Derzeit sind mehr Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen als je zuvor. Laut einem Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind weltweit 110 Millionen Menschen vertrieben. Das sind mehr Menschen als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. 

Vom Krieg in der Ukraine über den anhaltenden Konflikt in Syrien bis hin zu Klimaschocks und wirtschaftlichen Krisen in Ostafrika und Lateinamerika - die weltweite Instabilität nimmt zu. Ende 2022 lag die Zahl bei 108 Millionen und stieg in den ersten Monaten des Folgejahres bereits auf 110 Millionen an. 

Doch leider werden viele Familien und Personen, die Schutz und Zuflucht suchen, nicht mit offenen Armen empfangen. Die politische Antwort auf die wieder steigende Zahl von Menschen, die über Landesgrenzen hinweg Schutz suchen, ist zu Unrecht grausame und unmenschliche Vorgehensweisen. Diese Maßnahmen höhlen das in internationalen und europäischen Gesetzen gesicherte Recht auf faire Asylverfahren aus, stärkt das Geschäftsmodell von Menschenschmuggler*innen und setzen Schutzsuchende weiteren Gefahren aus. 

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Erfahre hier, was du über die aktuelle humanitäre Krise wissen musst.

Was unterscheidet Flüchtlinge, Asylsuchende und Binnenvertriebene?  

Die vom UN-Flüchtlingswerk UNHCR veröffentlichte Zahl von 110 Millionen bezieht sich auf Flüchtlinge, Asylsuchende und Binnenvertriebene. Wenn wir über Klient*innen von IRC schreiben, verwenden wir meist den Begriff Geflüchtete. Die Bezeichnung Flüchtling reduziert die Komplexität von Fluchterfahrungen und wird oft als weltpolitischer Spielball benutzt. In gewissen Kontexten, wie der Bekanntgabe der jährlichen Statistik des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR), ist der Begriff Flüchtling jedoch unumgänglich. Mehr Informationen finden sich in diesem Artikel, der die Unterschiede zwischen den Bezeichnungen Flüchtlinge, Geflüchtete, Asylbewerber*innen und Binnenvertriebene erklärt.

Flüchtlinge sind Menschen, die aufgrund von Krieg, Gewalt oder Verfolgung gezwungen sind, aus der eigenen Heimat zu fliehen und eine internationale Grenze zu überqueren, oft ohne Vorwarnung. Sie können nicht in ihre Heimat zurückkehren, solange die Bedingungen im Heimatland nicht wieder sicher sind. 

Eine offizielle Stelle wie eine Regierung oder UNHCR entscheidet, ob eine Person, die internationalen Schutz sucht, diese Definition der internationalen Schutzberechtigung erfüllt. Diejenigen, die den Status als Flüchtling nach Genfer Konvention erhalten, werden durch internationale Gesetze geschützt und erhalten lebensrettende Unterstützung von Hilfsorganisationen, einschließlich IRC. Für einige in Nachbarstaaten der Herkunftsländer anerkannte Flüchtlinge kommt Resettlement in ein Drittland, beispielsweise Deutschland, in Frage. Die Aufnahmebereitschaft der aufnehmenden Staaten bleibt jedoch gravierend hinter dem weltweiten Bedarf zurück.

Asylsuchende sind geflüchtete Personen, die im Ausland internationalen Schutz vor Gefahren in ihrem Heimatland suchen, deren Antrag auf Asyl aber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Das Recht auf die Suche nach Asyl in einem anderen Land ist ein Menschenrecht und in der Flüchtlingskonvention von 1951 festgehalten. Sobald die Menschen in einem Land angekommen sind, durchlaufen sie ein strenges Verfahren, in dem ihre Asylanträge geprüft werden, und bei erwiesener Verfolgung ein Schutzstatus und eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis gewährt wird. 

