• IRC fordert die EU und ihre Mitgliedsstaaten zu umfassenden, transparenten Ermittlungen zum tödlichen Bootsunglück vom letzten Monat auf. Dabei soll es insbesondere um die Rolle der EU-Mitgliedsstaaten und die Beteiligung von Frontex an dem Unglück gehen.

  • Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen dringend sichere, geregelte Zugangswege für Menschen auf der Flucht ausbauen und sich unter anderem für das Resettlement von mindestens 44.000 Geflüchteten bis 2024 verpflichten. 

  • Statt Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu gelangen, muss sich die EU dafür einsetzen, Menschen auf der Flucht zu schützen.

Einen Monat nach dem verheerenden Bootsunglück vor der griechischen Küste, bei dem mutmaßlich mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen sind, fordert International Rescue Committee (IRC) die EU weiterhin auf, vollständige und transparente Ermittlungen zu dem Vorfall einzuleiten. 

Das Unglück zählt zu den Bootsunglücken mit den meisten Toten im Mittelmeer, doch bisher wurden trotz zahlreicher Aufforderungen von NGOs und Mitgliedern des Europäischen Parlaments keine Ermittlungen eingeleitet. 

Katastrophen wie das Bootsunglück werden immer mehr zur Normalität. Innerhalb eines Monats nach der Katastrophe gab es laut der International Organisation for Migration mindestens 22 weitere Zwischenfälle im zentralen Mittelmeer, bei denen mehr als 50 Menschen starben oder vermisst wurden, darunter auch mehrere Tote, die an der libyschen Küste angeschwemmt wurden. 

Gleichzeitig streben die europäischen Staats- und Regierungschef*innen in Ermangelung einer internen Einigung darüber, wie die Verantwortung für Neuankommende besser aufgeteilt werden kann, neue Migrationsabkommen mit Nicht-EU-Ländern an. Diese Abkommen konzentrieren sich unverhältnismäßig stark auf die Abschreckung von Geflüchteten und anderen Migrant*innen aus Europa, anstatt gefährdete Menschen auf der Flucht zu unterstützen und die Ursachen für ihre Vertreibung zu bekämpfen. Sie untergraben weiter die Rechte der Menschen, setzen sie Missbrauch und Ausbeutung aus und führen dazu, dass diese auf noch gefährlicheren Routen ihr Leben riskieren. 

IRC unterstützt Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute in Libyen und Italien sowie im nahegelegenen Griechenland. Mitarbeitende vor Ort erleben dort die Verzweiflung der Menschen selbst mit, welche sie oftmals dazu bringt, sich auf diese tödlichen Fluchtwege zu begeben. IRC-Teams in Libyen bieten allen Überlebenden, die an die libysche Küste zurückgedrängt werden, medizinische Notfall- und Schutzdienste an. 

Harlem Desir, IRC-Vizepräsident für Europa, sagt: 

„Es ist eine große Schande, dass Hunderte von Menschen bei einem der tödlichsten Bootsunglücke im Mittelmeer ums Leben gekommen sind und es nach einem Monat immer noch keine vollständigen und transparenten Ermittlungen des Vorfalls gibt. Es ist an der Zeit, Verantwortlichkeiten zu schaffen und diesen unnötigen und vermeidbaren Todesfällen endlich ein Ende zu setzen. Anstatt zu versuchen, Menschen daran zu hindern, Europa zu erreichen, fordern wir die EU auf, die Rechte und Bedingungen für Menschen auf der Flucht zu verbessern, staatlich geführte Such- und Rettungsaktionen mehr zu unterstützen und sichere Zugangswege nach Europa auszubauen. Dadurch sind Menschen gar nicht erst gezwungen, ihr Leben auf einem gefährlichen Weg zu riskieren.“ 

Fnan*, ein 26-jähriger Mann aus Eritrea, gehörte zu denjenigen, die letzten Monat versuchten, von Libyen aus nach Europa zu gelangen. Doch sein Boot wurde von der EU-finanzierten sogenannten libyschen Küstenwache abgefangen und er wurde in das Land zurückgeschickt. Fnan* sagt: 

„Ich hatte Angst, als sie uns mitten auf dem Meer von unserem Boot holten. Aber als ich wusste, dass wir zurück nach Libyen fahren würden, erinnerte ich mich an all die schlimmen Dinge, die mir im Internierungslager passiert waren, also sprang ich ins Wasser... Ich konnte nicht dorthin zurück.“

(*Name aus Gründen der Anonymität geändert) 

Tom Garofalo, IRC-Landesdirektor für Libyen, sagt: 

„Die Hunderte von Menschen, die bei diesem Bootsunglück ums Leben kamen, gingen in Libyen an Bord - einem Land, das sie unbedingt verlassen wollten, selbst wenn sie dafür ihr Leben auf einem seeuntüchtigen Boot riskieren mussten. Libyen ist kein sicheres Land für Migrant*innen und Schutzsuchende, die jeden Tag wissen, dass sie entführt, willkürlich festgehalten oder Opfer von Gewalt und Missbrauch werden könnten. 

Der Ansatz der EU, Menschen um jeden Preis davon abhalten zu wollen, nach Europa zu gelangen, funktioniert nicht - weder für die Staaten an den südlichen Grenzen der EU noch für die Tausenden, die als direkte Folge dieser grausamen Politik gestorben oder verschwunden sind. Eine Verstärkung dieses Ansatzes durch weitere Abkommen mit Nicht-EU-Ländern wird die Menschen nur noch mehr gefährden und sie auf der Suche nach Schutz auf immer gefährlichere Wege treiben. Der Ansatz der EU sollte auf der Wahrung der Menschenrechte basieren. Wenn die EU das nicht schafft, wird das Mittelmeer weiterhin ein Friedhof für Schutzsuchende sein.“ . 

IRC auf der zentralen Mittelmeerroute