In der Emergency Watchlist 2020 haben Experten des International Rescue Committee die Länder identifiziert, die in diesem Jahr am stärksten von humanitären Krisen betroffen sein werden. Erfahren Sie mehr zu den schlimmsten Krisen im Jahre 2022 und was aktuell getan werden muss um den Menschen vor Ort zu helfen.

Die Länder der 2020 Watchlist sind Heimat für nur sechs Prozent der Weltbevölkerung, beherbergen gleichzeitig aber mehr als die Hälfte aller Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind und haben drei Viertel der weltweiten Flüchtlinge hervorgebracht.

„In den Ländern, die in Bezug auf humanitäre Not am höchsten eingestuft wurden, hat sich im Vergleich zum letzten Jahr kaum etwas geändert“, sagt Bob Kitchen, Vizepräsident für Notfalleinsätze bei IRC. „Dies zeigt, wie langwierig viele dieser Krisen sind und verdeutlicht, dass alle Akteure gemeinsam daran arbeiten müssen, die Ursachen einer humanitären Krise zu überwinden.“

 

10. Zentralafrikanische Republik

Das Bild zeigt eine Familie in einem provisorischen Lager für Vertriebene in Kaga Bandoro, Zentralafrikanische Republik
Eine Familie in einem provisorischen Lager für Vertriebene in Kaga Bandoro, Zentralafrikanische Republik
Foto: P Biro / International Rescue Committee

Der Konflikt und die Instabilität in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) sorgen für noch mehr Vertreibung und eine Verschärfung der Ernährungssituation. 2,6 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes, sind auf Hilfe angewiesen. Ein Drittel der Bevölkerung ist dabei in besonders kritischer Weise betroffen. Über ein Viertel aller Zentralafrikaner*innen mussten deshalb ihre Heimat schon verlassen: Mehr als 600.000 Menschen wurden intern vertrieben, weitere 600.000 sind in Nachbarländer geflohen.

Prognose: Seit 2013 gibt es Konflikte in der ZAR. Die Gefahr eines weiteren Zusammenbruchs ist sehr groß, denn das in Khartum unterzeichnete Friedensabkommen wird nur teilweise umgesetzt. Auch ist davon auszugehen, dass die für Dezember 2020 geplanten Wahlen die Spannungen zwischen den bewaffneten Gruppen und der Regierung weiter verschärfen werden.

 

9. Somalia

Eine Mutter wartet mit ihren zwei Kindern und weiteren Menschen vor dem Krankenhaus in Karaan, Somalia
Eine Mutter wartet mit ihren Kindern vor dem Krankenhaus in Karaan, Somalia
Foto: K Ryan / International Rescue Committee

Der Konflikt in Somalia sorgt seit 1991 für anhaltende Instabilität. Mehr als 5 Millionen Somalier*innen - das sind über 40 Prozent der Bevölkerung – benötigen humanitäre Hilfe. Mehr als eine Million Menschen sind akut von Hunger bedroht. 740.000 Somalier*innen sind vor dem Konflikt in andere ostafrikanische Länder geflohen, weitere 2,6 Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben. Nach den  Überschwemmungen Ende 2019 könnten diese Zahlen auf ein Rekordniveau ansteigen.

Prognose für 2020: Ende 2020 / Anfang 2021 sollen in Somalia die ersten direkten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit 1969 abgehalten werden. Das deutet auf eine leichte Stabilisierung der politischen Lage hin. Dennoch stellen militante Gruppen eine anhaltende Bedrohung dar. Wahlen könnten in diesem Zusammenhang einen erneuten Konflikt auslösen statt Frieden bringen und damit auch das Risiko für die humanitären Helfer*innen erhöhen. Zudem ist mit weiteren Überschwemmungen zu rechnen, welche die Ernährungsunsicherheit bis zum Frühjahr 2020 verschärfen könnten.

 

8. Burkina Faso

Neben einer Wiese in Burkina Faso wird ein Haus gebaut
Seit Anfang 2018 ist die Zahl der Vertiebenen in Burkina Faso auf fast 500.000 gestiegen
Foto: International Rescue Committee

Die humanitäre Lage in Burkina Faso hat sich 2019 rapide verschlechtert. Dies ist vor allem auf Konflikte zurückzuführen, an denen bewaffnete Gruppen beteiligt sind, die  inzwischen die Gebiete im Norden und Osten kontrollieren. Die Instabilität hat zu einem massiven Anstieg der Vertreibungen geführt –  von 9.000 Menschen Anfang 2018 auf fast 500.000 bis Oktober 2019.

