International Rescue Committee (IRC) warnt vor katastrophalen Auswirkungen für die am stärksten von Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen weltweit, sollte die Schwarzmeer-Getreide-Initiative am 17. Juli auslaufen. Ohne Einigung wird sich das Leid dieser Menschen nur noch verschlimmern. Die Initiative, die vor einem Jahr ins Leben gerufen und auch zweimal verlängert wurde, hat die weltweiten Lebensmittelpreise stabilisiert und 625.000 Tonnen (über Schiffe des Welternährungsprogramms) an Länder geliefert, die von einer Hungersnot bedroht sind, darunter Afghanistan, Äthiopien, Kenia, Somalia und Jemen. 

IRC fordert eine langfristige Verlängerung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative. Die Initiative ist lebenswichtig für 79 Länder und 349 Millionen Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Das Abkommen, innovative Lösungen von IRC – wie zum Beispiel ein vereinfachtes kombiniertes Protokoll zur Behandlung von akuter Unterernährung bei Kindern – sowie die Wiederbelebung der hochrangigen Task Force des Generalsekretärs zur Verhinderung von Hungersnöten sind für die Bewältigung der weltweiten Ernährungsunsicherheit entscheidend. 

Der Krieg in der Ukraine sorgt dafür, dass es nicht nur bei einer Krise bleibt. Stattdessen folgt eine Krise nach der anderen, einschließlich der Unterbrechung globaler Lebensmittelversorgungsketten. Gleichzeitig steigt die Unsicherheit. Die Explosion des Chakowka-Damms im vergangenen Monat hat kritische Infrastrukturen zerstört und damit den ukrainischen Agrarsektor sowie die Nahrungsmittelbestände weiterhin destabilisiert: 80 Prozent des ukrainischen Gemüses und 16.000 Menschen sind davon betroffen und die Umweltschäden belaufen sich auf über 45 Milliarden Euro. Dabei ist die Ukraine für 40 Prozent des weltweiten Handels mit Sonnenblumenmehl, 35 Prozent des Sonnenblumenöls und 5 Prozent der Weizen-, Gersten- und Maisexporte verantwortlich. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums sind diese Erträge im Jahr 2023-24 bereits um mindestens ein Fünftel zurückgegangen. Die Landwirt*innen und die Zivilbevölkerung sind weiterhin von der Krise betroffen und haben sind mit Einschränkungen im Zugang zu Wasser, Strom und anderen Grundbedürfnissen konfrontiert.    

Landwirtschaftsexpert*innen schätzen, dass die Schäden durch die Staudammexplosion bis zu 500.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche betreffen und fünf bis sieben Jahre andauern könnten. Die diesjährigen Verluste durch die Zerstörung des Damms werden auf 4 Milliarden Tonnen Getreide und Speiseöl im Wert von bis zu 1,4 Milliarden Euro geschätzt. Länder wie Somalia, Äthiopien, Afghanistan und Jemen sind dadurch anfällig für weitere Klima- und Wirtschaftsschocks. Initiativen wie der Schwarzmeer-Getreideabkommen sichern genau die benötigte Rehabilitations- und Wiederaufbaumaßnahmen für die Ukraine. Darüber hinaus sorgen sie auch für eine nahtlose Lieferung von Hilfsgütern an Länder mit unsicherer Ernährungslage. 

Shashwat Saraf, IRC-Nothilfedirektor für Ostafrika, sagt:  

,,Ernährungssicherheit darf nicht als Geisel genommen werden. Ostafrika leidet unter schweren Dürren und nun auch unter extremen Überschwemmungen, die die Ernten von 2,2 Millionen Menschen zerstören, deren Lebensunterhalt von der landwirtschaftlichen Produktivität abhängt. Es ist maßgeblich, dass das Abkommen für einen längeren Zeitraum verlängert wird. Nur so kann eine gewisse Vorhersehbarkeit und Stabilität geschaffen werden. Wir können nicht alle paar Wochen eine weitere Verlängerung diskutieren. Über 600.000 Tonnen Getreide wurden im Rahmen der Initiative an die am stärksten von Ernährungsunsicherheit betroffenen Länder der Welt geliefert. Das Getreide stellt für die betroffenen Menschen eine enorme Entlastung dar, steht jedoch in keinem Verhältnis zu den über 30,3 Millionen Tonnen, die weltweit wiederum in die reichsten Länder der Welt exportiert werden. 

Da etwa 80 Prozent des Getreides das an Ostafrika geht aus Russland und der Ukraine exportiert wird, sind über 50 Millionen Menschen in Ostafrika von Hunger betroffen (IPC 3+). Dazu sind die Lebensmittelpreise in diesem Jahr um fast 40 Prozent gestiegen. Die internationale Gemeinschaft muss nicht nur ein langfristiges Abkommen schaffen, sondern auch dauerhafte Lösungen zur Bewältigung von Ernährungsunsicherheit entwickeln.   

Die letzten beiden Verlängerungen und die jüngste internationale Unterstützung haben dazu beigetragen, dass Somalia keine Hungersnot ausrufen musste. Aber es muss noch so viel mehr getan werden. Obwohl die Lebensmittelinflation weltweit leicht zurückgeht, liegen die Lebensmittelpreise in Ländern wie Kenia nach wie vor über den Zielvorgaben der Regierung. Die Aufrechterhaltung dieser Initiative wird nicht nur mehr Lebensmittel in das globale System bringen, sondern uns auch dabei helfen, neue Lösungen vor Ort zu entwickeln. Langfristig werden IRC Klient*innen dadurch effektiver und effizienter unterstützt. Sollte keine Einigung erzielt werden, könnte das katastrophale Auswirkungen haben. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die internationale Gemeinschaft eindeutig dahintersteht, die ukrainischen Getreideexporte aufrechtzuerhalten – und zwar nicht nur ein drittes und vielleicht letztes Mal, sondern auch auf lange Sicht.”