International Rescue Committee (IRC) und Medical Aid for Palestinians (MAP) sind alarmiert angesichts der israelischen Militäroffensive in Rafah. Diese Offensive wird die Wasser-, Sanitär- und Hygienebedingungen (WASH) im Süden Gazas weiterhin verschlimmern. Die jüngsten Eindrücke der Teams aus Gaza sind besorgniserregend: 

Palästineser*innen in Notunterkünften in der Mitte Gazas müssen mit nur drei Prozent des international anerkannten Mindeststandards der täglichen Wasserzufuhr auskommen. Mindestens ein großes Krankenhaus hat Schwierigkeiten, den Bedarf an Wasser zu decken. Dies zeigen jüngste Erkenntnisse der Expert*innen von International Rescue Committee (IRC) und Medical Aid for Palestinians (MAP). Beide Organisationen sind zutiefst besorgt, wie sich die sanitären und hygienischen Bedingungen auf die Gesundheit der vertriebenen Menschen in Gaza auswirken wird. In den letzten Wochen sind mehr als 800.000 Menschen aus Rafah vertrieben worden, der Grenzübergang wurde von Israel geschlossen.

Medizinische Notfallteams von IRC und MAP arbeiten unter verheerenden Bedingungen. Die Situation in einem der Krankenhäuser, in dem IRC- und MAP-Teams arbeiten, ist kritisch. Die Einrichtung ist überfüllt und überfordert: 700 Patient*innen befinden sich in einer 200-Betten-Einrichtung. Etwa 10.000 Vertriebene suchen auf dem Gelände des Krankenhauses Schutz und teilen sich die begrenzten sanitären Einrichtungen. Grundlegende Reinigungsmittel wie Seife sind nicht vorhanden. Die Hygienebedingungen sind stark beeinträchtigt und das Infektionsrisiko erhöht. Ärzt*innen haben erhebliche Bedenken vor übertragbaren Infektionen, da es nur unzureichende Möglichkeiten gibt, sich die Hände zu waschen.

Kiryn Lanning, IRC-Landesdirektorin für die Krise in Gaza, kommentiert:

„Wir besuchten in Gaza eine Unterkunft, in der 10.000 Menschen leben. Diese Unterkunft erhält nur 4.000 Liter Wasser pro Tag. Das entspricht etwa einem halben Liter (0,4 Liter) pro Person am Tag und muss zum Trinken, Waschen, Kochen und Reinigen reichen. Der Mindeststandard liegt bei 15 Litern pro Person am Tag. Dieser Standard wurde von humanitären Organisationen entwickelt, um sicherzustellen, dass Menschen in Krisen und Notsituationen das Minimum für ihre Gesundheit und ein Leben in Würde zur Verfügung haben. Vor allem im Norden Gazas ist der Wassermangel gravierend. Menschen müssen um den Zugang zu Wasser konkurrieren, wenn die Transporte Wasser liefern. Sie greifen auf unsichere Wasserquellen wie Meerwasser und landwirtschaftliche Brunnen zurück. Das erhöht die Gesundheitsrisiken durch Verunreinigungen wie Pestizide und tierische Abfälle. 

Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie sich die Situation durch die mangelhaften sanitären Einrichtungen in den Unterkünften in Gaza weiter verschlimmert. Das zeigen auch weit verbreitete Ausbrüche von Durchfallerkrankungen bei Kindern. Der Zugang zu sauberem Wasser ist eingeschränkt und Hygieneartikel sind auf lokalen Märkten nur gering verfügbar. Das macht es für viele Menschen quasi unmöglich, grundlegende Hygiene aufrechtzuerhalten und führt zu ernsthaften Risiken für die öffentliche Gesundheit.

Einfach ausgedrückt: Wir sehen jeden Tag eine katastrophale Verschlechterung des Lebensstandards und der Gesundheitsbedingungen in Gaza. Um diese humanitäre Krise zu beenden, braucht es jetzt einen dauerhaften Waffenstillstand und eine erhebliche Aufstockung von humanitärer Hilfe und Treibstoff. Ohne Treibstoff sind WASH-Dienste weiterhin unzureichend. Treibstoff ist für den Betrieb vieler Wasserpumpen und für die Lastwagen, die umfangreich Wasser transportieren und Abfälle entsorgen, unerlässlich.“

Die Krise in Gaza übertrifft eine Wasserknappheit und umfasst einen gravierenden Mangel an angemessenen sanitären Einrichtungen. In vielen Gebieten gibt es keine Latrinen, Duschen oder grundlegende Hygieneartikel. Beispielsweise leben in einer Notunterkunft Familien mit bis zu zehn Personen in Zelten mit behelfsmäßigen Latrinen, die aus offenen Hocklöchern bestehen. Dadurch sind die Menschen der Übertragung von wasserbedingten, übertragenen Krankheiten ausgesetzt. IRC und MAP besuchten eine Unterkunft, in der über 8000 Menschen leben und es nur zwölf Toiletten gibt. Einige Tausend weitere Menschen befinden sich auf dem Gelände rund um die Unterkunft. Im Durchschnitt teilen sich 600 Menschen eine einzige Latrine – der Mindeststandard entspricht nicht mehr als 20 Personen pro Latrine. In Gaza ist es die dreißigfache Anzahl. Hygieneprodukte sind mit hohen Kosten verbunden: 200 Gramm Seife kosten drei Dollar. Auch dies verhindert angemessene Hygiene und erhöht das Risiko von Ausbeutung und Missbrauch. Das betrifft insbesondere Frauen und Mädchen, die keinen Zugang zu sicheren und angemessenen Sanitätseinrichtungen haben.

Melanie Ward, MAP-Geschäftsführerin, sagt:

„Als ich letzten Monat in Rafah war, habe ich menschliche Exkremente in Seen gesehen – direkt neben den Zelten, in denen Kinder und Familien versuchen zu überleben. Einige Menschen müssen mit nur drei Prozent ihres Mindestbedarfs an Wasser auskommen. Das wird mit Sicherheit zur Ausbreitung weiterer Infektionskrankheiten wie Durchfall und Hautkrankheiten führen. Aber auch ein einfacher Wassermangel kann zu Dehydrierung führen. Wir haben bereits gesehen, wie Kinder in Gaza an Dehydrierung und Hunger gestorben sind.

Die Schließung des Grenzübergangs Rafah bedeutet, dass nur noch ein Rinnsal an Hilfsgütern nach Gaza trickelt. Dies wird weitere katastrophale Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben. Die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht stehende tun, um Israels Angriff auf Rafah und ganz Gaza zu stoppen und eine weitere gesundheitliche und humanitäre Katastrophe abzuwenden.“

Als Besatzungsmacht in Gaza muss Israel seinen Verpflichtungen nachkommen und sicherstellen, dass die besetzte Bevölkerung angemessene Nahrungsmittel und Unterkünfte erhält. Auch der Zugang zu geeigneten sanitären Einrichtungen und Gesundheitsdiensten muss gewährleistet werden. Israel muss unverzüglich wieder alle Landübergänge öffnen und den ungehinderten Zugang für Hilfsgüter und Mitarbeitende von Hilfsorganisationen ermöglichen.

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