Resettlement ist die organisierte, direkte Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten, die ihr Heimatland verlassen mussten, aber auch in dem Land, in das sie geflohen sind (das sogenannte Erstaufnahmeland), nicht dauerhaft in Sicherheit leben können. 

Deutschland ist in den letzten Jahren global ein wichtiges Aufnahmeland für Resettlement geworden. Aktuell steht die Bundesregierung vor der Entscheidung, wie viele Resettlement Aufnahmeplätze für 2024 -2025 bereitgestellt werden sollen.

Informiere dich in diesem Explainer darüber, warum es jetzt wichtiger denn je ist, die fluchtpolitische und humanitäre Bedeutung von Resettlement zu verstehen und sich für eine Erhöhung der Aufnahmeplätze durch die Bundesregierung einzusetzen.

Was ist Resettlement und warum braucht es das?

Resettlement ist die direkte Umsiedlung von Geflüchteten aus Erstaufnahmeländer, oft in der direkten Nachbarschaft des Herkunftslands in dauerhafte Aufnahmeländer. Es ist eine der wenigen sicheren und regulären Möglichkeiten, um u.a. in die EU und die USA zu gelangen. 

Über das Resettlement-Programm bleibt besonders vulnerablen Gruppen, wie schwerkranke Personen, die extrem gefährliche und sehr kostspielige Fluchtroute erspart und ihre Einreise und der Aufenthalt ist gesichert. 

Im Aufnahmeland selbst muss kein Asylverfahren durchgeführt werden. Personen, die über das Resettlement-Programm einreisen, können direkt beginnen, sich in Deutschland einzuleben, weil ihr Aufenthaltsrecht bereits geklärt ist. Sie erhalten eine Aufenthaltserlaubnis nach §23 Abs.4 AufenthG und haben so direkt Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen. Außerdem sind sie in Bezug auf Familiennachzug Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gleichgestellt und haben einen rechtlichen Anspruch auf Nachzug der Kernfamilie. 

Das Resettlement-Verfahren ist ein wichtiges Instrument zu einer verhältnismäßigeren Verteilung von schutzbedürftigen Personen auf globaler Ebene und so einer faireren Verantwortungsteilung in der internationalen Gemeinschaft.  Denn aktuell nehmen Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, 76 % der schutzbedürftigen Personen auf. Länder, die weniger als 1,3 % des weltweiten BIP erwirtschaften, gewähren dabei Schutz für 20 % der Schutzsuchenden. 70% der Schutzsuchenden fliehen in Nachbarländer. 

In vielen dieser Länder herrschen Konflikte oder politische Unsicherheit, wirtschaftliche Instabilität, Ernährungsunsicherheit oder Gesundheitskrisen, die die staatlichen Kapazitäten einschränken, den Geflüchteten ausreichende Unterstützung und langfristigen Schutz zu bieten. Diese Situation verschärft sich auch auf Grund der Folgen des Klimawandels und durch die Nachfolgen der Covid-19 Pandemie.  

Diese Situation führt dazu, dass besonders schutzbedürftige Geflüchtete oft in den Erstaufnahmeländern keine dauerhafte Unterstützung und keinen Zugang zu einer langfristigen Integration haben. Für Menschen, die auch nicht sicher in ihre Heimat zurückkehren können, ist die Aufnahme über Resettlement oft eine wichtige Rettungsleine.

Der weltweite Resettlement-Bedarf hat laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ein Rekordlevel erreicht und steigt weiterhin:

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Zahlen & Fakten

Für 2024

wird erwartet, dass die Zahl der Personen, die auf Resettlement angewiesen sind, 2.4 Millionen erreichen wird.

Das entspricht einem erneuten Anstieg um 20%.

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2 Millionen Geflüchtete

sind dieses Jahr auf Resettlement-Maßnahmen angewiesen

Im Jahr 2022 waren es noch 1,47 Millionen.

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Wie läuft das Verfahren ab und wie viele Menschen kommen tatsächlich an?