Prognose für 2020: Konflikte haben den Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und anderen Dienstleistungen eingeschränkt. Diese Entwicklung wird sich wahrscheinlich auch 2020 fortsetzen. Die Zahl der Vertriebenen wird bis April 2020 voraussichtlich 900.000 erreichen. Es ist mit einer stetigen Verschärfung der Ernährungsunsicherheit zu rechnen. Sollten die geplanten Präsidentschaftswahlen im November 2020 weitere Instabilität auslösen, so wie dies 2015 geschehen ist, könnte sich die Situation weiter verschlechtern

 

7. Südsudan

Das Bild zwigt eine Mutter, die mit ihrem Baby bei einem Arzt ist, der ihr Kind vermisst
Ein Arzt in Südsudan vermisst den Arm eines Babys im Rahmen einer Untersuchung
Foto: J Wanless / International Rescue Committee

Der Bürgerkrieg im Südsudan hat seit 2013 fast 400.000 Menschen das Leben gekostet. 7,5 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 2,2 Millionen Menschen mussten aufgrund der gewaltsamen Konflikte in anderen Ländern Schutz suchen. Rund 1,5 Millionen Menschen wurden innerhalb des eigenen Landes vertrieben.

Prognose für 2020: Die Lage im Südsudan hat sich im Zuge der Einigung auf einen Waffenstillstand im Jahr 2018 etwas stabilisiert. Die Bildung der vereinbarten Einheitsregierung steht jedoch noch aus. Sollten die kommenden Gespräche scheitern, besteht ein hohes Risiko, dass es im Südsudan zu erneuten Ausschreitungen kommt. Es muss damit gerechnet werden, dass die vom Friedensabkommen ausgeschlossenen Parteien, den humanitären Hilfseinsatz beeinträchtigen könnten. Auch ist das Land kaum auf eine mögliche Ausbreitung des Ebola-Viruses aus der Demokratischen Republik Kongo (Platz 2 dieser Watchlist) vorbereitet.

 

6. Afghanistan

Eine Mutter schaukelt ihr krankes Kind in einem Lager im afghanischen Stadtteil Muqur
Eine Mutter schaukelt ihr krankes Kind in einem Lager in Badghis' Stadtteil Muqur, Afghanistan
Foto: S Glinski / International REscue Committee

Afghanistan steht vor einer immensen humanitären Herausforderung, die durch einen fast zwei Jahrzente andauernden politischen Konflikt hervorgerufen wurde. 9,4 Millionen Afghan*innen (25 Prozent der Bevölkerung) benötigen humanitäre Hilfe. Mehr als 10 Millionen Menschen sind von Hunger bedroht. Fast 2,5 Millionen afghanische Geflüchtete wurden im Ausland registriert.

Prognose für 2020: Aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten, welche die Friedensgespräche und die Wahlergebnisse 2019 negativ beeinflussten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Land 2020 von den vergangenen Konflikten und der Instabilität erholt. Es ist davon auszugehen, dass alle Seiten ihre Verhandlungspositionen mithilfe der Eskalation ihrer militärischen Operationen zu stärken versuchen. Dies könnte die Zahl der zivilen Opfer und den Bedarf an humanitärer Hilfe erhöhen. 2020 könnten deshalb eine halbe Million Menschen in Afghanistan vertrieben werden.

 

5. Venezuela

Ein Junge füttert seien kleine Schwester im Säuglingsalter mit einer Flasche
Die Unsicherheit, die Gewalt und der Hunger in Venezuela verschärfen sich
Foto: A Brenner / International Rescue Committee

In Venezuela eskaliert die humanitäre Krise, die aus politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen hervorgegangen ist, weiter. Seit November 2019 sind 4,6 Millionen Venezolaner*innen geflohen. Immer noch verlassen pro Tag schätzungsweise 5.000 Menschen das Land. Fast ein Viertel der Menschen in Venezuela sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 94 Prozent der Haushalte leben in Armut und 80 Prozent der Bevölkerung haben mit Ernährungsunsicherheit zu kämpfen. Aufgrund der Hyperinflation mangelt es an Nahrungsmitteln, Medikamenten und sauberem Wasser.

Prognose für 2020: Internationale Sanktionen könnten die wirtschaftliche Krise vertiefen. Durch verstärkte innenpolitische Spannungen wäre es möglich, dass sich die Unruhen im Land weiter verschärfen. Im Jahr 2020 könnten dadurch noch mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Die Kapazitäten und Ressourcen der Aufnahmeländer in der Region werden dann noch mehr belastet und  könnten deren Regierungen dazu veranlassen, Venezolaner*innen den Grenzübertritt durch strengere Auflagen zu erschweren. So eine Entwicklung könnte Geflüchtete aus Venezuela dazu zwingen, illegale und damit gefährlichere Fluchtrouten zu benutzen.

