Die humanitäre Feuerpause, auf die sich Israel und die Hamas in der vergangenen Woche geeinigt haben, hat Leben gerettet. Sie hat gezeigt, dass ein Dialog möglich ist. Sie hat ein kritisches Zeitfenster für Hilfsmaßnahmen geschaffen, die Freilassung von Geiseln ermöglicht und humanitären Organisationen die Möglichkeit gegeben, die Menschen in Gaza mit dringender Hilfe zu versorgen. Eine humanitäre Katastrophe wurde aber eher verzögert als abgewendet. Als humanitäre Organisation, die sich auf den Schutz der Zivilbevölkerung und die Bereitstellung humanitärer Hilfe konzentriert, können wir eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen in Gaza nicht hinnehmen. 

Die Unterbrechung der Kampfhandlungen hat das Ausmaß von Tod, Zerstörung und zivilem Leid in Gaza verdeutlicht und damit auch den massiven Bedarf der erforderlichen humanitären Hilfe aufgezeigt. Durch Bombardierungen und Granatenbeschuss wurden 15.000 Menschen getötet, darunter mehr als 6.000 Kinder und über 100 Mitarbeitende von Hilfsorganisationen. Das Gesundheitssystem in Gaza ist durch die Kampfhandlungen und die fehlende Versorgung mit Wasser, Strom und Treibstoff seitens Israel zum Erliegen gekommen, was die kritische zivile Infrastruktur – von den Stromnetzen bis zu den Wasser- und Abwassersystemen – dezimiert hat. Grundlegende Dienstleistungen zu erbringen und zu erhalten ist dadurch unmöglich geworden. Die Feuerpause hat zwar zu einem geringfügigen Anstieg von Hilfslieferungen nach Gaza geführt. Die erforderliche Infrastruktur, um wirksam humanitäre Hilfe bereitzustellen, wurde jedoch massiv zerstört. 

Die Gewalt vor Ort hat rund 200.000 Menschen in Israel und 1,7 Millionen Menschen in Gaza (d.h. 80 Prozent der Bevölkerung) vertrieben, die meisten davon in den Süden Gazas, wo sie an überfüllten Orten mit schlechten sanitären Bedingungen untergebracht sind. Sollte erneut und verstärkt der Süden Gazas bombardiert und beschossen werden – wo die palästinensische Zivilbevölkerung keine Möglichkeit hat, sich in Sicherheit zu bringen – besteht die Gefahr inakzeptabler ziviler Schäden. Zusätzlich wird dadurch die humanitäre Hilfe bedroht, die angesichts der tatsächlichen Bedarfe bereits alarmierend knapp ist. Eine Wiederaufnahme der Gewalt wird für die palästinensische Zivilbevölkerung katastrophale Folgen haben und selbst die minimale Erleichterung durch die Pause in den letzten sieben Tage zunichte machen. Ebenso wird es die wichtigen Anstrengungen um die Freilassung aller Geiseln weiter gefährden. Alle diplomatischen Bemühungen müssen sich darauf konzentrieren, dass die Zivilbevölkerung in Gaza nicht erneut in den Krieg zurückgeführt wird und dass alle Geiseln freigelassen werden.