Seit dem 7. Oktober wurden im Schnitt 37 Mütter am Tag getötet. In Gaza stirbt alle zwei Stunden eine Mutter.
Etwa 60.000 schwangere Frauen haben kaum bis gar keinen Zugang zu angemessener pränataler Gesundheitsversorgung.
Mindestens 183 Frauen gebären täglich in Gaza.ie meisten haben während und nach der Geburt keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen oder Unterstützung durch Hebammen und Ärzt*innen.
Nur zwei der zwölf teilweise funktionsfähigen Krankenhäuser in Gaza können noch Geburtshilfe anbieten. Insgesamt gab es vor dem 7. Oktober in Gaza 36 funktionsfähige Krankenhäuser.
Stand Dezember 2023 waren über 155.000 schwangere und stillende Frauen von Unterernährung bedroht. Diese Zahl ist seitdem exponentiell angestiegen.
Amman, Jordanien, 2. April 2024 — In Gaza kämpfen schwangere Frauen und Mütter um ihr eigenes Leben und das Überleben ihrer Kinder. International Rescue Committee (IRC) betont die schwerwiegenden Auswirkungen des fast sechsmonatigen Konflikts auf palästinensische Frauen. Der kritische Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung sowie die drohende Hungersnot verschlimmern die Situation.
Schwangere Frauen in Gaza sind israelischen Bombardierungen, Hunger, Vertreibung und der ständigen Gefahr von Tod, Verletzungen, Infektion und Krankheit ausgesetzt. Viele Frauen mussten ohne jegliche medizinische Hilfe entbinden. Dies trifft auch auf Frauen zu, die sich Kaiserschnitten ohne Anästhesie unterziehen müssen.
Ärzt*innen berichten, dass die Belastung durch den bewaffneten Konflikt sowie Stress, Trauma, Hunger und Dehydrierung bei einigen Frauen zu Frühwehen führen. Da eine Notversorgung nicht möglich ist, führt dies häufig zum Tod des Kindes vor der Geburt.
Arvind Das, IRC-Notfalleinsatzleiter für Gaza, sagt:
,,Bisher war Geburtshilfe ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der medizinischen Notfallteams von IRC in Gaza. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Die Zahl an kritischen Traumapatient*innen, die aufgrund der Bombardierungen behandelt werden müssen, ist stark gestiegen. Jetzt gibt es einfach nicht genug medizinisches Personal, Ausrüstung oder Material, um Fälle wie schwangere Frauen zu versorgen.
Frauen entbinden außerhalb von Krankenhäusern – inmitten von Trümmern, in Autos, Zelten oder in überfüllten Notunterkünften mit kaum 1,5 Quadratmetern Platz. Es gibt keine Privatsphäre und keine angemessene medizinische Versorgung, sowohl vor als auch nach der Geburt.
Die Berichte von Ärzt*innen über Totgeburten in den Krankenhäusern, in denen wir im Einsatz waren, sind erschütternd. Gesundheitsorganisationen berichten, dass sich die Zahl der Fehlgeburten in Gaza seit dem 7. Oktober verdreifacht hat.6 Ärzt*innen fühlen sich hilflos. Der Preis dieses Konflikts ist enorm und ihn zahlen nicht nur die jetzige, sondern auch künftige Generationen teuer.”
Die israelischen Beschränkungen auf die Einfuhr und die sichere Verteilung von Hilfsgütern in Gaza beeinträchtigt Krankenhäuser nach wie vor enorm. Strom, Medikamente, medizinische Ausrüstung, Lebensmitteln und Personal sind wesentlich limitiert und die Bereitstellung grundlegender Pflegeleistungen stark eingeschränkt. Diese Situation wird durch erhebliche Schäden an Krankenhäusern verschärft. Anhaltende Luftangriffe und militärische Bodenoffensiven führen zur Evakuierung von medizinischem Personal und Patient*innen.
IRC fordert die vollständige Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 2728 für einen sofortigen Waffenstillstand. Ein sofortiger und anhaltender Waffenstillstand ist die einzige Möglichkeit, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Ausweitung der humanitären Hilfe in ganz Gaza zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Kinder. Israel muss die willkürliche Verweigerung von Nahrungsmitteln, Wasser, Treibstoff und lebenswichtigen Medikamenten in und um Gaza beenden. Alle Parteien müssen schnelle und ungehinderte humanitäre Hilfe über alle möglichen Landwege und Zugangsstellen nach Gaza ermöglichen und die Freilassung aller Geiseln sicherstellen.
Corina Pfitzner, Geschäftsführerin von IRC Deutschland, kommentiert:
,,In den letzten sechs Monaten wurden mehr als 32.000 Palästinenser*innen getötet – etwa 70 Prozent davon Frauen und Kinder. Sie sind überproportional von dieser Krise betroffen. Seit Ausbruch des Konfliktes sterben durchschnittlich 37 Mütter pro Tag in Gaza. Die tägliche Realität der Kinder hat eine neue Abkürzung: WCNSF – wounded child, no surviving family – verwundetes Kind, keine überlebende Familie. Es spricht Bände, dass für die Tragik der Menschen und das Schicksal der Kinder in Gaza ein völlig neues Akronym entstand.
Diese tragischen Statistiken zeigen die erschütternden Auswirkungen eines jeden Tages, an dem die internationale Gemeinschaft nicht entschieden handelt. Als eine der engsten Verbündeten der israelischen Regierung muss die Bundesregierung mehr Druck aufbauen: Hilfslieferungen müssen ungehindert an die Zivilbevölkerung verteilt werden können, insbesondere an Frauen und Kinder. Sonst droht die feministische Außen- und Entwicklungspolitik Deutschlands an Glaubwürdigkeit zu verlieren.”