Vier Monate nach dem G7-Gipfel 2022 findet am 3. und 4. November das Treffen der G7-Außenminister*innen statt. Das Kommuniqué der Staats- und Regierungschef*innen und die Erklärungen der Außenminister*innen enthielten klare Aussagen zur Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit, zur Förderung der Rechenschaftspflicht des humanitären Völkerrechts und zur Anwendung eines geschlechtergerechten Ansatzes in der Außenpolitik. Diese Verpflichtungen müssen bekräftigt und kontinuierlich umgesetzt werden. Die G7 und ihre Mitgliedstaaten müssen auch auf globale Krisen hinweisen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. IRC identifiziert drei Themen, die im Mittelpunkt der kommenden Sitzung stehen sollten:

  1. Bedarfslücke im Bereich Ernährungsunsicherheit schließen: In den nächsten 12 Monaten wären rund 50 Mrd. USD erforderlich, um die akute Ernährungsunsicherheit zu bekämpfen und die 345 Mio. Menschen, die vom Welternährungsprogramm im Juni 2022 als ernährungsunsicher eingestuft wurden, für die nächsten 12 Monate aus diesem Zustand zu befreien. Die Bundesregierung muss ihre Position als gewichtige internationale Geberregierung nutzen, indem sie die schnelle, lokale und flexible Finanzierung erhöht, insbesondere im Bereich der Humanitären Hilfe und in der Region Ostafrika.
  2. Völkerrechtsbrüche verurteilen und konkrete Maßnahmen ankündigen, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen: Verfügbare Rechenschaftsmechanismen im humanitären Völkerrecht besser nutzen, insbesondere durch UN mandatierten Mechanismen, und diese gegen Widerstände anderer Staaten verteidigen. 
  3. Aufstockung der Mittel und Beteiligung lokaler Gruppen für ein Feministischer Ansatz zur humanitäre Hilfe: Die G7-Länder müssen sich zu zusätzlichen finanziellen Zusagen verpflichten, die neben der Umsetzung weiterer Zusagen zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit im angekündigten, jährlichen G7 Gleichstellungsmonitoring nachverfolgt werden sollten. G7-Mitgliedstaaten müssen Mittel für die Umsetzung dieser Initiativen bereitstellen und die Einbeziehung und Beteiligung von Frauengeführten Organisationen sicherzustellen, um eine vielfältige Vertretung ihrer Perspektiven  in der humanitären Hilfe zu gewährleisten. 

Ralph Achenbach, IRC Deutschland Geschäftsführer, kommentiert:

,,Hinsichtlich der Ernährungskrise begrüßt IRC, dass die ‚Allianz für globale Ernährungssicherheit’ (GAFS) mit der nötigen politischen Dringlichkeitsstufe in enger Abstimmung mit der UN, Weltbank und betroffenen Staaten zusammenarbeitet. Aber seit dem Gipfeltreffen im August hat sich die Zahl der von Ernährungsunsicherheit bedrohten Menschen von 47 Mio. auf 50 Mio. erhöht. Die Diskrepanz zwischen dem Bedarf an humanitärer Hilfe und den verfügbaren Mitteln nimmt weiter zu. 

IRC begrüßt die Zusage Deutschlands, den ursprünglichen Beitrag von 430 Mio. Euro zur Bekämpfung des Welthungers mit weiteren 450 Mio. Euro mehr als zu verdoppeln. Aber die bisherige Mittelzusagen sind Tropfen auf den heißen Stein. IRC-Teams vor Ort in Ländern wie Afghanistan, Jemen, Kenia, Äthiopien und Somalia berichten über besorgniserregende Indikatoren für 2023. Laut IRC Kolleg*innen ist es in Somalia bereits zu spät, eine Hungersnot zu verhindern, und es sterben bereits Menschen. Eine sofortige Aufstockung der humanitären Hilfe ist die einzige Möglichkeit, das Ausmaß einzugrenzen. Die USA ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und hat die Mittel für die Region aufgestockt, nun müssen andere Geber wie Deutschland dringend nachziehen. In Krisensituationen wie diesen ist eine rasche Umsetzung entscheidend. Neben weiteren Geldern muss sichergestellt werden, dass die von den G7 angekündigten Mittel rasch durch Hilfsorganisationen vor Ort eingesetzt werden können, um Menschen zu unterstützen. Dabei sollten bewährte Programme, die Bargeldhilfen auszahlen, Unter- und Mangelernährung behandeln und Kleinbäuer*innen unterstützen, priorisiert werden. 

Zur Beendigung des Zeitalters der Straflosigkeit begrüßt IRC die Deutlichkeit, in der die G7-Staaten die Völkerrechtsverletzungen im Kontext des Kriegs in der Ukraine verurteilen und konkrete Maßnahmen ankündigen, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Aber die G7-Mitgliedstaaten müssen Völkerrechtsverletzungen in alle Krisenkontexten wahrnehmen und bekämpfen, in denen die Grundpfeiler der internationalen Ordnung mit Füßen getreten werden. 

IRC begrüßt auch die G7-Selbstverpflichtungen, der geschlechtsspezifischen Gewalt in Konflikten durch mehr Einsatz für Prävention, Dokumentation und Rechenschaftspflicht entgegenzutreten. Das Bekenntnis der G7-Staats- und Regierungschef*innen zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik sendet angesichts der Herausforderungen, aber auch dem Potenzial von krisenbetroffenen Frauen und Mädchen das richtige Signal. Aber diese Ansätze müssen umgesetzt werden, einschließlich des bekräftigen Engagements für eine geschlechtstransvormative Agenda, der Weiterführung des G7-Dashboards zu Gender Gaps und einer engeren Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, wie auf dem Treffen der G7-Gleichstellungsminister*innen am 13. und 14. Oktober in Berlin bestätigt wurde.”