Berlin, Deutschland, 30. Juli 2024 — Am heutigen Internationalen Tag gegen den Menschenhandel weist International Rescue Committee (IRC) darauf hin: Die Zunahme von gewaltsamen Konflikten und humanitären Krisen und damit verbundene globale Migrationsbewegungen erhöhen das Risiko von Ausbeutung und Menschenhandel.
Die Gefahr in Menschenhandel zu geraten gibt es in jedem Land der Welt. Alleinstehende Frauen, unbegleitete minderjährige Personen und junge Erwachsene, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung, ältere und kranke Menschen ohne soziale Netze gehören zu vulnerablen Gruppen. Frauen und Kinder sind besonders betroffen. Sie werden zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und zum Zwecke der Zwangsarbeit ausgebeutet, beispielsweise durch Zwangsheirat oder Zwangsadoption. Laut den Vereinten Nationen ist weltweit eine von drei Betroffenen von Menschenhandel ein Kind – die Mehrheit davon sind Mädchen.
Auch Konflikte und die damit verbundene Vertreibung verschärfen die Gefährdungslage weiter. Besonders gefährdet sind Menschen, die sich auf der Flucht befinden – auf allen Stationen ihrer Flucht. In Konflikten beuten bewaffnete Gruppen Zivilist*innen aus und nutzen Menschenhandel als Teil ihrer Strategie, um militärische Macht und wirtschaftliche Ressourcen zu vergrößern. In Konfliktgebieten wird Menschenhandel oft benutzt, um Menschen in Zwangsprostitution zu zwingen oder Kinder für bewaffnete Gruppen zu rekrutieren. Die Entführung von Frauen und Mädchen zur Zwangsverheiratung ist eine der am häufigsten gemeldeten Formen des Menschenhandels im Zuge bewaffneter Konflikte.
Sabine Bauer-Amin, IRC-Programmleitung Anti-Trafficking, kommentiert:
,,Menschenhandel ist ein furchtbares Verbrechen und ein direkter Angriff auf die Rechte, die Sicherheit und die Würde der Menschen. Jedes Jahr werden mehr als 7.000 Menschen in der EU als von Menschenhandel betroffene identifiziert. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen – diese Zahlen spiegeln lediglich wider, wie viele Menschen tatsächlich Hilfe erhalten haben.
Insbesondere Menschen aus Drittstaaten sind oft nicht in der Lage, sich als Betroffene von Menschenhandel erkennen zu geben oder sich Hilfe zu holen. Mangelnde Sprachkenntnisse können ein großes Hindernis für die Suche nach Hilfe sein. Betroffene von Menschenhandel sind sich oft ihrer Rechte und der gesetzlichen Regelungen nicht bewusst. Viele haben in ihrem Heimatland oder auf der Durchreise negative Erfahrungen mit staatlichen Institutionen gemacht. Die Angst vor Polizei und Asylbehörden wird durch die Sorge verstärkt, abgeschoben zu werden oder für vermeintliche Straftaten bestraft zu werden. Ausbeutungssituationen werden oft nicht gemeldet, weil sie als einzige Einkommensquelle für die Familie im Heimatland angesehen werden oder ein enormes soziales Stigma mit der Situation einhergeht.
Heute – inmitten wachsender Ungleichheiten, sich verschärfender Klimakatastrophen und Vertreibungen in Rekordhöhe – sind immer mehr Menschen dem Risiko von Menschenhandel ausgeliefert. Die im April beschlossenen Gesetzesverschärfungen der EU ist ein richtiger Schritt, Menschenhandel besser zu bewältigen. Allerdings muss noch mehr die Situation, die Rechte und Sichtweise der Betroffenen selbst in den Vordergrund gerückt werden. Denn klar ist: nur unsere gemeinsamen Anstrengungen können zum Schutz der Betroffenen beitragen.”
Halima, IRC-Gruppenleiterin im Projekt DIRECT in München, sagt:
,,Menschenhandel ist so unterbeleuchtet. Viele in der Mehrheitsgesellschaft wissen gar nicht, wie viele Menschen in Deutschland Erfahrung mit Menschenhandel machen mussten. Aber sie sollten wissen, dass es dieses Thema gibt und dass Menschen unter uns sind, die tagtäglich darunter leiden. Menschenhandel steht Betroffenen nicht ins Gesicht geschrieben, aber ist da.
Menschenhandel passiert inmitten unserer Gesellschaft. Das passiert nicht irgendwo, sondern auch mitten in Deutschland - und die Perspektive von Betroffenen muss entstigmatisiert werden. Wenn Organisationen und Menschen mit Geflüchteten arbeiten, müssen sie im Hinterkopf haben, dass Betroffene existieren und besondere Bedürfnisse haben. In unserer Arbeit mit Betroffenen sehen wir oft schon am ersten Tag, wie dankbar sie sind, dass es diesen Ort gibt, wo sie reden und frei Fragen stellen können. Es ist wichtig, dass jemand da ist, wirklich zuhört und Bedürfnisse und Sorgen ernst nimmt.”
IRC Deutschland unterstützt Menschen mit und ohne Fluchterfahrung darin, sich mit den eigenen Rechten und Möglichkeiten auseinanderzusetzen, um ein selbstbestimmtes Leben in Sicherheit führen zu können und arbeitet deutschland- und europaweit in drei Projekten gegen Menschenhandel:
- Das Projekt Safety Net will Flüchtenden und Geflüchteten, die durch den Krieg in der Ukraine vertrieben wurden, vor Missbrauch, Vernachlässigung und Ausbeutung in Form von Menschenhandel auf dem Weg und in Deutschland schützen.
- Das Projekt Safe Hutist ein Zusammenschluss von sieben Partnerorganisationen aus sechs EU-Ländern (Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Italien, Litauen, Rumänien), um vor allem vulnerable Frauen und Mädchen aus Drittstaaten – darunter auch Betroffene von Menschenhandel – zu unterstützen.
- Das Projekt DIRECTzielt darauf ab, die frühzeitige Identifizierung von drittstaatsangehörigen Betroffenen von Menschenhandel und ihre sozioökonomische Eingliederung in die Aufnahmegesellschaften zu fördern.