Binnenvertriebene sind Menschen, die aufgrund von Krieg, Gewalt oder Verfolgung gezwungen sind, aus der eigenen Heimat zu fliehen, aber keine internationale Grenze überqueren. Ende 2022 waren weltweit über 62,5 Millionen Menschen Binnenvertriebene, darunter 6,8 Millionen in Syrien und 5,4 Millionen in der Ukraine

Lyubov schaut in die Kamera und hält dabei eine Decke.
Ljubow erhält vom IRC eine Decke im Zentrum für Binnenvertriebene in Dnipro, Ukraine. Sie, ihre Schwiegertochter und ihre Enkelin haben ihr zu Hause in Kramatorsk in der Ostukraine am ersten Tag des Kriegsausbruchs verlassen. Lyubovs Ehemann folgte ihnen kurz darauf.
Foto: Diana Zeyneb Alhindawi/IRC

Woher kommen die meisten Geflüchteten?

Bis Ende 2022 stammten mehr als die Hälfte aller Geflüchteten (52%), die internationalen Schutz suchten, aus Syrien, der Ukraine und Afghanistan

Nach 12 Jahren Krieg bleibt Syrien das Land mit den meisten Vertriebenen weltweit. Mehr als 6,8 Millionen Syrer*innen waren seit 2011 gezwungen, ihr Land zu verlassen und weitere 6,8 Millionen Menschen sind nach wie vor innerhalb des Landes vertrieben. 

Der Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 löste die schnellste Vertreibung von Menschen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg aus. In den ersten Tagen überquerten täglich bis zu 200.000 Menschen die Grenze zu Nachbarländern. Inzwischen sind über 8,3 Millionen Menschen aus dem Land geflohen, während weitere 5,4 Millionen innerhalb der Ukraine vertrieben sind. 

Seit dem Machtwechsel in Afghanistan haben sich die humanitären Bedürfnisse im ganzen Land verschärft, so dass es sich um eine der bisher schlimmsten humanitären Krisen weltweit handelt. Schätzungsweise 3,4 Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben und da sich die wirtschaftliche Lage u.a. aufgrund der schlimmsten Dürre seit 27 Jahren und der wirtschaftlichen Isolation des Landes von der internationalen Gemeinschaft verschlechtert, ist davon auszugehen, dass diese Zahlen noch weiter ansteigen werden. 

Reivid, Yosneida und Familie
Reivid und Yosneida verließen Venezuela auf der Suche nach Arbeit, um ihre drei Kinder und Reivids kranke Mutter zu unterstützen. Nach einer beschwerlichen dreiwöchigen Reise, die sie über zwei Berge führte, kam die Familie in Peru an, wo sie Nothilfe vom IRC erhalten hat.
Foto: Camila Montañez/IRC

 

In Venezuela sind mehr als 7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Sie stehen vor der großen Herausforderung, die grundlegendsten Bedürfnisse zu decken, während öffentliche Dienstleistungen weiterhin überlastet sind. 

Die Situation in Venezuela hat zu einer beispiellosen Vetreibung in Lateinamerika geführt: Über 7,2 Millionen Menschen haben das Land seit 2015 verlassen. Davon haben etwa 6 von 10 versucht, sich in Kolumbien, Ecuador und Peru ein neues Leben aufzubauen.

In welchen Ländern suchen die meisten Menschen Schutz? 

Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen nehmen die überwiegende Mehrheit (76%) der weltweiten Geflüchteten auf. Derzeit zählen Türkei, Iran und Kolumbien zu den größten Aufnahmeländern.  

Wie hilft IRC Geflüchteten?

Mit über 110 Millionen weltweit vertriebenen Menschen war der Bedarf an humanitärer Hilfe, Schutz und längerfristigen Perspektiven noch nie so groß wie heute. 

In Europa war IRC eine der ersten Hilfsorganisationen, die 2015 Geflüchtete auf Lesbos unterstützte. IRC-Mitarbeiter*innen sind weiterhin rund um die Uhr in Griechenland, Serbien und Italien im Einsatz, um Familien, die unter grausamen Bedingungen leben, mit lebenswichtigen Dienstleistungen wie sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen zu versorgen. Außerdem helfen wir Neuankommenden, sich im verwirrenden Asylverfahren zurechtzufinden und ihre Rechte zu verstehen.  