 

4. Nigeria

Eine Lehrerin steht vor ihren Schüler*innen vor der Klasse und lächelt.
Im November 2019 lebten über 2 Millionen Vertriebene im Nordosten Nigerias
Foto: T Sater / International Rescue Committee

Mehrere Konflikte sind für die andauernde Gewalt in Nigeria verantwortlich, darunter der seit einem Jahrzehnt währende Aufstand im Nordosten des Landes. Doch auch im Nordwesten und Zentrum Nigerias werden zunehmend Dörfer überfallen. Durch den Cholera-Ausbruch ist die Ernährungssicherheit bedroht. Im Nordosten Nigerias lebten im November 2019 über zwei Millionen Vertriebene, 243.000 Menschen sind in Nachbarländer geflohen und mehr als die Hälfte der 13,4 Millionen Menschen in der Konfliktregion benötigen umgehend humanitäre Hilfe.

Prognose für 2020: Anhaltende Konflikte und weitere Behinderung der humanitären Hilfsleistungen werden die Lage in Nigeria voraussichtlich noch verschlechtern. Die Situation im Nordwesten könnte sich weiterhin zuspitzen, sollten dort operierende bewaffnete Gruppen Verbindungen zu ihren in der Sahelzone aktiven Pendants etablieren.

3. Syrien

Aus dem Krieg in Syrien gehen 5,7 Millionen Flüchtlinge hervor, darunter auch zahlreiche Kinder.
Aus dem Krieg in Syrien gehen 5,7 Millionen Flüchtlinge hervor
Foto: L Hastert / International Rescue Committee

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Syriens ist seit 2011 durch den Konflikt innerhalb des Landes vertrieben worden, bis zu 5,7 Millionen Menschen sind aus Syrien geflohen. 11 Millionen Syrer*innen (65 Prozent der Bevölkerung) sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Prognose für 2020: Die Situation in Syrien bleibt vor allem im Nordwesten und Nordosten des Landes instabil. Ferner besteht auch 2020 das Risiko einer weiteren Eskalation und der Vertreibung von noch mehr Menschen. Die Krise ist seit langem von Angriffen auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur geprägt. Syrien wird auch im Falle einer Deeskalation des Konflikts massive Soforthilfe sowie langfristige humanitäre Unterstützung benötigen.

 

2. Demokratische Republik Kongo

Eine Ebola-Überlebende arbeitet im Ebola-Behandlungszentrum im Krankenhaus von Beni, Demokratische Republik Kongo
Eine Ebola-Überlebende arbeitet im Ebola-Behandlungszentrum im Krankenhaus von Beni, Demokratische Republik Kongo
Foto: K Ryan / International Rescue Committee

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) hat mit etwas mehr als 5 Millionen Menschen die größte Zahl an Binnenvertriebenen in Afrika. 15,9 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe und 15,6 Millionen leiden unter der krisenbedingten Nahrungsmittelknappheit. Zudem herrscht in der DRK der weltweit zweitgrößte Ebola-Ausbruch.

Prognose für 2020: Anhaltende bewaffnete Konflikte, politische Instabilität und die Ausbreitung von Ebola könnten im Jahr 2020 zu einer deutlichen Zuspitzung der Lage führen. Sollte sich die Krankheit in einem aktiven Konfliktgebiet oder einer Großstadt ausbreiten, wird die humanitäre Krise noch gravierender werden.

 

1. Jemen

Eine vertriebene Frau steht mit ihren beiden Kindern im Arm vor einem Haus in Aden, Jemen
Eine vertriebene Mutter mit Zwillingen in Aden, Jemen
Foto: W Swanson / International Rescue Committee

Jemen steht zum zweiten Mal in Folge an der Spitze der jährlichen IRC-Watchlist, einer Rangliste der 10 größten Krisen weltweit. Der anhaltende Bürgerkrieg hat seit 2015 über 3,6 Millionen Binnenvertriebene hervorgebracht. Mehr als 24 Millionen Jemenit*innen (80 Prozent der Bevölkerung) benötigen humanitäre Hilfe. Dies macht den Jemen-Konflikt zur weltweit größten humanitären Krise.

Prognose für 2020:  Die Bemühungen, die zur Lösung des Konflikts beitragen sollen, müssen sich in einer Verbesserung der humanitären Lage bemerkbar machen. Dies erfordert neben politischen Reformen auch massive Unterstützung für Wirtschaft und Infrastruktur. Sollte der Konflikt bis 2022 andauern, wird es UN-Angaben zufolge bis zu 500.000 Tote geben. Dabei werden die meisten Menschen aufgrund der indirekten Auswirkungen des Konflikts wie der Verschlechterung der Gesundheitsinfrastruktur ums Leben kommen.

IRC engagiert sich in allen 10 Ländern  dieser Rangliste. Im englischen Report Emergency Watchlist 2020 finden Sie mehr Hintergrundinformationen und Prognosen für weitere Länder.  Erfahren Sie mehr über unsere Arbeit weltweit.