5. Juli 2024 — In Aufnahmeländern des Nahen Ostens leben syrische Geflüchtete weiterhin in einem Zustand der Unsicherheit. Es wird zunehmender schwieriger, grundlegende Bedarfe zu decken. Diese Woche wurden die Ergebnisse einer jährlichen Umfrage* des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR veröffentlicht. Diese zeigen, dass syrische Geflüchtete in den Nachbarländern mit immer stärkeren Einschränkungen konfrontiert sind. Ihr Zugang zu Hilfsleistungen und Einkommensmöglichkeiten wird schwieriger. Sozialen Spannungen in aufnehmenden Gemeinden steigen.
Die Ergebnisse der UNHCR-Umfrage** zeigen:
- Weniger als zwei Prozent der syrischen Geflüchteten gaben an, in den nächsten zwölf Monaten nach Syrien zurückkehren zu wollen. Der Hauptgrund ist fehlende Sicherheit und Schutz.
- Mehr als ein Drittel der syrischen Geflüchteten hofft jedoch, innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Syrien zurückkehren zu können. Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, eines Tages zurückzukehren.
- Der Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten zur Sicherung ihres Lebensunterhalts sowie der fehlende Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen in Syrien sind zwei der drei wichtigsten Gründe, weshalb Befragte in den nächsten zwölf Monaten nicht zurückkehren wollen.
- In Aufnahmeländern sind mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten nach wie vor die größte Herausforderung im Alltag von Geflüchteten. Immer mehr Geflüchtete sind von Armut betroffen. Neun von zehn Menschen geben an, dass ihr Einkommen nicht mehr ausreicht, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
- Zum ersten Mal nannten Geflüchtete auch sozialen Spannungen in den aufnehmenden Gemeinschaften als eine der drei größten Alltagsherausforderungen, noch vor den Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit.
- Die Zahl der Geflüchteten, die Hilfsleistungen als Haupteinkommensquelle angeben, ist von 61 auf 37 Prozent deutlich zurückgegangen. Dies ist wahrscheinlich aufgrund der Kürzungen von Hilfsleistungen aufgrund von Finanzierungsengpässen in der zweiten Hälfte des Jahres 2023.
Syrische Geflüchtete sind mit vielen Schwierigkeiten in Aufnahmeländern konfrontiert. Trotzdem gibt eine große Mehrheit an, dass es aufgrund des anhaltenden Konflikts derzeit nicht sicher ist, nach Syrien zurückzukehren. Zu ihren Sicherheitsbedenken zählen auch ein Mangel an Rechtstaatlichkeit, die Anwesenheit von bewaffneten Gruppen und die Angst vor Missbrauch durch Behörden nach einer Rückkehr.
Politischen Diskussionen, auch von Seiten der Geberregierungen, richten sich immer weiter in Richtung einer verstärkten Rückkehr von Geflüchteten nach Syrien. Als eine von sechs NGOs, die im Nahen Osten tätig sind, betont IRC die schwierigen Bedingungen in Syrien. Die Situation vor Ort ist noch weit davon entfernt, eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde zu ermöglichen.
Es ist heute wichtiger denn je, dass Entscheidungsträger*innen Geflüchteten zuhören. Es muss auf ihre Bedürfnisse reagiert werden. Diplomatische Wege müssen erweitert werden, um eine dauerhafte politische Lösung der Krise in Syrien ermöglichen. Nur dann können Menschen sicher nach Syrien zurückkehren. Bis dahin müssen Aufnahmeländer weiterhin Unterstützung erhalten, um die humanitären Bedarfe der Menschen decken zu können. Geflüchtete müssen Schutz erhalten, und dabei unterstützt werden, ihre Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) muss eingehalten werden.
Mark Kaye, IRC-Policy and Advocacy Direktor für den Nahen Osten und Nordafrika, sagt:
„Die Ergebnisse der neuesten Umfrage des UNHCR spiegeln wider, was IRC-Mitarbeitende immer wieder von syrischen Geflüchteten in der Region hören: Viele würden gerne eines Tages zurückkehren. Aber solange die Lage in Syrien so unsicher bleibt, ist das keine Option. Bei allen Diskussionen über die Rückkehr von Geflüchteten muss im Mittelpunkt stehen, dass eine Rückkehr freiwillig, sicher und menschenwürdig sein muss.
Geflüchtete müssen alle benötigten Informationen erhalten, um fundierte Entscheidungen über ihre Zukunft treffen zu können. Und es muss eine politische Lösung für die Krise in Syrien gefunden werden. Bis dahin müssen Geberregierungen weiterhin Geflüchtete und Aufnahmeregierungen unterstützen. Gleichzeitig müssen Geflüchtete Schutz beantragen können. Geflüchtete Menschen sollten nach all dem, was sie bereits erlebt haben, endlich in Sicherheit und Würde leben können.“
Lilu Thapa, Direktorin für den Nahen Osten beim Dänischen Flüchtlingsrat, kommentiert:
„Geflüchtete in der gesamten Region stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Dazu zählen unzureichende Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und steigende Kosten für Unterkunft und Lebensmittel. Aufnahmeländer sind ebenfalls von Wirtschaftskrisen betroffen. Somit kommt es auch zu mehr Spannungen in aufnehmenden Gemeinden.
Es ist jetzt wichtiger denn je, syrischen Geflüchteten zuzuhören. Wir müssen als internationale Gemeinschaft und Hilfsorganisationen mit den Regierungen der Aufnahmeländer zusammenarbeiten. Wir müssen die Widerstandsfähigkeit der Geflüchteten und Aufnahmegemeinden unterstützen und die Sicherheit und Würde der Menschen in der Region gewährleisten.“
Unterzeichnende Organisationen:
Danish Refugee Council
Durable Solutions Platform
International Rescue Committee
Humanity & Inclusion (Handicap International)
Mercy Corps
Syrian American Medical Society
* Regional Survey on Syrian Refugees’ Perceptions and Intentions on Return to Syria.
** Die jährlich durchgeführte Erhebung des UNHCR betrifft nur offiziell registrierte oder dem UNHCR bekannte Geflüchtete. Da viele Menschen in der Region derzeit nicht in der Lage sind, sich zu registrieren oder melden, ist anzunehmen, dass die Situation dieser Menschen noch schwieriger ist als oben beschrieben. Die Umfrage wurde in Ägypten, Irak, Jordanien und Libanon durchgeführt.