Brüssel, Belgien, 14. März 2025 — Anlässlich der 9. Brüsseler Syrien-Konferenz am 17. März ruft International Rescue Committee (IRC) dazu auf, den dringenden humanitären Bedarf der syrischen Bevölkerung zu decken und den Wiederaufbau einzuleiten. Die Sicherheitslage in Syrien ist nach wie vor äußerst prekär, wie die Tötung von über 750 Zivilist*innen in der syrischen Küstenregion in diesem Monat gezeigt hat. Im ganzen Land sind Millionen von Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der seit mehr als 14 Jahren andauernde Konflikt hat zu einem landesweiten Zusammenbruch der Wirtschaft und zur anhaltenden Vertreibung von 7,2 Millionen Menschen geführt.
Trotz der jüngsten Entwicklungen im Land und des Optimismus, dass Syrien ein neues Kapitel aufgeschlagen hat, ist der Bedarf an humanitärer Hilfe und Wiederaufbau weiterhin rekordverdächtig hoch. Die diesjährige Brüsseler Syrien-Konferenz bietet eine einmalige Gelegenheit, sich direkt mit der Übergangsregierung Syriens über eine mögliche Zusammenarbeit und die Bewältigung der Herausforderungen des Landes auszutauschen.
Imogen Sudbery, Geschäftsführerin von IRC Belgien, sagt:
„Zum ersten Mal seit 14 Jahren haben wir die Gelegenheit, uns in Syrien anders zu engagieren. Dieser Moment erfordert mutige Entscheidungen und die Bereitschaft, die notwendigen Risiken einzugehen, um Verbesserungen in großem Umfang zu erreichen. Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, werden wir das Leid und die Instabilität nur verlängern.”
Die Syrien-Konferenz findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem humanitäre Akteure zum ersten Mal Zugang zu allen Landesteilen haben. Doch mit diesem Zugang wird auch deutlich, wie groß das Ausmaß der Zerstörung ist. Heute sind 81 Prozent der Stromnetze, 61 Prozent der Wassernetze und fast 50 Prozent der Gesundheitsinfrastruktur in Syrien zerstört. Infolgedessen sind 16,7 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen – die höchste Zahl seit Beginn des Konflikts.
Die Nachbarländer Syriens haben seit über einem Jahrzehnt rund sechs Millionen syrische Geflüchtete aufgenommen. Sie benötigen dringend anhaltende internationale Unterstützung, um weiterhin Hilfe bereitzustellen. Laut einer Ende Dezember durchgeführten IRC-Umfrage beabsichtigen rund 30 Prozent der Geflüchteten in der Region nicht zurückzukehren. Dies macht deutlich, dass die Aufnahmeländer den Grundsatz der sicheren und freiwilligen Rückkehr weiterhin aufrechterhalten müssen. Syrische Geflüchtete berichten, dass der Zugang zu Wohnraum, Bildung für ihre Kinder und Beschäftigungsmöglichkeiten in der Heimat ihre potenzielle Rückkehr entscheidend beeinflussen.
Während die Mittel für humanitäre Hilfe weniger werden, sehen sich Syrer*innen im Land und in der gesamten Region mit immer größerer Not konfrontiert. Im vergangenen Jahr wies der UN-Hilfsplan für Syrien mit 65,5 Prozent die bisher größte Finanzierungslücke auf. Diese Lücke hat Hilfsorganisationen dazu gezwungen, ihre Leistungen für bedürftige Syrer*innen zu reduzieren und teilweise ganz einzustellen. In diesem Jahr ist die Lage noch schlimmer. Die Aussetzung der US-Auslandshilfe hat Millionen von Syrer*innen von lebensrettenden Dienstleistungen abgeschnitten und ihren Überlebenskampf noch weiter verschärft. Untätigkeit oder verzögerte Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bergen das Risiko, Syrien während eines sehr fragilen Übergangs zu destabilisieren.
IRC fordert Geberregierungen und politische Entscheidungsträger*innen auf, ihren Ansatz grundlegend zu ändern, indem sie:
- Investitionen sowohl in humanitäre Soforthilfe als auch den langfristigen Wiederaufbau aufstocken, um den Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen, Beschäftigungsmöglichkeiten und physischer Sicherheit für die syrische Bevölkerung zu verbessern.
- Weitere Unterstützung der Aufnahmeländer bereitstellen, damit syrische Geflüchtete Zugang zu wichtigen Dienstleistungen haben und die notwendigen Informationen erhalten, um in voller Kenntnis der Sachlage zu entscheiden, ob und wann sie zurückkehren.
- Eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung ermöglichen, um die dringenden Bedürfnisse der Syrer*innen auf prinzipientreue und wirksame Weise zu erfüllen.
- Vorrang für dauerhafte Lösungen für Vertriebene einräumen – durch Investitionen in Lebensunterhaltsmöglichkeiten, Infrastruktur und wichtige Dienstleistungen sowie die Förderung der Widerstandsfähigkeit und Integration der betroffenen Gemeinden.
Tanya Evans, IRC-Landesdirektorin für Syrien, kommentiert:
„Überall in Syrien haben die Menschen mit extremer Armut, zerstörter Infrastruktur und einer anhaltenden Wirtschaftskrise zu kämpfen. Währenddessen sehen sich die Geflüchtete in den Aufnahmeländern mit zunehmendem Druck und Unsicherheit über ihre Zukunft konfrontiert. Die diesjährige Brüsseler Syrien-Konferenz muss zu klaren und umsetzbaren Zusagen führen, die die humanitäre Hilfe aufrechterhalten und es der syrischen Bevölkerung ermöglichen, ihr Leben in Würde und Stabilität wieder aufzubauen.“
Im Vorfeld der Brüsseler Syrien-Konferenz fordert IRC die EU-Mitgliedstaaten und Geberregierungen dazu auf, diesen kritischen Moment zu nutzen. Die internationale Gemeinschaft muss sich engagieren und sowohl die erforderlichen Mittel als auch die Lösungen bereitstellen, um den unmittelbaren humanitären Bedarf zu decken und die Grundlage für den langfristigen Wiederaufbau Syriens zu schaffen.