugang zu Nahrungsmitteln benötigen. 

Ich traf eine Mutter, die mir ihren 19 Monate alten kleinen Jungen Leonardine vorstellte. Das Leben dieses Jungen ist ein wahres Wunder. Er wurde im Januar 2022 in Djibo geboren und wog nur 900 Gramm. Mit der zunehmenden Ernährungsunsicherheit und der schweren Unterernährung werden untergewichtige Neugeborene immer häufiger. Seine Überlebenschancen waren extrem gering und doch ist er heute hier bei uns – dank der Ärzt*innen in Djibo und dank der Inkubatoren, die IRC bereitstellen konnte. 

Die Menschen aus Djibo nutzen jede Gelegenheit, die Stadt zu verlassen. Einige nutzen die Ankunft von Militärkonvois aus und verstecken sich auf dem Weg zurück nach Ouaga in den Konvois. Eine der wichtigsten Partnerorganisationen von IRC in Djibo konnte 1.000 in der Stadt verbliebene Haushalte direkt unterstützen. Im März 2023 stellten wir fest, dass 300 dieser Haushalte inzwischen nach Ouagadougou umgezogen waren und dort weiterhin Unterstützung erhalten, während fast 500 noch in Djibo verbleiben. Das Problem, die vertriebenen Menschen nicht ausfindig machen zu können, macht es noch schwieriger, das Ausmaß der Krise zu fassen und Zugang zu den Menschen zu bekommen. 

Die humanitäre Gemeinschaft muss sich verstärkt bemühen, mit allen Akteuren zusammenzuarbeiten, um Zugang zu den Menschen in den belagerten Städten in Burkina Faso zu erhalten. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der humanitären Hilfsplan vollständig finanziert wird, und vor allem Lebensmittel und medizinische Aufklärung bereitstellt, um die Ursachen der Ernährungsunsicherheit zu bewältigen und zu verhindern, dass sich die Zahl der hungernden Menschen noch in diesem Jahr verdoppelt. 

Neben einer drastischen Aufstockung der Ressourcen, die zur Bewältigung dieser Krise benötigt werden, müssen die einzelnen Maßnahmen erprobt sein und sich auf die besonderen Herausforderungen konzentrieren. Zum Beispiel muss die Behandlung von akuter Unterernährung vereinfacht werden, um sicherzustellen, dass die begrenzten Ressourcen optimal eingesetzt werden und so mehr Menschen unterstützt werden können. Das vereinfachte Behandlungsprotokoll von IRC hat gezeigt, dass sich mehr als 90 Prozent der damit behandelten Personen erholen, obwohl es mit etwa 40 Prozent weniger Behandlungsmittel als das Standardprotokoll auskommt. Diese Art von wirkungsvollem, skalierbarem und kosteneffizientem Ansatz wird entscheidend sein, um eine bedeutsame Antwort auf die eskalierende Krise in Burkina Faso geben zu können.“ 

IRC IN BURKINA FASO 

International Rescue Committee (IRC) arbeitet seit 2019 in Burkina Faso. Die Arbeit begann in Djibo, wo eine große Zahl von Binnenvertriebenen leben und das derzeit von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen belagert wird. Das behindert den Zugang für humanitäre Hilfe enorm. IRC schafft dort sicheren Zugang zu Wasser und Sanitäreinrichtungen. IRC hat außerdem ein Programm für die medizinische Grundversorgung eingerichtet. Dazu gehören die reproduktive Gesundheit sowie gemeindebasierte Maßnahmen für Kinderkrankheiten, Unterernährung und Krankheitsvorbeugung.