Seit 2016 beteiligt sich Deutschland am Resettlement-Programm der EU, in dessen Rahmen die Mitgliedstaaten jedes Jahr über das sogenannte Pledging-Verfahren festlegen, wie viele Aufnahmeplätze, aus welchen Erstaufnahmestaaten und unter welchen Aufnahmekriterien zur Verfügung gestellt werden. Die Deadline für das Pledging ist immer Mitte September. In diesem Jahr haben die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihre Zusagen für 2024-2025 bekannt zu geben.

Deutschland stellt im Jahr 2023 maximal 6.500 Plätze für Resettlement und humanitäre Aufnahmen zur Verfügung. Davon sollen 2.950 Aufnahmeplätze im Rahmen des Resettlement-Programmes vergeben werden. Aufgenommen werden sollen afghanische, syrische, irakische, sudanesische, südsudanesische, somalische, jemenitische und eritreische Staatsangehörige, die sich aktuell in Ägypten, Jordanien, Kenia, Libanon, Libyen und Pakistan aufhalten. Zusätzlich nimmt Deutschland auch schutzbedürftige Personen aus der Türkei auf, um die EU Türkei Erklärung aus 2016 umzusetzen.

Außerdem geht dieses Jahr ein Pilotprojekt an den Start, bei dem bis zu 50 Plätze in Eil- bzw. Notfällen sowie weiteren akuten Einzelfällen zur Verfügung gestellt werden. Hierbei handelt es sich dann um eine staatenungebundene Quote, eine sogenannte unallocated quota. Das bedeutet, dass eine Aufnahme auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsort der Person stattfinden kann. Die Quota soll in besonders dringenden Fällen eingesetzt werden, zum Beispiel wenn Personen an ihrem Aufenthaltsort sexualisierte Gewalt erlebt haben. 

Neben dem Aufnahmekontingent auf Bundesebene, gibt es auch zusätzliche Landesaufnahmeprogramme. Aktuell gibt es solche Programme in Schleswig-Holstein, Berlin und Brandenburg. 

Die aktuellen Kriterien der Bundesregierung, nach denen schutzbedürftige Personen für Resettlement ausgewählt werden, sind der Grad der besonderen Schutzbedürftigkeit, Wahrung der Einheit der Familie, familiäre oder sonstige integrationsförderliche Bindungen nach Deutschland, Integrationsfähigkeit (Indikatoren beispielweise: Grad der Schul- und Berufsausbildung; Berufserfahrung; Sprachkenntnisse; geringes Alter). Es können auch bis zu 5% schwerstkranke Personen aufgenommen werden.

Die Auswahl und Prüfung der Aufnahmekriterien findet im Erstaufnahmeland durch UNCHR statt, beispielsweise durch Interviews oder Prüfung des Flüchtlingsstatus, falls dieser bereits vom Erstaufnahmeland vergeben wurde. Ein individueller Antrag auf Aufnahme in das Resettlement-Programm ist nicht möglich und Personen können im Rahmen des Resettlement-Programms nicht entscheiden, in welches Land sie aufgenommen werden. 

Die Vorschläge von UNHCR werden im Anschluss an die Resettlement-Aufnahmeländer weitergeleitet. Diese führen ein umfangreiches Screening und ein Prüfungsprozess durch und entscheiden final, ob eine Zusage erteilt wird. Es findet auch eine umfangreiche Identitäts- und Sicherheitsüberprüfung statt. Hierfür werden auch Mitarbeitende von deutschen Behörden, wie dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), abgeordnet. 

Vor der Abreise finden auch Orientierungskurse und medizinische Untersuchungen statt.

Das Verfahren kann sich auf Grund der vielen Verfahrensabschnitte sehr in die Länge ziehen. Infolge des verlängerten Zustands der Unsicherheit und der Unterbringung in oft ungeeigneten Umgebungen, sind die betroffenen Personen meist sowohl körperlich als auch psychisch stark belastet.

Weltweit wurden weltweit im Jahr 2022 etwa 116.481 Fälle von UNHCR für Resettlement vorgeschlagen, zu Ausreisen kam es allerdings nur in 58.457 Fällen, also in etwa der Hälfte der vorgeschlagenen Fälle. Durch das Nichteinhalten der Resettlement-Verpflichtungen sind Erstaufnahmestaaten zusätzlich be-, statt entlastet. 

