Bonn, Deutschland, 27. Mai 2024 — Die Anliegen und Bedarfe von konfliktbetroffenen und klimaanfälligen Bevölkerungsgruppen benötigen gezielte Klimafinanzierung. Das ergibt ein Bericht von International Rescue Committee (IRC) im Vorfeld der Bonner Klimakonferenz, die vom 3. bis 13. Juni 2024 stattfindet.
Sechzehn Länder sind sowohl von den Auswirkungen des Klimawandels als auch von bewaffneten Konflikten betroffen. In diesen Ländern leben 44 Prozent der Menschen, die von Naturkatastrophen betroffen sind und 79 Prozent der Menschen, die humanitäre Not erleben. Trotzdem erhalten diese Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig wenig Klimafinanzierung. Das verschlimmert ihre Anfälligkeit für die Auswirkungen von Klimawandel, Krieg und Krisen weiter. Ein neuer IRC-Bericht analysiert die Auswirkungen des Klimawandels auf gefährdete Gemeinden und wie das neue globale Klimafinanzierungsziel sie besser unterstützen kann.
Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts:
- Unausgewogene Verteilung der Klimafinanzierung: Derzeit erreichen 90 Prozent der Klimafinanzierung Länder mit mittlerem Einkommen und hohem Emissionsausstoß. Konfliktbetroffene Gemeinden erhalten nur einen Bruchteil der benötigten Mittel. Dadurch können sie sich nicht an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen.
- Lücke in der Anpassungsfinanzierung: Konfliktbetroffene Gemeinden erhalten nur ein Drittel der Anpassungsfinanzierung im Vergleich zu konfliktfreien Regionen. Zwischen bereitgestellter und benötigter Unterstützung klafft eine jährliche Lücke von schätzungsweise 75 Prozent.
- Geschlechterungleichheit: Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen sind größeren Risiken ausgesetzt und haben weniger Zugang zu Ressourcen. Nur 14 Prozent der Anpassungsmaßnahmen sind auf Frauen ausgerichtet. Nur zwei Prozent der budgetierten Aktivitäten zielen auf Geschlechtergleichheit ab.
Die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und das neue kollektive quantifizierte Ziel (NCQG) können diesen Ungerechtigkeiten entgegenwirken. Die internationale Gemeinschaft muss ehrgeizige Ziele und integrative, flexible Finanzierungsansätze festlegen. Nur so können gefährdete Bevölkerungsgruppen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden.
Empfehlungen für das neue kollektive quantifizierte Ziel der UN-Klimarahmenkonvention:
- Offizielle Anerkennung der Finanzierungslücken: Ein Ziel von 18 Prozent bei der Anpassungsfinanzierung für klimagefährdete, konfliktbetroffene Gemeinden festlegen. Dies basiert auf der Grundlage aktueller Schätzungen des Bedarfs.
- Ausgewogene Teilziele: Finanzmittel zu gleichen Teilen auf die Abmilderung der Folgen der globalen Erwärmung sowie Anpassung an den Klimawandel aufteilen und ein separates Unterziel für Verluste und Schäden (Los-s & Damages) erstellen.
- Sicherstellung der Zugänglichkeit: Die Mittel für Schäden und Verluste sollten in konfliktbetroffenen Ländern flexibel durch Partnerschaften verfügbar sein, einschließlich Zivilgesellschaft und lokaler Akteur*innen.
- Einbeziehung der Geschlechter: 88 Prozent der bilateralen Klimafinanzierung sollten geschlechtersensibel sein; mindestens 15 Prozent sollten geschlechtsspezifische Finanzierung sein.
- Regelmäßige, transparente Berichterstattung: Einführung von Mechanismen für eine transparente Berichterstattung über Klimafinanzierungsströme. So kann die Rechenschaftspflicht gewährleistet werden.
Corina Pfitzner, Geschäftsführerin von International Rescue Committee Deutschland, kommentiert:
,,Die Klimakrise ist ein Brandbeschleuniger für Krisen weltweit und zeigt seine Auswirkungen auf menschliche Not am stärksten dort, wo Klima, Armut und Konflikt aufeinandertreffen.Heruntergebrochen heißt das: Die Schwächsten sind am stärksten betroffen, obwohl sie am wenigsten zum Klimawandel beitragen. Zugleich erhalten sie die geringste Unterstützung.
Gleiches gilt für die Kluft zwischen Bedarf und ankommender Hilfe, das belegen Zahlen neuester Forschungen: Die meisten betroffenen Länder benötigen bis 2030 jährlich knapp zwei Billionen US-Dollar, um die Auswirkungen des Klimawandels wirksam zu bewältigen. Diesen Bedarfen wird das derzeitige Ziel von knapp 100 Milliarden US-Dollar Klimafinanzierung nicht annähernd gerecht. Nur mit einem ambitionierten Finanzierungsziel, das Ressourcen in dem Umfang und mit der Weitsicht aufstockt, können wachsende Herausforderungen nachhaltig und umfangreich bewältigt werden.
Wann immer Krisen auftreten, sind Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen – die Klimakrise bildet hier keine Ausnahme. Ausreichende, verlässliche Klimafinanzierung und Projekte, die Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen stärken, ist unabdingbar. Partnerschaften mit lokalen, frauengeführten Organisationen sollten an erster Stelle stehen. Auch im Klimaschutz sind Frauen Teil der Lösung, gerade weil sie so häufig zentral für die Versorgung ihrer Familien sind. Die Notwendigkeit für mutiges und dringendes Handeln könnte nicht deutlicher sein.”
IRC fordert alle Parteien auf der Bonner Klimakonferenz auf, die besonderen Herausforderungen der von Konflikten betroffenen Länder in Bezug auf den Klimawandel anzuerkennen. Die internationale Gemeinschaft muss sich für integrative, nachhaltige Lösungen einsetzen, die sowohl den unmittelbaren als auch den langfristigen Bedürfnissen betroffener Gemeinden gerecht werden.
Hinweis an die Redaktion:
- Der vollständige Bericht über die Auswirkungen des Klimawandels in konfliktbetroffenen Regionen ist hier abrufbar.
- Für weitere Informationen, Statements und Interviews wenden Sie sich bitte an [email protected].