In Deutschland unterstützen wir Geflüchtete bei der Integration in ihr neues Umfeld. Seit 2016 sind wir in allen 16 Bundesländern in Deutschland vertreten und arbeiten im Dialog mit Politik, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen, privaten Partnern und der Öffentlichkeit im In- und Ausland. Für die Programmarbeit in Deutschland liegen die Schwerpunkte auf der Bildung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen, der Förderung von Teilhabe besonders schutzbedürftiger Geflüchteter sowie deren wirtschaftliche Integration durch Beschäftigung und finanzielle Unabhängigkeit. 

IRC reagiert auf die Krisen in Lateinamerika und unterstützt die Menschen in Kolumbien, Ecuador, Peru und - über lokale Partnerorganisationen – in Venezuela. Zudem unterstützt IRC gefährdete Menschen im Norden Zentralamerikas und entlang der wichtigsten Migrationskorridore in Mexiko, das Ende 2021 weltweit die dritthöchsten Eingänge von Asylanträgen verzeichnete.  

Im Februar 2022 hat IRC mit einer Notfallmaßnahme zur Bewältigung der Ukraine-Krise begonnen und arbeitet direkt und mit lokalen Partner*innen zusammen, um diejenigen zu erreichen, die am meisten Unterstützung benötigen. Wir sind in Polen und Moldau sowie in vielen anderen europäischen Ländern tätig und bieten wichtige Leistungen wie finanzielle Unterstützung, psychologische Betreuung, medizinische Hilfsgüter und Ausrüstung sowie spezialisierte soziale Unterstützung für Kinder und Betroffene von Gewalt an. 

Seit 2012 ist IRC in Syrien tätig und erreicht Menschen, die vor Gewalt fliehen und seit Februar 2022 auch diejenigen, die durch die Erdbeben vertrieben wurden, die die Region entlang der Türkei-Syrien-Grenze verwüsteten. Unser Fokus liegt auf Gesundheitsversorgung, Schutz von gefährdeten Frauen und Kindern, frühkindlicher Entwicklung und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau.  

Aysha*, ihr Mann, Nabeel*, und ihr Kind, Amjad*, in deren Zelt.
Aysha*, ihr Mann Nabeel* und ihr Kind Amjad* in dem Zelt, in dem sie leben, seit das Erdbeben der Stärke 7,8 im Februar ihr zu Hause im Nordwesten Syriens zerstört hat. „Wir schliefen und wachten auf, als wir sahen, wie Zement und Steine herunterfielen. Wir nahmen unseren Sohn und rannten hinaus”, erinnert sich Aysha.
Foto: Frontline in Focus/IRC

IRC ist seit 1988 in Afghanistan tätig und setzt sich für die Sicherheit, die Bildung und das Wohlergehen von Millionen von Afghan*innen ein. Aufgrund des verhängten Arbeitsverbots für NGO-Mitarbeiterinnen, das erstmals am 24. Dezember durch die De-facto Behörden erlassen wurde, war IRC gezwungen, die Programme zunächst zu pausieren. Doch aufgrund von Vereinbarungen auf nationaler, Provinz- und Bezirksebene konnte IRC die Arbeit mit weiblichen Personal in 13 Provinzen wieder aufnehmen. 

In Ost-, Zentral- und Westafrika (einschließlich Somalia, Äthiopien, Burkina Faso, Mali und Niger) erreicht IRC Gebiete, die von Konflikten und Naturkatastrophen betroffen sind und unterstützt sie mit Dienstleistungen wie Wasser- und Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung und Hilfe bei der Arbeitssuche. 

Erfahre mehr über unsere Einsatzorte

Was kann ich tun, um Geflüchteten zu helfen? 

Mache auf die Situation von Geflüchteten aufmerksam, indem du dich informierst, ihre Geschichten am Weltflüchtlingstag 2023 und darüber hinaus teilst und ihnen im Alltag hilft, sich willkommen zu fühlen. 

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