25. März 2024 — Die willkürliche israelische Bombardierung Gazas zieht sich bald in den sechsten Monat. Das Medizinische Notfallteam (EMT) von International Rescue Committee (IRC), Medical Aid for Palestinians (MAP) und Palestine Children’s Relief Fund (PCRF) arbeitet seit über zwei Wochen im European Gaza Hospital. Die Ärzt*innen berichten von Anzeichen schwerer Unterernährung und Patient*innen, die an Infektionen sterben.
Aufgrund der israelischen Militäroffensive erlebt das European Gaza Hospital in der Nähe von Khan Yunis im Süden Gazas einen enormen Zustrom an Verletzten und Schutzsuchenden. Seit der israelischen Militäroperation und der Belagerung des nahe gelegenen Nasser-Krankenhauses, das infolgedessen nicht mehr funktionsfähig ist, ist das European Gaza Hospital noch stärker belastet.
Dr. Konstantina Ilia Karydi, Anästhesistin im EMT, sagt:
,,Die Situation ist unvorstellbar. Dieses Krankenhaus hatte ursprünglich eine Kapazität von nur 200 Betten, im Moment sind es 1.000 Betten. Etwa 22.000 Menschen, die aus anderen Teilen Gazas vertrieben wurden, haben in den Korridoren und in Zelten innerhalb des Krankenhauses Zuflucht gefunden. Hier fühlen sie sich hier sicherer als anderswo."
Die Chirurg*innen des EMT haben erfolgreich komplexe orthopädische und Gefäßoperationen an Patient*innen durchgeführt. Jedoch starben einige der Patient*innen nach Operationen aufgrund von Infektionen oder weil die Lage in Gaza keine sichere postoperative Versorgung ermöglicht. Die angespannte Sicherheitslage zwingt Mitarbeitende des Gesundheitswesens, die Krankenhäuser zu evakuieren. Zudem beeinträchtigen erhebliche Schäden an der Infrastruktur und Einrichtung der Krankenhäuser die notwendige Versorgung. Dazu fehlt es grundlegend an Ausrüstung und Medikamenten, vor allem aufgrund der israelischen Lieferbeschränkungen medizinischer Hilfsgüter nach Gaza.
Chirurg*innen berichteten von großen, infizierten offenen Wunden bei Patient*innen. Sie gaben auch an, dass sie Patient*innen Notnahrungsmittel verabreichen mussten, da der Mangel an Nahrungsmitteln ihre Behandlung gefährdete.
Arvind Das, IRC-Notfalleinsatzleiter für Gaza, kommentiert:
,,Die Situation ist unbegreiflich. Die ständigen israelischen Militäroperationen in der Nähe von Krankenhäusern verschlimmern die ohnehin schon angespannte Situation und bringen das Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs. Das trifft insbesondere die Menschen, die Schutz oder medizinische Hilfe suchen.
Trotz der unermüdlichen Bemühungen unserer medizinischen Teams wird unsere Arbeit stark eingeschränkt: für eine optimale medizinische Versorgung ist Infrastruktur erforderlich. Diese ist durch die strengen Beschränkungen für Hilfslieferungen, einschließlich medizinischer Güter, beeinträchtigt. Dazu kommt der überwältigende Anstieg an Bedarf an humanitärer Hilfe und medizinischer Versorgung. Wir tun alles, was wir können, um in dieser katastrophalen Situation Menschenleben zu retten. Zeitgleich bewegen wir uns durch kritische Engpässe und arbeiten mit sehr begrenzten Ressourcen.”
Durch die israelischen Angriffe wurden in nur fünf Monaten mehr als 73.000 Palästinenser*innen in Gaza verletzt. Gleichzeitig wurde das Gesundheitssystem gezielt und systematisch zerstört. Es gibt nur noch zwölf zum Teil funktionsfähige Krankenhäuser in Gaza und kein einziges Krankenhaus ist voll funktionsfähig. Die Ärzt*innen des European Gaza Hospitals berichten, dass sie aufgrund der beschädigten Infrastruktur und des eingeschränkten Zugangs zu Hilfsgütern mit kritischen Engpässen bei der medizinischen Grundversorgung konfrontiert sind.
Dr. Husam Basheer, Orthopäde im EMT, ergänzt:
,,Die Krankenhäuser müssen mit dem absoluten Minimum an Ressourcen auskommen. Im Rahmen eines Standardverfahrens zur Knochenfixierung wollten wir eine Platte und eine Schraube einsetzen, aber wir hatten nicht die richtige Ausrüstung. Manchmal fehlte es uns auch an Verbandsmull, was zur Grundausstattung für Operationen zählt. Wir versuchen mit den Herausforderungen umzugehen und Alternativen zu finden, aber die Mitarbeitenden hier sind überfordert.”
Seit dem 7. Oktober 2023 hat das israelische Militär mehr als 400 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und Personal in Gaza durchgeführt. Jedes einzelne Krankenhaus in Gaza ist betroffen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 340 Mitarbeitende des Gesundheitswesens getötet und mehr als 160 festgenommen. Dazu kamen auch gemeldete Vorwürfe und Berichte von der Folter von medizinischem Personal.
Hinweise an die Redaktion
- Medical Aid for Palestinians (MAP) hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in Gaza. Aufbauend auf diesen Erfahrungen bestand das EMT aus einer Gruppe von Anästhesist*innen, Chirurg*innen und Katastrophenexpert*innen.
- In Zusammenarbeit mit palästinensischen Ärzt*innen, Pflegekräften und weiterem medizinischen Personal konnte das EMT trotz aller Schwierigkeiten insgesamt 89 Operationen und 229 Konsultationen durchführen. Dazu zählen auch kleinere Eingriffe und Notfallbehandlungen sowie lang erwartete orthopädische Operationen.
- Dies war das dritte Medizinische Notfallteam, das von MAP und IRC nach Gaza entsandt wurde.