Positiv anzumerken ist zwar einerseits, dass die Zahlen der vorgeschlagenen und auch der tatsächlichen Ausreisen nach einem pandemiebedingten Einbruch wieder gestiegen sind, allerdings trotz gestiegenen Bedarfs- noch nicht an die Zahlen vor der Pandemie anknüpfen können.

Welche Rolle hat Deutschland?

Bereits im letzten Jahr ist die EU ihren Resettlement Selbstverpflichtungen nicht nachgekommen: obwohl die EU-Mitgliedsstaaten zugesagt hatten, insgesamt 20.000 Geflüchtete über Resettlement-Programme aufzunehmen, sind 2022 insgesamt nur 16.695 Personen aufgenommen worden. Das entspricht nur 1,1 Prozent des weltweiten Bedarfs. 

Resettlement-Programme umgesetzt haben im vergangenen Jahr nur 11 EU-Länder und 75% der Menschen kamen in nur drei Ländern – Deutschland (28,2 Prozent), Schweden (26,7 Prozent) und Frankreich (18,5 Prozent) – an. Beunruhigend bleibt, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter Österreich, Bulgarien, Kroatien, Luxemburg, Griechenland, Polen und Portugal, keine Resettlement Aufnahmeplätze zur Verfügung gestellt haben.   

2022 hat Deutschland eine Vorreiterrolle im Resettlement eingenommen und im Gegensatz zu vielen anderen EU-Mitgliedstaaten die Zahl der Aufnahmeplätze nicht reduziert, sondern im Angesicht des global steigenden Bedarfs erhöht. Auf dieses wichtige und richtige Signal sollte aufgebaut werden. 

Besonders ist, dass in diesem Jahr Resettlement Zusagen für 2024-2025 gemacht werden, also für zwei Jahre. Um auf neu auftretende humanitäre Krisen reagieren zu können, sollten die Zusagen vorausschauend sein und ausreichend Plätze enthalten, die nicht spezifischen Nationalitäten fest zugewiesen sind (sog. Unallocated quota). 

Eine angemessene Anzahl von Aufnahmeplätzen für Notfälle -beispielsweise aufgrund drastischer individueller Gefährdung oder medizinischen Behandlungsbedarf- ist ebenfalls erforderlich, um eine hinreichend flexible Aufnahme von Personen zu ermöglichen. 

Was fordert IRC von der Bundesregierung?

IRC fordert die Bundesregierung und die anderen EU-Mitgliedstaaten auf, weiterhin Solidarität mit den Erstaufnahmeländern zu zeigen. Konkret sollte das gemeinsame Resettlement-Programm aller EU-Mitgliedsstaaten auf 44.000 Aufnahmeplätze im Jahr 2024 und auf 48.000 Aufnahmeplätze für 2025 erhöht werden. Die Bundesregierung sollte den positiven Trend des letzten Jahres fortsetzen und - wie im Koalitionsvertrag angekündigt - die Aufnahmezahlen weiter erhöhen. Insbesondere sollte das Kontigent für das Resettlement von Afghan*innen aus Pakistan erhöht werden, um eine Ergänzung zum Bundesaufnahmeprogramm für in Pakistan aufhältige afghanische Geflüchtete zu schaffen.

In der Umsetzung des Resettlement-Programms fordern wir die deutsche Regierung dazu auf,

  • sicherzustellen, dass der Zweijahreszyklus zu einer besseren Vorbereitung und vollständigen Umsetzung der zugesagten Resettlementplätze führt und nicht zu einer Verringerung der Gesamtzahl.
  • ausreichend Aufnahmeplätze für Notfallaufnahmen und nicht zugewiesene Kontingente für zukünftige Krisen bereitzustellen.
  • die für 2023 zugesagten Auswahlplätze auch umzusetzen und nicht ausgefüllte Kontingente auf das kommende Jahr zu übertragen.